Natti. Camilla Gripe
Limo, Chips
933 – 811 = 122 kr
Also habe ich noch ca. 100 Kronen, wenn ich meinen Kaffee hier bezahlt habe.
Neue Ausgaben:
Teppich mit Dampfwäsche reinigen lassen | |
Dampfwaschwagen | 350,– |
Reinigung | 175,– (mindestens) |
Reparatur der Stereoanlage | 350,– |
Schulden | 875,– |
Micke muß den Hunderter zurückzahlen! Vielleicht kann Nalle was für die Vase rausrücken, die er kaputtgemacht hat. Sonst kann ich nur hoffen, daß sie es möglichst lang nicht entdekken. Was hat er auch im Schrank zu suchen gehabt? Die Vase als Raumfahrthelm zu benützen, das ist doch echt beknackt! Diese Susi, die Micke mitgebracht hatte, die müßte eigentlich für die sauteure Teppichwäsche blechen. Aber das kann ich natürlich gleich wieder vergessen, da ist nichts zu holen, das sind echt zähe Typen!
Wenn ich von Mama 500 kriege, habe ich 600. Und wenn Nalle, Micke und Susi mit 200 rausrücken (was nicht viel ist), habe ich 800. Also bestenfalls 75 Piepen minus. Klasse! Echt Spitze!
Pech, daß ich nicht gesehen habe, wer die Stereoanlage kaputtgemacht hat. Freiwillig gibt das natürlich niemand zu. Aber Micke hat gesagt, er kennt einen Typ, der so was kann. Wenn er das nicht nur so dahergequatscht hat. So einfach daran herumfummeln, das kann ja jeder, und hinterher ist die Anlage dann endgültig im Eimer. Auf diese angeblich so »technischen« Typen kann man sich nicht immer verlassen. Manchmal bleiben erstaunlich viele Schräubchen übrig, wenn sie was auseinandergenommen und dann stundenlang wieder zusammengebastelt haben.
Mama war in »Untersuchungslaune«! Das ist schlecht! 500 ist die äußerste Grenze, mehr läßt sie sich nicht abknöpfen. Wenn sie streikt, kann ich gleich ohne Rückfahrkarte zu ihr rausziehen.
3
Natti klappte ihr rosa Tagebuch zu und steckte es zusammen mit dem Stift in ihre Umhängetasche. Dann sammelte sie die vielen kleinen Quittungen und Zettel ein, die sie auf dem Tisch verstreut hatte, und stopfte sie in den Geldbeutel, bis er prall und wohlhabend aussah. Doch ach, wie der Schein trog!
Sie trank noch das letzte Schlückchen Kaffee, das inzwischen kalt geworden war, und genehmigte sich einen letzten Zuckerwürfel gegen den bitteren Geschmack.
Natti war der einzige Gast in dem kleinen Lokal, das mit sieben runden Tischen mit rot-weiß karierten Tischdecken und einer Bartheke ausgestattet war. Ein dunkelhäutiger Mann ging pfeifend umher und wischte die Tische ab. Irgendwo im Hintergrund hämmerte Discomusik aus einer unsichtbaren Stereoanlage.
Der Mann blieb vor Nattis Tisch stehen.
»Mehr Kaffee?«
Natti schüttelte den Kopf.
»Du nur büffeln! Viel büffeln – viel Kaffee! Kaffee gut für Kopf. Besonders sehr guter Espresso!«
Plötzlich hatte Natti eine Idee.
»Wie wär’s, könnte ich über Ostern vielleicht hier bei Ihnen jobben? Spülen, Tische abwischen, bedienen und so?«
Da begann der Mann zu lachen. Das war ihr peinlich. Sie wußte, daß ihr Aussehen sie nicht gerade für einen Job empfahl. Aber deswegen gleich ausgelacht zu werden – das war doch wohl der Gipfel!
Eigentlich müßte sie jetzt aufstehen und einfach gehen, aber sie fühlte sich wie gelähmt und brachte nicht einmal eine spöttische Bemerkung über die Lippen.
Als der Mann fertiggelacht hatte, verschwand er hinter der Theke, und Natti stand endlich auf. Doch kaum hatte sie einen Schritt getan, war der Mann schon wieder da, mit einer Tasse dampfendem Espresso, die er auf ihren Platz stellte. Er räumte die alte Tasse weg und deutete mit einer Geste auf ihren Stuhl. Zögernd setzte sie sich wieder hin.
