Deutsche Geschichte. Ricarda Huch

Deutsche Geschichte - Ricarda Huch


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Spra­chen und das Spie­len ver­schie­de­ner Mu­sik­in­stru­men­te. Je­den­falls wa­ren die Frau­en eher ge­bil­de­ter als die rit­ter­li­chen Män­ner; noch Ende des 15. Jahr­hun­derts konn­ten ein Burg­graf von Nürn­berg und ein Graf von Sayn nicht schrei­ben, viel­leicht konn­te es auch Ru­dolf von Habs­burg nicht: es ist an­zu­neh­men, dass die Frau­en, die sich so warm für Dich­ter und Dicht­kunst in­ter­es­sier­ten, das Le­sen ver­stan­den. Dass Non­nen oft schrift- und spra­chen­kun­dig wa­ren, ist selbst­ver­ständ­lich. Den Bür­ger­frau­en stand in Be­zug auf Ar­beits­be­tä­ti­gung ihr Ge­schlecht nur in­so­fern im Wege, als ih­nen zu man­chen Be­ru­fen die kör­per­li­che Kraft fehl­te. Der Ein­tritt in eine Zunft war ih­nen nicht ver­wehrt, ab­ge­se­hen da­von, dass oft Wit­wen das Ge­schäft des Man­nes fort­setz­ten. Be­son­ders ge­hör­ten ih­nen ge­wis­se Be­ru­fe, die eine zar­te, bieg­sa­me Hand er­for­der­ten, wie der der Schlei­er­wä­scher oder Gold­spin­ner oder Sti­cker, aber auch an­de­re, in de­nen sie seit der Zeit ge­schickt sein moch­ten, als der häus­li­che Haus­halt für die ei­ge­nen Be­dürf­nis­se auf­kam. Wie in der Früh­zeit üb­ten sie auch spä­ter die ärzt­li­che Kunst aus; es gab hier und da Stad­t­ärz­tin­nen.

