Lob der Aphrodite. Marina Zwetajewa

Lob der Aphrodite - Marina Zwetajewa


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so viel mehr!

      Ich liebe Sie! Die Sünde: Wolkenfetzen

      Über Ihrer Stirn,

      Weil Sie so ätzend sind und so verletzend –

      Und besser als wir.

      Weil wir, weil unsre Leben sich nie gleichen

      In dieser Nacht,

      Für die Verführungskünste, Ihre reichen,

      Für die fatale Macht,

      Weil ich einst Ihnen, jähgestirnter Dämon,

      Sage: Verzeih,

      Weil Sie unrettbar sind – noch über Gräbern! –

      Reiß dich entzwei!

      Für dieses Zitternde – muss ich jetzt träumen?

      Ist alles leer? –

      Für diese Ironie, den Reiz, den neuen:

      Sie sind – kein Er.

      16. Oktober 1914

      2

      Unter dem Plüschplaid, mich liebkosend,

      Denk ich an gestern, an den Traum.

      Was war das? Mein Sieg, dein Sieg? Bloß die

      Besiegte Frau?

      Ich überdenke alles, leide

      Noch immer alles nochmals neu.

      In dem, wofür’s kein Wort gibt, keines!

      War Liebe wohl dabei?

      Wer war der Jäger? Wer die Beute?

      So teuflisch alles und verrannt!

      Was – lange schnurrend – wohl der Kater

      Von alledem verstand?

      In jenem Zweikampf zweier Willen

      Wer war der Ball in wessen Hand?

      Und wessen Herz – das meine, Ihres –

      Ist plötzlich durchgebrannt?

      Und – was nur war das? – immer wieder:

      Was will man bloß, das dann nur trügt?

      Ich weiß es nicht: Bin ich die Siegerin?

      War ich besiegt?

      23. Oktober 1914

      3

      Tauwetter jetzt, so dass ich heute

      Am Fenster lange-lange stand.

      Nüchtern der Blick, ich atme freier,

      Besänftigt wieder, nach dem Brand.

      Ich weiß gar nicht warum. Die Seele

      Ist jetzt ganz einfach abgespannt,

      Nicht mal den Bleistift, den Rebellen,

      Möcht ich berühren mit der Hand.

      So stand ich denn – fast wie im Nebel –

      So weit von Gut und Böse, dass

      Ich mit dem Finger sachte trommle

      Ans kaum erklirrende Fensterglas.

      Die Seele schlechter nicht, nicht besser

      Als der Erstbeste, der da tappt –

      Als schillernd alle Perlmutt-Pfützen

      In die der Himmel sich verschwappt,

      Als der vorüberfliegende Vogel

      Oder der letzte Hund, verirrt.

      Nicht mal die Sängerin, die bettelt,

      Hat mich zu Tränen jetzt gerührt.

      Die liebe Kunst namens Vergessen

      Hat sich die Seele eingesaugt.

      Und ein Gefühl, irgendein großes,

      Hat heute tief in mir getaut.

      24. Oktober 1914

      4

      Sich anzuziehen – keine Lust,

      Sie wollten nicht mal aufstehn aus den Sesseln.

      – Doch jeder Ihrer künftigen Tage muss

      Von meiner Freude froh sein bis zum letzten.

      Besonders waren Sie abgeneigt,

      Noch rauszugehn in Nacht und Kälte.

      – Doch jede Ihrer künftigen Stunden sei

      Von meiner Freude jung-erhellte.

      Sie haben das so ohne Falsch getan,

      Unschuldig und nie gutzumachen.

      – Ich war nur Ihre Jugend, kann

      Nichts als vorübergehn, verlassen.

      25. Oktober 1914

      5

      Heut abend war’s, gegen acht,

      Hinweg über die Große Lubjanka,

      Wie Schneebälle, Kugeln – sacht

      Sausten die Schlitten und wankten.

      Ein Lachen, das schon einmal war …

      Mein Blick wie erstarrt, ohne Leben:

      Das rötliche Fell – ihr Haar,

      Und Jemand sitzt aufrecht daneben!

      Mit einer Andern schon waren Sie,

      Zogen Ihre Schlittenfährten,

      Begehrten und lieben – wie?

      Viel stärker als ich – begehrten!

      Oh, je n’en puis plus, j’étouffe!

      Sie riefen es hell und laut

      Und schoben schwungvoll mit dem Ruf

      Die Pelzdecke an ihr hinauf.

      Fröhlich die Welt, der Abend – schlimm!

      Aus dem Muff Ihre Einkäufe wälzend …

      So sausten Sie im Schneewind hin,

      Blick an Blick, und Pelzchen an Pelzchen.

      Ein Aufruhr, grausamster Schlag,

      Der Schnee – weißes Weiß, niedertaumelnd.

      Ich stand, zwei Sekunden lang –

      Nicht mehr – hinterher euch schauend.

      Und strich übers lange Haar

      Meines Pelzchens – nicht zornig.

      O Schneekönigin, jetzt ist es klar:

      Dein kleiner Kay ist erfroren!

      26.


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