Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
Kaisermacht als solche zu Friedrichs Zeit viel ansehnlicher gewesen war und alle dunkel fühlten, dass sie es nicht mehr war und nie mehr werden würde. Einen mächtigen Kaiser aber wollte das niedere Volk, einen Kaiser, der die Grenzen nach außen und im Inneren den Frieden erhielte, der über den Ständen stehend, einem jeden an Rechten und Freiheiten zuteilte, was ihm zukomme, der die Armen und Schwachen vor den Übergriffen der Großen schütze: Das Bild eines solchen Kaisers sah man an den Ratäusern und an den Toren, mit langem Bart und ernstem, sorgenvollem Antlitz, den Reichsapfel in der Hand, das Reichsschwert an der Seite, daneben der Adler mit herrischem Kopf und zermalmender Klaue, tödlich dem Räuber, dem fürstlichen und adligen wie dem niedriggeborenen. Ein solcher Richter an Gottes Statt, wie man ihn ersehnte, glaubte man gern, dass Friedrich gewesen sei. Da man sein fernes Grab nicht gesehen hatte, konnte man sich einbilden, er lebe noch und werde wiederkommen.
Friedrich II. war über hundert Jahre tot, als das Gedicht eines Meistersängers weissagte, wenn Streit und Krieg übergroß geworden wären, werde Kaiser Friedrich wiederkommen und seinen Schild an einen dürren Baum hängen, der dann erblühen werde. Er werde das Heilige Grab gewinnen, werde das Recht wiederherstellen, er werde nur den siebenten Teil der Pfaffen bestehen lassen, die Klöster zerstören und die Nonnen verheiraten, dass sie Wein und Korn bauten; dann würden gute, glückliche Jahre kommen. Es waren Wünsche aus dem Herzen des niederen Volkes. Aus solchen Kreisen war auch der falsche Friedrich gekommen, kamen auch die meisten seiner Anhänger und diejenigen, die nach seinem Tode dieselbe Rolle zu spielen versuchten. Einer von ihnen, der behauptete, er sei aus der Asche des vor Wetzlar Verbrannten erstanden, wurde in Utrecht erhängt, ein anderer in Lübeck ertränkt. Im Jahre 1295 wurde in Esslingen der letzte falsche Friedrich verbrannt.
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