      Dem Va­ter stand es zu, Söh­ne und Töch­ter ins Klos­ter zu schi­cken oder zu ver­hei­ra­ten; aus vie­len Bei­spie­len geht her­vor, dass er da­bei in der Re­gel die Wün­sche der Mut­ter be­rück­sich­tig­te. In vie­len ad­li­gen Fa­mi­li­en war es Sit­te, nur je ei­nes der Kin­der zu ver­hei­ra­ten, die üb­ri­gen geist­lich wer­den zu las­sen. Bei der Hei­rat wur­de haupt­säch­lich der Vor­teil in Be­tracht ge­zo­gen; aber es wird lie­be­vol­le El­tern ge­ge­ben ha­ben, die be­stimm­te Nei­gung oder Ab­nei­gung der Kin­der nicht un­be­ach­tet lie­ßen. Von der ei­gen­wil­li­gen Ju­dith er­zähl­te man, sie habe, weil sie kei­ne Lust hat­te, den ihr be­stimm­ten grie­chi­schen Prin­zen zu hei­ra­ten, dem grie­chi­schen Ma­ler ge­gen­über, der sie por­trä­tie­ren soll­te, ihr schö­nes Ge­sicht zur Gri­mas­se ver­zo­gen, um den Frei­er ab­zu­schre­cken, was ihr auch ge­lun­gen sei. Den Auf­ent­halt im Klos­ter zo­gen ge­wiss vie­le Mäd­chen der Ehe vor; sie ge­nos­sen dort Be­quem­lich­keit, Si­cher­heit und Ehre, und auch eine weit­ge­hen­de Frei­heit nah­men die ad­li­gen Frau­en als selbst­ver­ständ­lich für sich in An­spruch. Fan­den die Frau­en kein Glück in der Ehe, so wuss­ten sie sich zu ent­schä­di­gen, we­nigs­tens möch­te man das aus den häu­fi­gen Ver­däch­ti­gun­gen hoch­ge­stell­ter Frau­en schlie­ßen, wenn sie auch nicht im­mer be­grün­det wa­ren. Ot­tos des Gro­ßen Toch­ter Li­ut­gard wur­de des Ehe­bru­ches be­schul­digt, die spä­ter hei­lig­ge­spro­che­ne Ku­ni­gun­de, die Frau Hein­richs II., soll sich durch das Got­tes­ge­richt von der An­kla­ge ge­rei­nigt ha­ben, in­dem sie mit blo­ßen Fü­ßen über ein glü­hen­des Ei­sen schritt. Man dach­te im All­ge­mei­nen nicht streng über lei­den­schaft­li­che Be­zie­hun­gen zwi­schen Mann und Frau. Bi­schof Sa­lo­mon von Kon­stanz hat­te ein Lie­bes­ver­hält­nis mit der Äb­tis­sin des Klos­ters Frau­müns­ter von Zü­rich; in die schö­ne Toch­ter, die der Ver­bin­dung ent­sprang, ver­lieb­te sich der Kai­ser Ar­nulf. Es ist nicht zu ver­wun­dern, wenn Frau­en oft be­schul­digt wur­den, mit Geist­li­chen zärt­li­che Ver­bin­dun­gen zu un­ter­hal­ten, wenn sie gern mit Geist­li­chen ver­kehr­ten. Das In­ter­es­se für die glei­chen Ge­gen­stän­de, für Ar­men- und Kran­ken­pfle­ge, für Poe­sie und Kunst führ­te sie zu­sam­men, Frau­en und Geist­li­che wa­ren ge­bil­de­ter als die welt­li­chen Män­ner, sie be­trach­te­ten die Din­ge in ei­nem Lich­te, das sie in­ter­essan­ter, be­deu­ten­der, viel­ge­stal­ti­ger er­schei­nen ließ. Be­greif­lich ist es auch, dass die Müt­ter we­nigs­tens ei­ni­ge ih­rer Söh­ne der Kir­che zu über­ge­ben lieb­ten, wo sie ei­ni­ger­ma­ßen vor dem Tod im Krie­ge ge­si­chert wa­ren, wo ihre Be­ga­bung ge­pflegt wur­de und sich ent­fal­ten konn­te. So dach­te zum Bei­spiel die Grä­fin von Go­seck, eine ge­bo­re­ne Grä­fin von Wei­mar, von de­ren Söh­nen ei­ner, Adal­bert, der be­rühm­te Erz­bi­schof von Bre­men wur­de. Die rit­ter­li­che Er­zie­hung der Kna­ben war so hart, sie ver­lief zwi­schen Pfer­den und Waf­fen, im Stal­le, im Sat­tel, un­ter Knüf­fen und Püf­fen, dass es dem Her­zen man­cher Mut­ter weh­tun moch­te, be­son­ders wenn das Kind zart war und dar­un­ter litt.

