Buddhismus und kindliche Spiritualität. Alexander von Gontard
weder eine Repräsentation seiner Lehren, noch sind sie Ausdruck des historischen Buddha. Als ikonographische Repliken asiatischer Kunst, die innere Absorption und Frieden ausdrückten, können sie als Erinnerungen wirken, still, fokussiert und achtsam zu sein – selbst in einem lauten Nachtklub in Las Vegas.
Der Buddha im Gespräch mit Kindern
Wie wir gesehen haben, war der Buddha von seinem Wesen her ein introvertierter Mensch. Nach seiner Erleuchtung, d. h. seinen tiefen Einsichten, musste er zunehmend Verwaltungsaufgaben übernehmen, um seine Gemeinschaft von Anhängern und Mönchen zusammenzuhalten. Er war eine öffentliche Person geworden. Als introvertierter Mensch musste er jetzt überwiegend extravertierte Aktivitäten wahrnehmen. Er war ein hervorragender Redner, indem er oft Symbole, Gleichnisse und logische Argumente geschickt einbaute, um seine Zuhörer zu überzeugen. Da er im Rahmen seiner Erziehung Gerichtsverhandlungen und Ratsversammlungen mit seinem Vater beigewohnt hatte, hatte er mit Sicherheit gelernt, wie er andere Menschen überzeugen und überreden konnte. Das Vorbild des Vaters, der Dispute regeln und Gesetze umsetzen musste, war für den Buddha mit Sicherheit in seiner Tätigkeit leitend (Schumann 2016, S. 31). Er war ein Pragmatiker durch und durch, der metaphysische Spekulation vermied. Als Person war er freundlich, gütig, liebevoll, ruhig und emotional ausgeglichen und lebte einen bedingungslosen, kompromisslosen Pazifismus.
In seiner Rolle als Lehrer sprach er mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, aber nicht mit Kindern. Christopher Titmuss (2015b) hat eine Reihe von Lehrreden des Buddha mit jungen Menschen zusammengestellt. In vielen der Lehrreden ist das exakte Alter nicht dokumentiert, sodass man nicht weiß, ob es sich um Jugendliche oder Erwachsene gehandelt hat. Als wahrer Humanist spürte der Buddha damals die tiefe Sehnsucht junger Menschen nach spiritueller Erfahrung, vergleichbar mit der Suche von Kindern und Jugendlichen heutzutage. Man kann nachvollziehen, dass er die Fragen Jugendlicher ernst nahm, sie in Debatten verwickelte und sie üblicherweise durch gute Argumente und Überzeugung, nicht jedoch durch Dogmen, für sich gewinnen konnte. In diesem Zusammenhang wird nur eine Auswahl der wichtigen Gespräche mit jungen Menschen wiedergegeben.
Rahula
Die wichtigste dieser Begegnungen ist ohne Zweifel das Treffen mit Rahula, seinem leiblichen Sohn, den er über sechs Jahre nicht gesehen hatte. Wir erinnern uns daran, dass Siddharta Gautama seinen Sohn »Fessel«, »Einschränkung« oder »Unfreiheit« genannt hatte, kein schöner Name für ein Baby. Auch hatte er seinen neugeborenen Sohn nachts in den Armen seiner Mutter und ohne Abschied zurückgelassen.
Vaterliebe ist für Kinder und Jugendliche entscheidend, da sie ihnen ein väterliches Rollenmodell, Normen und Begleitung ermöglicht. Die Abwesenheit des Vaters kann als Risikofaktor für psychische Störungen wirken, vor allem nach einer Scheidung und elterlichen Konflikten, jedoch weniger ausgeprägt nach dem Tod des Vaters (East et al. 2006). Palacios und Brotzinsky (2010) haben ebenfalls gezeigt, dass adoptierte Kinder eine höhere Rate von externalisierenden psychischen Störungen aufweisen, vor allem, wenn sie frühe Widrigkeiten erlebt hatten. Die innere psychologische Suche nach den biologischen Eltern beginnt oft in der mittleren Kindheit, während die tatsächliche äußere Suche typisch für Jugend- und frühes Erwachsenenalter sind. Basierend auf modernen psychologischen Studien kann man spekulieren, dass Rahula seinen abwesenden Vater sehr vermisst haben muss, obwohl er von seiner Mutter und seinem Großvater umfassend versorgt wurde. Mit Sicherheit hat er sich auch Gedanken darüber gemacht, warum er von seinem Vater verlassen wurde. Heutzutage wäre es für Kinder extrem enttäuschend, wenn sie diese Art des Wiedersehens erleben müssten, die Rahula mit seinem Vater hatte. Um Sasson zu zitieren:
»Die Reaktion des Buddha auf seinen Sohn ist extrem. Er verlässt ihn unmittelbar nachdem er Vater geworden ist, und weist ihn ab, gleich nachdem er ihn wieder trifft. Die buddhistische Literatur ist voll mit Diskussionen über diese offensichtlich extremen Reaktionen, die keine einfachen Antworten ermöglichen« (Sasson 2014, S. 595).
