Sarah Kern - LEBEN!. Sarah Kern

Sarah Kern - LEBEN! - Sarah Kern


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fünfzehn Jahren wurde ich kurzerhand zu meinem Onkel und meiner Tante nach Daytona Beach, Florida ausgeflogen. Sie eine wunderschöne temperamentvolle Latina aus Kolumbien, er ein US-Marine und entsprechend streng. Fortan ging ich also auf die Seabreeze High School, was genauso cool klingt, wie es dann auch war. Nichtsdestotrotz ließ ich unverändert die Pippi Langstrumpf heraushängen, machte mir die Welt, wie sie mir gefiel. Der Schule blieb ich gerne auch mal fern, sonnte mich lieber mit Freunden am Meer, genoss das unbeschwerte Leben. – Klasse war bei alldem außerdem, dass auch mein geliebter Opa während der Zeit in Übersee dort lebte.

      Mit beinahe sechzehn stand dann die Führerscheinprüfung an, was in den Staaten, zumindest im Florida jener Zeit, recht stressfrei ablief. Mit meinem Onkel auf dem Beifahrersitz war ich am Steuer seines Cadillacs einige Male um die Ecke gefahren, anschließend ging es mit eben diesem Cadillac auch zur Fahrprüfung, wo sich eine schwarze „Big Mama“ meiner in aller Seelenruhe annahm.

      »Okay, well, now make your three-point-turn«, hieß es schließlich.

      Aus der Drei-Punkt-Wende wurde zwar eine Acht-Punkt-Wende, aber die erhofften Worte fielen dennoch: »You got it, babe.«

      Natürlich musste man auch in Daytona Beach für die Theorie büffeln, aber dafür tat ich es gerne, schließlich hatte ich ein persönliches Ziel vor Augen. – Zwanzig Dollar und der Lappen war meiner. Ihr Streets, Avenues und Highways, von nun an würdet ihr nicht mehr vor mir sicher sein. Meine Welt war wieder ein ganzes Stück größer geworden. Es zeigte sich einmal mehr, dass ich leistungswillig und erfolgreich sein konnte, wann immer ich es wollte.

      Mit meiner Zielstrebigkeit sollte ich zukünftig souverän Contests als Model oder Auswahltests als Moderatorin für mich entscheiden. Zu Ehren meiner Eltern muss ich aber ausdrücklich feststellen, dass sie die Weichen für mein späteres berufliches Leben gestellt haben, einfach durch ihre künstlerische Kreativität im allgemeinen, Sinn und Fertigkeiten in Mode und Design im Besonderen. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als Kind begeistert in Prinzessinnen-tütü-Kleidern im Sturmwind flaniert bin und mein Vater dann mantraartig Partei für mich ergriff:

      »Na dann lass sie doch!«

      Ich war nie angezogen wie andere Kinder meines Alters, sondern immer mit deutlich mehr Chic und Esprit. Auch die Begeisterung für Schmuck setzte früh ein. Mit vierzehn gehörten Lippenstift und Eyeliner bereits zu meinem unentbehrlichen Handwerkszeug.

      Auf einem Elternabend bekam meine Mutter vom Klassenlehrer dann auch prompt folgenden Satz zu hören: »Also, Frau Reismann, wenn Ihre Tochter so viel Zeit ins Lernen investieren würde, wie sie morgens für‘s Stylen, Make-Up und Klamotten aufwendet, dann wäre sie eine Einser-Schülerin.«

      Meine Mutter wiederum, ihrerseits nicht auf den Mund gefallen, antwortete darauf schnippisch: »Also das glaube ich nicht so ganz, meine Tochter braucht nie länger als zehn Minuten dafür.«

      Und wirklich, bis zum heutigen Tag geht es bei mir ratzfatz. Auch bei Kleidung bin ich keine Frau, die viel Zeit aufwendet. Kurzer Blick, zugegriffen und gut is‘. Damals mit vierzehn war der geringe Zeitaufwand allerdings eine größere Leistung. Da war Edel-Punk angesagt, in etwa wie Madonna in „Like a virgin“, mit Unmengen an umgehängten Kruzifixen und stylisch zerfetzten Klamotten. Angesichts schwarz gefärbter Haare und selbst gestochener Ohrlöcher war die Toleranz meiner sich für mich schämenden Eltern irgendwann nicht nur arg strapaziert, sondern deutlich überstrapaziert. Von meiner Mutter, die selbst aus einer sehr konservativen Familie stammte, setzte es eine schallende Ohrfeige. Aber ein Nein akzeptierte ich grundsätzlich nicht mehr. Zur Strafe in meinem Zimmer arrestiert zu werden, bedeutete für mich lediglich, alternativ aus dem Fenster zu klettern.

      Es kam, wie schon geschildert, zu meinem verordneten Exil in Florida. Wenn ich zu der Zeit schon gewusst hätte, was das für mich bedeuten würde, ich hätte meine Eltern noch mehr geliebt – obwohl, noch mehr als ich es eh schon tat, das wäre gar nicht möglich gewesen. Mit ihrer ganz individuellen Art waren sie schon immer meine strahlenden Helden gewesen und sie blieben es auch.