»Ich wollte doch nichts ...«
»Ed lädt ein! Nicht gehen, ohne richtigen Espresso zu probieren!«
Komisch! Zuerst lachte er sie aus, und dann spendierte er einen Espresso! Da blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als es dankend anzunehmen. Sie nahm reichlich Zucker in die kleine Tasse und ließ ein paar Würfel in der Jackentasche verschwinden. Schließlich hatte sie magere Zeiten vor sich.
Der Mann namens Ed mußte sich um zwei neue Gäste kümmern. Natti nahm eine Zeitung vom Nachbarstuhl und las von einem zwölfjährigen Jungen, der eine Million im Lotto gewonnen hatte. So verschieden verteilt das Schicksal seine Gunst ... Bald war es an der Zeit, zu Annette zu gehen.
Beim Gespräch mit ihrer Mutter würde sie ihre Zunge hüten müssen. Sonst kämen bohrende Fragen und Extrakontrollen auf sie zu. Wenn Annette zum Beispiel Papa fragen würde, warum er Natti kein Geld gegeben hatte – das würde eine schöne Bescherung geben! Aber andererseits hatte Natti auch keine Lust, das Problem Teppichreinigung mit Annette zu diskutieren, das würde nämlich garantiert nur dazu führen, daß nach ihr »geschaut« würde.
Vielleicht sollte sie einfach zugeben, daß sie das Geld verpulvert hatte. Bestimmt würde Annette Verständnis dafür haben, daß man manchmal neue Kleider brauchte. Allerdings würde sie natürlich sauer sein, weil Natti die Kleider nicht bei ihr gekauft hatte, wo es doch Rabatt und obendrein gute Ratschläge gab. Die neuen Gäste ließen sich knusprige Hörnchen mit Käse und Schinken schmecken. Natti schaute rasch weg. In den nächsten Tagen würde sie es sich abgewöhnen müssen, an Essen zu denken. Zu Hause war kaum noch etwas Eßbares übrig. Ihre Gäste waren wie ein Heuschreckenschwarm über alles hergefallen. Knäckebrot und ein paar Gläser Marmelade, mehr war bestimmt nicht da. An die Kühltruhe brauchte sie gar nicht zu denken. Die darin eingefrorenen Gerichte hätte man ja kochen müssen, um sie essen zu können! Und jetzt so kurz vor den Osterferien fiel auch das Essen in der Schule aus.
Ach ja! Die Schule. Heute hätte sie eigentlich dort erscheinen müssen, morgen war auch noch Unterricht, aber momentan hatte sie dafür einfach keine Zeit. Wenn ihre Mutter Fragen stellte, würde sie sich eben eine Ausrede einfallen lassen müssen. Studientag war immer gut, besser als Sporttag, der Sporttag verlangte nämlich meistens doch irgendeine Art von Anwesenheit.
Jetzt kam Ed wieder an ihrem Tisch vorbei. Er drehte sich zu ihr um.
»Nein, nein, hier jobben geht nicht. Jetzt sind wir zwei, mehr geht nicht. Mehr hier arbeiten, als wir Gäste haben! Nein, nein, geht nicht.«
Bekümmert schüttelte er den Kopf und breitete bedauernd die Arme aus.
Also hatte er Natti doch ernstgenommen. Jetzt sah sie selbst, daß tatsächlich nicht genügend Arbeit vorhanden war. Vor allem, wenn er noch einen Mitarbeiter hatte. Nur ein paar Tische, und dennoch war es nicht voll. Trotzdem schade. Das wäre sonst eine angenehme Möglichkeit gewesen, ihre Probleme zu lösen. Ein paar Tische abwischen, ab und zu etwas Kaffee in eine Tasse schwappen, Brote streichen. Das hätte sie geschafft. Natti trat an die Theke und legte die Münzen für die erste Tasse Kaffee darauf. Aber Ed schob das Geld wieder zu ihr hin und schüttelte den Kopf.
»Aber wenigstens eine Tasse muß ich doch bezahlen!«
Da nahm er ihren Geldbeutel und machte ihn auf. Mit großen Augen sah sie, wie er die Münzen nahm und wieder in den Geldbeutel zurücksteckte. Dann reichte er ihr den Geldbeutel und zeigte deutlich,