Warum ich mich nicht als schwul bezeichne. Daniel C. Mattson

Warum ich mich nicht als schwul bezeichne - Daniel C. Mattson


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bebt«, sagte Cronkite, als sich Kerosin mit flüssigem Sauerstoff vermischte und die 36-geschossige, 6,5 Millionen Pfund schwere Saturn-Rakete in die Luft hochschoss. Cronkite zählte die Leistungsstärke auf, die sich im Bauch der Saturn-5-Rakete befand. »Die Triebwerke, die diesen Schub verursachen, haben eine gemeinsame PS-Leistung, die 543 Kampfjets entspricht. Sie verbrennen 5 662 000 Millionen Pfund Treibstoff, was gleichbedeutend ist mit der Kapazität von 98 Eisenbahnwaggons sowie des Wasserspeichers einer Kleinstadt. Beim Start erreicht der Lärm 120 Dezibel. Dies ist mit dem Lärm von acht Millionen Hi-Fi-Anlagen verglichen worden, die gleichzeitig spielen.«

      Der Lärm dröhnte und die Rakete bebte. »Wir haben uns an diese Erschütterungen gewöhnt …«, sagte er, als die Rakete das Schwerkraftfeld der Erde verließ und sich im All bewegte.

      »Was für ein Moment! Der Mensch … auf dem Weg … zum Mond

      Als die Rakete auf dem Weg in das tiefe Blau der oberen Atmosphäre vorwärtstrieb, sagte Cronkite: »Jetzt haben wir eine weitere sehr schöne Zündung einer Saturn-Rakete erlebt – dies ist in der Geschichte einmalig – und wir konnten den Abschuss einer weiteren Saturn-5-Rakete beobachten. Voraussetzung ist, dass weiterhin alles klappt.«

      Mitten im Satz legte er seine Brille ab: »Denn dies ist der Flug, durch welchen der Mensch zum ersten Mal seinen Fuß auf den Mond setzen wird.« Er machte eine Pause, erstaunt über das, was er gerade gesagt hatte. »Wir überschreiten die Grenzlinie leichthin: ›Der Mensch auf dem Mond‹. Aber meine Güte, überlegen wir nur mal, was das heißt!«

      Mein Vater war immer an Weltraumforschung interessiert. Er hat Astronomie an der Cornell Universität studiert und lehrte Astronomie am Lansing Community College in Lansing, der Hauptstadt von Michigan. Dort war er auch für das Planetarium der Schule verantwortlich. Er hat das Weltraumprogramm von Anfang an verfolgt und seine Begeisterung an seine junge Familie weitergegeben.

      Vater war dreißig, meine Mutter neunundzwanzig und sie waren seit mehr als zehn Jahren verheiratet. Meine zwei älteren Brüder, Dave und Steve, waren genauso wie mein Vater gespannt auf die Mondlandung, die in einigen Tagen stattfinden sollte. Mein vier Jahre alter Bruder Jim war begeistert, weil alle anderen es auch waren. Aber der Abschuss der Rakete war nur die Einleitung, die richtige Show fand vier Tage später statt, als ein Mensch im Begriff war, zum ersten Mal in der Geschichte seine Füße auf den Mond zu setzen.

      Die Familie saß wieder dicht gedrängt vor dem Fernseher, als Cronkite sagte: »Apollo 11: Alles läuft gut für die Landung auf dem Mond, von jetzt an in drei Stunden, einundzwanzig Minuten, vierzehn Sekunden.«2

      Aber es gab keine Garantie dafür, dass es gelingen würde, bis die Worte von Astronaut Charles Duke von der Kommandozentrale in Houston zu hören waren: »Adler, Houston. Bereitet euch auf die Landung vor. Ende.«

      »Verstanden. Bereit zur Landung«, antwortete Buzz Aldrin.

      Um 16.17 Uhr berichtete Buzz Aldrin: »Leichter Kontakt«, einer der drei Landefüße der Mondlandefähre berührte die Oberfläche.

      Armstrong gab einen Befehl an Aldrin: »Herunterfahren.«

      »Okay. Triebwerk stopp«, sagte Aldrin, »Befehl Triebwerk abschalten ausgeführt. Ausleger ausgeführt. Ende«.

      »Der Mensch ist auf dem Mond!«, rief Cronkite aus.

      Die Kommandozentrale in Houston antwortete: »Wir übertragen die Bilder nach hier unten, Adler.«

      »Houston, hier ist Tranquility Base«, sagte Armstrong. »Der ›Adler‹ ist gelandet.«

      Sechs Stunden später waren sie bereit, mit ihren Füßen den Mond zu betreten. Armstrong öffnete die Luke des »Adlers«.

