Du sollst frei sein. Cornelia Schmid
mit der Machete einen Weg schlagen«.
An den wenigen Parallelstellen im Alten Testament findet sich kabasch immer dann, wenn das Volk Israel andere Völker unterjocht oder selbst von Feinden unterworfen wird. In Micha 7,19 ist es Gott selbst, der unsere Sünden niedertritt (siehe ELB).
Im Hebräischen hat jeder einzelne Buchstabe eines Wortes eine eigene Bedeutung. So kommt man bei der Wortbedeutung von kabasch auf Folgendes:
Kaf steht für Schutz, die Hand reichen, halten, aber auch für Unterordnung unter eine größere Macht und Demut.
Bet steht für Haus, Familie und Wohnen. Das Judentum lehrt: Am Anfang, als Gott die Welt erschuf, wünschte er sich ein Heim, ein Zuhause, in dem er mit seinen Menschen zusammen sein konnte in inniger Intimität.
Schin steht für Zähne, das heißt für Stärke, aber auch für einen Menschen, der seine Taten sorgfältig »wiederkäut« – also erst einmal abwägt und nicht einfach drauflosstürmt.
So könnte man das hebräische Wort kabasch übersetzen mit: »in Demut und Stärke, in Unterordnung und göttlicher Autorität ein Zuhause bauen, in dem sich Gott, Menschen und Tiere zu Hause wissen und sicher und in Freiheit leben können«.
Der Mensch soll ein Zuhause schaffen für Gott, sich selbst und die Natur. Einen Ort der Gemeinschaft.
Als Christen sind wir – jeder Einzelne – ein Zuhause für Christus. Jesus selbst wohnt in uns. Christus nimmt Wohnung in uns, und wir lieben ihn in Freiheit.
Neben dem oben beschriebenen Wort kabasch findet sich in der Schöpfungsgeschichte auch noch das Wort rada, das Luther mit herrschen übersetzt. Wörtlich bedeutet rada jedoch, seine Füße auf etwas stellen.
In Psalm 8,7 heißt es beispielsweise: »Du hast ihn [den Menschen] als Herrscher eingesetzt über die Werke deiner Hände, alles hast du gelegt unter seine Füße …« (EÜ).
Und in 1. Könige 5,17 sagt Salomo: »Du weißt, dass mein Vater David nicht ein Haus bauen konnte dem Namen des Herrn, seines Gottes, um des Krieges willen, der um ihn her war, bis der Herr seine Feinde unter seine Füße gab« (LUT).
Wie wir Menschen über die Erde herrschen sollen, wird im Neuen Testament deutlich: »Jesus rief sie zu sich und sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht, so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene« (Matthäus 20,25-28; LUT).
Herrschen beinhaltet also gleichzeitig einen Hirtenauftrag: Hirte sein in göttlicher Autorität. Diese Verbindung finden wir in der Bibel immer wieder. Israels Könige sollten in Demut über das Volk wachen. Und Jesus selbst ist der gute Hirte, der seine Schafe führt und schützt und sie zugleich als König regiert. Herrschen geht – nach Gottes Vorstellung – nur in Kombination mit Hirte sein.
In Christus sind wir Hirten und Herrscher. Weil er in uns lebt, wir ihm ein Zuhause geben, haben wir göttliche Autorität.
Freiheit in der Beziehung von Mann und Frau
Im Paradies gibt es Freiheit, göttliche Freiheit, die keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern kennt. Mann und Frau bekommen denselben Auftrag und können ihn nur gemeinsam ausführen.
Ich erinnere mich an den Beginn meiner Ehe. Mein Mann und ich waren beide ausgebildete Pastoren, wir predigten beide – und wir sahen uns gegenseitig als Konkurrenten: Wer predigte besser? Wer bekam mehr Anerkennung, mehr Gelegenheiten? Wer hatte die ausgefeiltere Exegese vorzuweisen, wer das bessere Konzept?
Das führte unweigerlich zu Spannungen. Konflikte waren vorprogrammiert.
Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich mich fragte: Ist das, was wir hier leben, das biblische Konzept einer Ehe?
Die Antwort war mir schnell klar: Nein, das kann Gott sich nicht so gedacht haben. Ehe ist doch nicht Krieg, Gegeneinander, Konkurrenz!
