Vom Tellerwäscher zum Visionär. Wolfgang Gran

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»Ich habe zunehmend bemerkt, dass ich eigentlich immer derselbe geblieben bin, aber meine Umgebung sich verändert hat – je nachdem, was ich gerade getan habe.« Was für andere um ihn herum durchaus beglückender Lebensinhalt sein konnte, nämlich das Wiederholen festgelegter Rituale in einer immer gleichen Schleife, hätte ihm das Gefühl gegeben, sich mit etwas bescheiden zu müssen. Es hätte seine Kreativität und seinen Entdeckergeist in Ketten gelegt, und damit hätte er möglicherweise funktionieren, aber niemals sinnerfüllt leben können.

      Als er in der ersten Klasse der Handelsakademie die Schule schmeißen wollte, nahm ihn sich sein Vater zur Brust und sagte: »Mach das weiter, schau, dass du die Matura schaffst, weil ohne die bist du ein Leben lang der Depp.« Wäre das damals von der Mutter gekommen, wer weiß, wie er reagiert hätte, denn von ihr hätte er so einen Ordnungsruf erwartet. Aber ausgerechnet vom Vater? Von diesem fleißigen, aber passiv so vieles erduldenden Mann, der nun plötzlich auf eine Art initiativ wurde, die jeden Widerspruch im Keim erstickte und den jungen Mann zum Nachdenken brachte. Es war dies ein ganz entscheidender Impuls für Josef Dygrubers später so oft gezeigte Fähigkeit, niemals aufzugeben.

      Und als ihm später einmal in der Schule in Rechnungswesen ein »Nicht genügend« drohte, er dann aber bei der alles entscheidenden Schularbeit ein »Sehr gut« schrieb, sagte der Professor: »Und jetzt zum Dygruber: Bei dem weiß der Gegner nie, woran er ist.« Der gute Mann konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, wie sehr er mit dieser Aussage, was seines Schülers Hartnäckigkeit und Kampfgeist betraf, ins Schwarze getroffen hatte.

      Denn viel später, als das Unternehmen claro begann, bekam natürlich auch der Gründer mit, wie viele auch, aber bei Weitem nicht nur in seiner Heimatgemeinde die Sache argwöhnisch beurteilten und im Geiste bereits die Sanduhr umgedreht hatten, um zu sehen, wann seine Zeit wieder ablaufen würde. Diese Menschen waren für ihn nicht Gegner ad personam, aber Gegner in ihrer Geisteshaltung, einer – trotz in der Regel in diesen ländlichen Regionen politisch stockschwarzen Gesinnung – im Prinzip ziemlich unternehmerfeindlichen Haltung: »In den USA applaudiert man dir, wenn du etwas probierst, stempelt dich nicht ab, wenn du scheiterst, und gratuliert dir, wenn du aufstehst und es wieder versuchst. Bei uns glaubt man zuerst nicht, dass du es schaffst, und du bist für alle Zeiten als Pleitier punziert, wenn es einmal schiefgeht. Wenn es aber gut geht, wird dir nicht neidlos gratuliert, sondern gefragt: Wie ist denn das zugegangen? Als ob da noch etwas dahinterstecken müsste, das nicht in Ordnung ist«, sagt Dygruber.

      Ihm macht das nichts, und schon gar nicht kann es ihm die Freude an seinem Leben in dieser wunderschönen kleinen Gemeinde nehmen. Im Gegenteil: »Ich spüre Adnet so stark, das erdet mich, gibt mir neue Kraft, und hier relativiert sich so vieles, was außerhalb dieses Bezugspunktes so schwierig erscheint.« Aber auf eines kann man sich verlassen, und da weiß man im Unterschied zur Diagnose des Rechnungswesen-Lehrers bei Josef Dygruber sehr genau, woran man ist: Er vergisst nie, wer loyal und verlässlich ist, wer ihm den Rücken zukehrt, wenn er eine Hand brauchen würde – und vor allem nicht, wer zunächst einmal wartet, woher der Wind weht und dem sein Verhalten anpasst.

      Denn es ist auf diesem langen Weg vom neugierigen Buben in der Wandschützenhütte zum erfolgreichen Firmenchef etwas passiert, das auch seiner Mutter aufgefallen ist: »Er hat viel gelernt, unter anderem, auch einmal hart zu sein. Das ist wichtig, denn er ist von seinem Naturell her so ein weicher, gutmütiger Kerl – und es ist schön, dass er das privat geblieben ist, aber im Geschäft musst du auch anders können, sonst wirst du ausgenützt.«

      Manchmal, wenn sie durch den Ort geht, wird Johanna Dygruber gefragt: »Und, wie geht’s deinem claro?« Auch wenn so eine Frage mit Sicherheit nicht böse gemeint ist, ist sie in ihrer Wortwahl demaskierend. Eine Mutter fragt man nach dem Befinden des Sohnes und nennt ihn bei seinem Namen, nicht nach der Firma. Geschäftlich hat Josef Dygruber nichts dagegen, wenn man ihn mit der Marke identifiziert. Daheim, dort, wo seine Seele zur Ruhe kommt, wo er ausschließlich Mensch sein will, wäre er halt schon gern der Sepp. Weil er hier auch nie etwas anderes war und sein will als das. Alles claro?

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