Als Rahulas Mutter, Yasodhara, ihren ehemaligen Ehemann sechs Jahre später wiedersah, riet sie ihrem Sohn, zu seinem Vater zu gehen und ihn nach seinem Erbe zu fragen. Daraufhin sprach der Buddha mit seinem Sohn über die Wichtigkeit die wahren inneren Reichtümer, d. h. das innere Erbe zu finden. Nach Schumann (2004) wurde Rahula nach diesem Austausch auf der Stelle als Novize angenommen und wurde der Beaufsichtigung und Vormundschaft von Sariputta, einem der vertrautesten Anhänger des Buddha, unterstellt (Schumann 2004, S. 119). Im Laufe der Zeit konvertierten viele weitere Familienmitglieder des Buddha, auch sein Halbbruder Nanda, der seine schöne Frau verließ, um Mönch zu werden. Diese Ereignisse hinterließen Suddhodana, den Vater des Buddha, in tiefer Trauer und Kummer. Ich habe immer großes Mitleid mit diesem mutigen Mann verspürt, der so viele Verluste ertragen musste: Den Tod seiner ersten Frau Maya, den Verlust seines Sohnes und selbst seines Enkels. Rahula wurde gegen den Willen und Wunsch von Suddhodana ordiniert, der seinen Sohn, den Buddha, anflehte »bitte in der Zukunft die elterliche Erlaubnis für Ordinationen einzuholen« (Langenberg 2013, S. 63). Später traten sogar die ehemalige Frau des Buddha, Yasodhara, und seine Stiefmutter als Nonnen der Gruppe seiner Anhänger bei.
Zwei wichtige Lehrreden geben die Gespräche zwischen dem Buddha und seinem Sohn wieder, die im modernen Kontext sehr merkwürdig wirken. Nachdem Rahula seinen Vater in seinem bisherigen Leben nie gesehen hatte, muss er ambivalente Gefühle in sich getragen haben, die möglicherweise von Liebe bis hin zu Wut und Groll gereicht haben. Es ist merkwürdig, dass der Buddha in der Wiederbegegnung mit seinem Sohn keine Gefühle zeigte. Heutzutage wäre es angemessen, sein Kind zu umarmen, es zu drücken und selbst Tränen zu vergießen. Die beiden Lehrreden mit seinem Sohn haben mich immer traurig gemacht, da sie verpasste Gelegenheiten für eine warme Vater-Sohn-Beziehung verkörpern.
Schumann (2004) führt aus: »Das Verhältnis zwischen dem Buddha und Rahula war vertrauensvoll und freundschaftlich, jedoch nicht herzlich oder gar innig, da dies nach der Überzeugung des Meisters eine innere Bindung bedeutet hätte, aus der nur Leid hervorgehen kann« (Schumann 2004, S. 145). Die Unterhaltungen zwischen Vater und Sohn sind nicht wirklich privat und »unterscheiden sich in nichts von jenen, die der Meister anderen Mönchen gab« (Schumann 2004, S. 146).
In der ersten der beiden Reden ermahnt der Buddha seinen Sohn und redet mit ihm über die Wichtigkeit, die Wahrheit zu sprechen und Lügen zu vermeiden (Buddha, Middle Length Discourses 1995, Sutra 61). Mithilfe des Symbols eines Spiegels, kommt der Buddha zum Schluss, dass man, wie der Spiegel, wiederholt über seine Aktivitäten und ihre Konsequenzen reflektieren soll. In einer weiteren Rede berät er seinen Sohn, Meditation, liebende Güte, Mitgefühl, Mitfreude und Ausgeglichenheit zu entwickeln (Buddha, Middle Length Discourses 1995, Sutra 62). Rahulas Alter zum Zeitpunkt dieser Lehrreden ist nicht bekannt. Schumann (2004) geht davon aus, dass er jeweils 15 und 18 Jahre alt gewesen sein muss, d. h., er war noch ein Jugendlicher.
Die Tochter des Webers
Die Tochter des Webers ist eine der seltenen Lehrreden über eine Jugendliche (Buddha, kein Datum). Obwohl es sich um eine ausgesprochen traurige Geschichte handelt, wird die Tochter des Webers im Alter von 16 Jahren als weiser und einsichtiger dargestellt als Erwachsene.
Eines Tages hörte sie, dass der Buddha über die Ungewissheit des Lebens und die Tatsache des Todes sprach sowie über die Wichtigkeit, über das Ende des Lebens nachzudenken. Sie war berührt und bewegt von seinen Worten und sann in den nächsten drei Jahren über das Todesthema nach.
Als sie 19 Jahre alt war, kehrte der Buddha in ihr Dorf zurück, um sie zu treffen. Nachdem sie ihrem Vater bei seinen Aufgaben geholfen hatte, hatte sie sich zu dem Treffen mit dem Buddha verspätet. Er stellte ihr vier Fragen. Die ersten zwei Fragen lauteten: »Woher bist du gekommen?« und »Wohin wirst du gehen?«. Sie antwortete: »Ich weiß es nicht«. Natürlich meinte sie, dass sie nicht weiß, woher sie vor ihrer Geburt kam und wohin sie nach ihrem Tod gehen würde.
Daraufhin fragte der Buddha nach, ob sie es wirklich nicht wüsste, und sie antwortete, dass sie es nicht wüsste. Auf seine erneute Nachfrage hin verneinte sie wieder. In diesem letzten Kreuzverhör erklärte sie, dass sie wüsste, dass sie sterben würde, aber nicht wann und unter welchen Bedingungen. Im Gegensatz