      Millionen auf der Erde sahen zu, wie ein Fuß auf eine Leiter gesetzt wurde. »Dort ist er, dort sind Füße, die sich auf der Leiter nach unten bewegen. Armstrong bewegt sich!«, sagte Cronkite, »Neil Armstrong, ein 38 Jahre alter Amerikaner, steht an diesem 20. Juli 1969 auf der Mondoberfläche.«

      Um 22.56 Uhr sagte Armstrong folgende Worte, die für immer zur Menschheitsgeschichte gehören: »Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit.«

      Die junge Familie Mattson beobachtete, wie Armstrong und Aldrin sich auf der Mondoberfläche bewegten. Aber es war spät und bald brachte mein Vater uns Jungs zu Bett.

      Er deckte uns zu, schaltete das Licht aus und ging danach in das Schlafzimmer. Dort schloss er die Tür hinter sich zu und legte sich neben unsere Mutter ins Bett.

      »Wie könnte der gigantische Sprung der Menschheit besser gefeiert werden, als jetzt ein Baby zu zeugen«, flüsterte er in ihr Ohr, als seine Hände ihren Körper berührten.

      Ende April 1970, neun Monate später, wurde ich geboren.

       Christopher Street

      Es geschah in den frühen Morgenstunden des 28. Juni. Eine andere Art von Geburtswehen setzte bei der Bewegung Christopher Street ein, fünfhundert Meilen östlich von dem Haus, in dem ich empfangen wurde. Mitten in Greenwich Village, einem Stadtteil von New York, ist in einer Bar namens Stonewall Inn die Schwulenbewegung entstanden.

      Polizisten machten eine Razzia im Stonewall Inn, einer Bar, in der der Pöbel verkehrte und die auf die homosexuelle Gemeinschaft ausgerichtet war. Dies war einer der wenigen Plätze, wo sie sich relativ friedlich versammeln konnten. Zumindest so lange, bis die Polizei kam. Die Sittenpolizei wurde in den 1960er-Jahren in New York City gebildet, um die noch rechtskräftigen »Anti-Sodomie-Gesetze« durchzusetzen. Zu ihren häufigen Zielen gehörten Bars wie Stonewall Inn. Bis 1966 wurden jede Woche mehr als hundert Leute durch verdeckte Operationen, bei denen oft Lockvögel eingesetzt waren, durch die sie überführt wurden, verhaftet. In einem Dokumentarfilm über den Stone-wall-Aufstand schrieb Professor William Eskridge von der juristischen Fakultät von Yale: »Es war ein Albtraum für die Lesben und Schwulen, gefangen genommen und mit Gewalt festgehalten zu werden, aber es war auch ein Albtraum für jene Lesben und Schwulen, die sich verstecken mussten. Diese Situation schuf ein enormes Potenzial an Zorn und Wut bei den Lesben und Schwulen in New York. Schließlich musste es zur Explosion kommen.«1 Der »Dampfkochtopf« explodierte in jener Nacht im Juni 1969, als die Besucher es leid waren und sich zum ersten Mal der Verhaftung widersetzten und den Spieß umdrehten. Die Polizei war in der Bar Stonewall Inn eingeschlossen und draußen vor dem Lokal befanden sich die wütenden Demonstranten.

      Die Nachricht von dieser Gegenwehr verbreitete sich rasch und in den nächsten Nächten eskalierten Gewalt und Widerstand. Die Männer und Frauen der Christopher Street waren wütend und forderten mehr als nur Akzeptanz. Sie forderten eine Revolution.

      Drei Jahre nach dem Aufstand schrieb John Murphy in seinem Buch Homosexual Liberation:

      »Viele Leute sind unglücklich über diese Art der Unterdrückung. Sie möchten etwas Neues und sie sind entschlossen, es durchzusetzen. Sie stellen eine potenziell gewaltige revolutionäre Kraft dar. Denn wir – und jetzt zähle ich mich zu diesen Männern und Frauen – sind nicht nur daran interessiert, akzeptiert zu werden. Wir benötigen keine neue Bürokratie, damit eine Regierung zugänglicher für unsere ›Bedürfnisse‹ wird. Auch werden wir uns nicht mit neuen politischen Gebilden, die im Namen einer sozialen Revolution geschaffen werden, zufriedengeben, wenn diese die gleiche Art der Unterdrückung vertreten. Wir beabsichtigen, die grundsätzliche Einstellung in Bezug auf die Sexualität umzustrukturieren, ebenfalls die Bedeutung des Einzelnen und die Funktion der Familie. Wir versuchen, einen totalen Systemwandel herbeizuführen.«2

      Walter Cronkite sagte, indem er sich an Apollo 11 erinnerte: »Alles, was sonst noch in diesen Tagen geschah, wurde zu einer Nebensächlichkeit in den Geschichtsbüchern.«3 Aber Cronkite hat sich geirrt. Der Stonewall-Aufstand und das Aufkommen der Schwulenbewegung sind die beiden Dinge, an die man sich in Verbindung mit dem Sommer 1969 erinnert. Alles andere wird in den Geschichtsbüchern von untergeordneter Bedeutung


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