      Das Chris­ten­tum hat mit sei­ner An­prei­sung der De­mut wohl nicht nur im gu­ten, son­dern auch im üb­len Sin­ne zäh­mend ge­wirkt, in­dem es mit der Wild­heit der heid­nischen Frau ihre fri­sche Kraft dämpf­te; aber es setz­te ihre weib­li­che Wür­de nicht her­ab, ver­klär­te sie viel­mehr in ih­ren we­sent­li­chen Ei­gen­schaf­ten. Das über­ir­di­sche Ge­heim­nis der Emp­fäng­nis und Mut­ter­schaft hat­te sein Sym­bol in der jung­fräu­li­chen Mut­ter des Herrn, in der das Wort Got­tes Fleisch wur­de. In den klei­nen dunklen Kir­chen der ot­to­ni­schen Zeit sah man sie un­nah­bar groß, den wun­der­ba­ren Sohn auf dem Arme, eine Göt­tin mit un­er­gründ­li­chem Lei­dens­blick, man sah sie un­schul­dig ernst, halb ab­ge­wen­det der Bot­schaft des En­gels lau­schen, der die Fül­le himm­li­scher Herr­lich­keit vor sie hin­stürzt, man sah sie, das Herz von Schwer­tern durch­bohrt, sah die Über­win­de­rin auf­wärts schwe­ben, das ver­jüng­te Haupt mit der Kro­ne des Le­bens ge­krönt. Sie, die Got­tes­ge­bä­re­rin, die Him­mels­kö­ni­gin, war in al­len ir­di­schen Lei­den ge­prüft. Und er­leb­te nicht jede Frau das Wun­der, dass ih­rem Scho­ße ein Kind ent­sprang, dem Gott die See­le ein­hauch­te? Das un­lös­ba­re Ge­heim­nis der Ge­burt band die Frau an den Gott, des­sen Atem dem Ge­schöpf die letz­te Vollen­dung zur Men­schen­wür­de gibt; ihm brach­te man es dar nicht erst bei der Tau­fe; schon vor­her, als es noch un­ge­stal­tet in ih­rem Scho­ße lag, muss­te es durch sie von sei­nem Wort be­seelt wer­den. Im Mär­chen wird die Frau, die be­schul­digt wur­de, an­statt ei­nes mensch­li­chen Kin­des einen Hund oder einen Wolf zur Welt ge­bracht zu ha­ben, zum Feu­er­to­de ver­ur­teilt; wie eine Ket­ze­rin oder Zau­be­rin, eine Gott­lo­se, er­scheint die, de­ren Kind kein Men­schen­ant­litz trägt, also kein Got­tes­kind ist.

      Ne­ben der Ma­ria ste­hen vie­le große Hei­li­ge: Mar­ga­re­te, die Drachen­tö­te­rin, Ag­nes, die im Hau­se der Un­zucht ihre Rein­heit be­wahrt, Ka­tha­ri­na, Do­ro­thea und vie­le an­de­re, die von dem to­d­über­win­den­den Hel­den­mut der Frau und ih­rer Über­zeu­gungs­treue zeu­gen. In der Hoch­schät­zung der Jung­fräu­lich­keit traf die christ­li­che Auf­fas­sung mit der ger­ma­ni­schen zu­sam­men. Die Wal­kü­ren ver­lo­ren ihre Kraft mit der Jung­fräu­lich­keit, das Blut oder der Kuss ei­ner rei­nen Jung­frau hat im Mär­chen er­lö­sen­de Kraft. Da­rin wird nicht nur die Tat­sa­che ge­wür­digt, dass die Frau durch die sinn­li­che Lie­be oft bis zur Be­täu­bung des Ge­wis­sens und zum Ver­lust der ei­ge­nen Per­sön­lich­keit vom Man­ne ab­hän­gig wird, son­dern wohl auch die an­de­re, dass die zu­rück­ge­dräng­te Kraft ge­schlecht­li­cher Lie­be sich in schöp­fe­ri­sche Geis­tes­kraft um­set­zen kann. Die Hei­li­ge trat für den Ger­ma­nen an die Stel­le der we­gen ih­res pro­phe­ti­schen Geis­tes oder we­gen ih­rer Zau­ber­kunst ver­ehr­ten Frau­en. Sieht man, mit was für ge­dul­di­ger Auf­merk­sam­keit ein so im­pe­ra­to­ri­scher Kö­nig wie Fried­rich I. Bar­ba­ros­sa die Straf­pre­dig­ten der Hil­de­gard von Bin­gen auf­nahm, kommt es ei­nem vor, als habe die Ehr­furcht in ihm nach­ge­wirkt, die sei­nen heid­nischen Vor­fah­ren die Se­he­rin als die von den Göt­tern Er­wähl­te ein­flö­ßte.

      Dass die Frau die fro­he Bot­schaft ver­ständ­nis­voll auf­nahm, hat die ra­sche


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