      Schicksalhafter Weg in die Modelkarriere

      Was meine berufliche Karriere als Model betrifft, so kam ich in etwa dazu, wie die Jungfrau zum Kind. Nach wie vor auf der High School in Daytona Beach, weilte ich gerade bei meinen Eltern in Düsseldorf, wo mein Vater das Haus für einen Freund gebaut hatte. Aus diesem Anlass gab dieser ein Diner. Neben anderen Gästen war auch ein Ehepaar eingeladen, das sich besonders angeregt mit meinen Eltern unterhielt. Der Mann zeigte sich auch sehr begeistert von mir, und wie sich schnell herausstellte, hatte es etwas damit zu tun, dass er seines Zeichens bekannter Fotograf in Düsseldorf war.

      Soweit ich mich erinnere, waren seine Worte an meine Eltern diese: »Also hört mal, eure Tochter ist ja der Wahnsinn. Habt Ihr Zeit, morgen um drei?!«

      Dann sah er mich an, als wäre seine Idee schon ausgemachte Sache: »Da kommst du zu „Model Pool“, das ist die angesagteste Modelagentur in NRW.«

      Gesagt, getan. Weder ich noch meine Eltern sahen einen Grund, es nicht zu tun. Am nächsten Tag gingen mein Fürsprecher und ich gemeinsam ins Büro der Agentur, während meine Mutter unten wartete. Meine Sedcard mit Daten und professionellen Fotos wurde erstellt, und von da an entwickelte ich mich recht schnell zu einem begehrten Model, das am Tag zehntausend Mark verdienen konnte – zu der Zeit ein Topniveau. Ich bekam auch Jobs in Amerika, was für Katalog Shoots eher ungewöhnlich war aber mir bei meinem Zeitmanagement mit der Schule half. Es ging nach Phoenix in Arizona, nach Miami und so weiter, zwischendrin auch mal nach NRW – Essen-Kettwig und so – immerhin saß meine Agentur ja in Düsseldorf. Aber ich hatte Blut geleckt und wollte mehr. In Höhe meines Solarplexus spürte ich es genau, da draußen wartete viel mehr auf mich, und die Routine begann mich zu langweilen.

      Mit meinen sechzehn Jahren brach ich abrupt die Schule ab, sehr zum Leidwesen meines Vaters, der das Abitur sehen wollte. Beide begannen wir Standpunkte und Argumente auszutauschen, wie ich es dank seiner Erziehung gelernt hatte. Und einem guten Wortgefecht mit einleuchtender Argumentation hätte er sich nie verschlossen, selbst zähneknirschend nicht.

      »Papa, was verdient man denn als Akademiker? Was kriegt denn so ein Rechtsanwalt?«, führte ich die bisherige Berufsgruppe an, mit der ich ursprünglich geliebäugelt hatte, als ein Doppelschütze, der von Natur aus sehr gerechtigkeitsliebend und ehrlich ist. Heute weiß ich, dass Justiz und Gerichtsurteile nicht zwingend etwas mit Recht oder Gerechtigkeit zu tun haben, damals aber noch nicht.

      »Na ja, ein guter bestimmt so hunderttausend Mark«, trumpfte er siegesgewiss auf.

      »Du, Papa, das reicht mir nicht. Ich mache mehr, vertrau‘ mir. Ich mache jetzt Millionen mit Modeln, don‘t you worry. Da fällt mir schon was ein.«

      Er sah mich eindringlich an, um mir letztlich meinen Willen zu lassen: »Ja gut, Kind, wenn du das jetzt sagst, was soll ich machen. Du hast dein Leben lang eh immer gemacht, was du wolltest.«

      Ich weiß, ich weiß, meine Argumente waren alles andere als fundiert und vertrauenerweckend. Aber mein Vater kannte jede Schraube in meinem Kopf, wusste aus dem Effeff, wie ich ticke. Und er hatte mir in die Augen geschaut, darin den unbedingten Willen erkannt. Damit hatte ich seinen Segen errungen, nicht mit Argumenten.

      Mein Weg führte mich nach Mailand. Nur, Milano fand ich als Model ganz schrecklich. Mit gerade einmal sechzehn Jahren wohnte ich in einer Model-WG und musste erkennen, dass der Weg zur Karriere dort scheinbar nur durch die Betten von Fotografen, Modelscouts und Agenturkunden führte. Dabei gehörte meine Agentur zu den sehr guten, war in meinen Augen aber nichtsdestotrotz auch verdorben und korrupt. So wurde vorausgesetzt, dass Models unter Vertrag auch für „gesellige“ Abendessen mit Klienten bereitstanden. Das mutete schon wie ein schmuddeliger Hostessenservice an. Neue Blondinen unter achtzehn Jahren sorgten äußerst zeitnah dafür, dass die Stretchlimos reicher Säcke vor dem Haus unserer Model-WG vorfuhren, weil die „Herren“ sich von der Agentur offensichtlich über neues „Frischfleisch“ informieren ließen. Bei dem Andrang musste ich keine Hellseherin sein, um zu verstehen, dass lukrative Nebeneinnahmen


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