Ich brachte meine Sicht von Ehe, meine Verletzungen und meine Verwirrung zu Gott. Und ich bat ihn, mir zu zeigen, wie er sich die Ehe vorgestellt hatte.
Da stieß ich auf einen interessanten Aspekt.
In 1. Mose 2,18 sagt Gott, dass es nicht gut sei, dass der Mensch (Adam) alleine ist. Und er nimmt sich vor, ihm eine Partnerin zur Seite zu stellen, die ihm eine Hilfe sei. In älteren Lutherbibeln findet sich an diesem Punkt das Wort Gehilfin, und genau das ist irreführend.
Später betont Paulus ja im Neuen Testament, dass die Frauen sich ihren Männern unterordnen sollen.
Da ich von einer frommen Erziehung geprägt war, riefen das Wort Gehilfin und Paulus’ Mahnung bei mir folgendes Bild hervor: Eine unterwürfige, äußerlich fromm erscheinende, viele Kinder gebärende Frau entlässt ihren Mann morgens betend zur Arbeit und empfängt ihn abends mit einem guten Essen. Sie fragt ihn nach seinem Tag, lässt ihn ausruhen, hält die Wohnung sauber – und begräbt dabei demütig ihre eigenen Träume.
Hat Eva so gelebt?
Während ich mich intensiver mit der Geschichte von der Erschaffung der Menschen beschäftige, wird mir klar: Nein, so war es nicht.
Ich wandere mit Adam und Eva durch den Garten Eden und stelle fest: Beide sind gleichwertig. Vor Gott gibt es keinen Unterschied. Gott überträgt nicht Adam den Herrschaftsauftrag, und Eva soll die Wäsche bügeln. Nein, Mann und Frau bekommen gemeinsam den Auftrag, den Garten zu bebauen und zu bewahren.
Sogar Paulus erklärt im Neuen Testament: »Hier ist nicht Mann noch Frau, denn ihr seid allesamt einer in Christus« (Galater 3,28; LUT 1984).
Das hebräische Wort ezer, das Luther irrigerweise mit Gehilfin übersetzt hat, bedeutet Hilfe. Und es wird an vielen anderen Stellen für die Hilfe Gottes gebraucht:
»Unsre Seele harrt auf den Herrn; er ist uns Hilfe [ezer] und Schild« (Psalm 33,20; LUT).
»Ich aber bin elend und arm; Gott, eile zu mir! Du bist mein Helfer [ezer] und Erretter; Herr, säume nicht!« (Psalm 70,6; LUT).
»Vernichtet hat dich, Israel, dass du gegen mich bist, gegen dein Heil [ezer]« (Hosea 13,9; LUT).
Offensichtlich versteht Gott also unter der weiblichen Berufung »eine Hilfe sein« etwas völlig anderes, als Tradition und (Kirchen-)Geschichte daraus gemacht haben.
Deshalb betonen mein Mann und ich heute nicht mehr die Unterschiedlichkeiten von Mann und Frau, sondern die Gemeinsamkeiten. Wir beten gemeinsam, treten gemeinsam vor den Thron Gottes, feiern gemeinsam Abendmahl, salben uns gegenseitig für den göttlichen Auftrag, unterstützen einander und ermahnen uns gegenseitig, wenn wir im Begriff sind, zum Baum der Erkenntnis vorzudringen, statt am Baum des Lebens zu bleiben.
Vor diesem Hintergrund ist die größte Wiederherstellung, auf die wir warten, die Versöhnung der Geschlechter. Wenn Mann und Frau Seite an Seite diesen göttlichen Hirten- und Herrscher-Auftrag annehmen und ausüben, wird aus dem Herrschen kein Zerstören, sondern Heilung und Versöhnung. Wenn Mann und Frau gemeinsam aufstehen und Gott anbeten, wird der Raum für Versuchung immer kleiner. Wenn Mann und Frau gemeinsam ihren Auftrag erfüllen, gibt es keinen Platz für die Schlange.
2. Freiheit in Gefahr
Wer zu ihm aufschaut, der strahlt vor Freude, und sein Vertrauen wird nie enttäuscht.
Psalm 34,6
August 1994 in einem afrikanischen Touristencamp im Krüger-Nationalpark in Südafrika. Durch anhaltende laute Schreie wird eine kleine Studentengruppe geweckt. Mit dabei – mein Mann. Noch ahnt niemand die Ursache der Panik.
Gestern Abend war noch alles in Ordnung.