Warum ich mich nicht als schwul bezeichne. Daniel C. Mattson

Warum ich mich nicht als schwul bezeichne - Daniel C. Mattson


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unserem Vorteil, wenn wir die Geschichte unserer Erschaffung kennen, wie sie in der Genesis (Kapitel 1 bis 3) überliefert ist, weil wir dort den Vers entdecken, der heute am meisten kontrovers diskutiert wird: »Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie« (Gen 1,27). Ob die Kontroverse mit der biblischen Aussage, dass der Mensch einen Schöpfer hat, beginnt oder mit ihrer Lehre, dass die zweifache Ausprägung der menschlichen Natur männlich und weiblich ist (und nicht heterosexuell und homosexuell), so hängt »die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes« (Röm 8,21) von der natürlichen und geoffenbarten Wahrheit ab und nicht vom Wohlwollen einer Zivilgesellschaft.

      Die besten Werkzeuge zur Vermittlung einer Lehre, die jemals erdacht wurden, sind die Gleichnisse Jesu. Ihre Einfachheit und ihr Reichtum nehmen die Vorstellungskraft so gefangen, dass wir zum Beispiel rasch die Bedeutung der Begriffe »verlorener Sohn« oder »guter Samariter« erfassen.7 Eingehüllt in die menschliche Lebenswirklichkeit finden wir Wahrheiten in diesen Geschichten, deren Aufruf und Kraft universal gültig sind, weil sie Zeiten und Kulturen überschreiten. Auf anziehende Weise führen sie in komplexe Sachverhalte ein. Die Gleichnisse offenbaren uns unsere Geschichte, die in die Geschichte Gottes hineingenommen ist, in die Menschwerdung. Die Gleichnisse erzählen von uns selbst, von der menschlichen Natur, aber sie offenbaren auch das Wirken der Gnade, der Barmherzigkeit und des Friedens Gottes, unseres Vaters, der seinen geliebten Sohn gesandt hat, um uns von falschen Vorstellungen zu befreien, denen wir durch die Welt, das Fleisch und den Teufel zum Opfer fallen (vgl. 1 Joh 2,16).

      Ein gutes und brauchbares Zeugnis ist wie ein Gleichnis. Sein Wert liegt in der Art, inwieweit die persönliche Geschichte uns nicht ablenkt, sondern vielmehr Raum lässt für die allgemeingültige Wahrheit, um uns zu erbauen, zu ermutigen und aufzuklären. Die menschlichen Elemente regen unsere Vorstellungskraft an, sodass der Verstand und der Wille in der Lage sind, das Wahre und Gute aufzunehmen. Die Erfahrung einer einzelnen Person lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die allgemeinen menschlichen Erfahrungen, zum Beispiel auf unser Bedürfnis nach Demut, Heilung, Umkehr des Herzens und insbesondere nach der Gnade. Ein gutes Zeugnis von einem Menschen zu hören, der »gerne« seine Erfahrungen mit anderen teilt, ist ein guter Beginn. »Irritiert zu sein« kann auch eine gute Reaktion auf ein solches Zeugnis sein, wenn man nicht dabei stehen bleibt. Ein gutes Zeugnis lenkt uns hin zu dem Einen, der uns helfen kann, unseren Erfahrungen einen Sinn zu verleihen, indem wir uns klar werden, welche falsch sind und welche zur menschlichen Reifung und der Erfüllung unserer Herzensbedürfnisse jetzt und in der Ewigkeit führen. Ein gutes Zeugnis kann ebenso wie ein Gleichnis einen Menschen ansprechen, wenn er es zulässt.

      Dan Mattson gibt uns ein solches Zeugnis. Ich traf ihn zum ersten Mal, als er dabei war, sich der Kirche wieder anzunähern. Diese Geschichte werden Sie auf den folgenden Seiten lesen. Später hat er sehr bereitwillig meine Einladung angenommen, in der Gruppe der Sprecher des Courage-Apostolats mitzuwirken. So ist seine Geschichte eine von drei Personen, die in der von Courage International produzierten Dokumentation Desire of the Everlasting Hills8 erzählt wird.

      An Dan bewundere ich, dass er sein Verständnis vom Wesen des Menschen immer mehr vertieft, wie es uns von den großen Schriftstellern und Heiligen gelehrt wird. Er perfektioniert seine Fähigkeit, indem er anderen zuhört, sodass er ein noch glaubwürdigeres und fruchtbareres Instrument der Vorsehung Gottes zum Wohl für viele sein kann. Keineswegs stellt er sich als ein Mitglied der »Kirche der Geretteten« dar, sondern als ein Mitglied der streitenden Kirche – der Kirche, die vom Herrn gegründet wurde (vgl. Mt 24,13). Durch seine Lebensart bezeugt Dan die Weisheit Papst Benedikts XVI.: »Gewiss, wir haben die Wahrheit nicht, aber sie hat uns: Christus, der die Wahrheit ist, hat uns bei der Hand genommen, und wir wissen auf dem Weg unseres Ringens um Erkenntnis, dass seine Hand uns festhält.«9

      Bevor er Papst wurde, sagte Kardinal Ratzinger, dass heute eines der wenigen glaubwürdigen Argumente für den Glauben die Gemeinschaft der Heiligen sei. Der Katechismus ist unerlässlich, um Sicherheit im Glauben zu erlangen. Aber die Heiligen und diejenigen, die sich bemühen, heilig zu werden, geben der Lehre des Katechismus ein »menschliches Gesicht«, machen ihn ansprechend und zugänglich. Papst Paul VI. drückte es so aus: »Für die Kirche ist das Zeugnis eines echt christlichen Lebens mit seiner Hingabe an Gott in einer Gemeinschaft, die durch nichts zerstört werden darf, und gleichzeitig mit einer Hingabe an den Nächsten in grenzenloser Einsatzbereitschaft der erste Weg der Evangelisierung. ›Der heutige Mensch‹, so sagten Wir kürzlich zu einer Gruppe von Laien, ›hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind.‹«10 Dan möchte ein Heiliger werden, ein gläubiger Zeuge Jesu Christi, aber er weiß auch, dass er viel Gnade braucht, so wie wir alle, um dieses höchste aller Ziele zu erreichen. Das macht ihn zu einem guten Zeugen und sein Zeugnis zu einem guten »Gleichnis«, über das wir nachdenken sollten.

      Als Priester, der Dan und einige andere gebeten hat, mit ihren Geschichten an die Öffentlichkeit zu gehen, möchte ich einige Hinweise als Ausdruck meiner geistigen Vaterschaft und christlichen Mitsorge zu bedenken geben. Es ist eine besondere Art von Mut und Demut notwendig aufzustehen, auch vor einem wohlgesonnenen Publikum, und die eigenen Kämpfe und Rückschläge in Bezug auf die sexuelle Enthaltsamkeit öffentlich zu machen. Aber nicht jeder wird diesen Mut und diese Demut gutheißen. Einige werden behaupten, dass Dan und seinesgleichen voll Scham und Selbsterniedrigung und sich selbst gegenüber nicht aufrichtig, dass sie niemals wirklich »schwul« gewesen seien und dass sie nun nur aus einer Art »katholischer Schuldgefühle« heraus handeln würden.

      Keines dieser Argumente beschreibt meine Erfahrung mit Dan und anderen, aber es ärgert mich, dass seine Vorträge und Schriften und die seiner Mitstreiter und Freunde die Ursache für solche Angriffe auf deren Persönlichkeiten sind. Ich glaube, dass sich solche Angriffe in der Anfangsphase der Veröffentlichung dieses Buches verstärken werden. Natürlich verdient jede Geschichte eine respektvolle Kritik und sogar einen mutigen Austausch. Mich ärgern der Spott, die Verachtung und Herablassung, mit denen Dan konfrontiert wird, in manchen Fällen wiederum aus den eigenen Reihen. Tatsächlich scheinen wir uns in eine Richtung zu bewegen, in der einige Ansichten und die damit verbundenen Aussagen nicht mehr länger geschützt sind. Möge Gott Dan und die anderen für ihre Bereitschaft, ihre Geschichten zu erzählen, segnen und belohnen, weil er weiß, wie sie an manchen Orten behandelt werden.

      Ich habe noch andere Bedenken, die auf fast 15 Jahren Arbeit in diesem Bereich basieren. Wenn ich Vorträge gehalten habe, besonders für meine Mitbrüder im priesterlichen Dienst, dann habe ich oft darauf hingewiesen, dass ich weniger ein Fürsprecher für ein spezielles Apostolat, sondern eher ein Fürsprecher für eine unterversorgte Bevölkerungsgruppe bin: Männer und Frauen mit gleichgeschlechtlichen Neigungen, die bei der Kirche Hilfe, Verständnis und Führung suchen. Sie tun dies mit unterschiedlichen Überzeugungen und Unsicherheiten hinsichtlich der Lehre der Kirche. Meine Bedenken bestehen darin, inwieweit wir ihnen als der mystische Leib Christi mit Nächstenliebe und Klarheit antworten, wie es dem Meister würdig wäre, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht (vgl. Mt 12,20). Unsere Richtschnur sollte das Beispiel Jesu in der Geschichte von Johannes 8 sein, über die wir bereits nachgedacht haben: ihnen ein ebensolches Maß an Einfühlungsvermögen und Ermutigung entgegenzubringen, um eine Sinnes- und Herzensverwandlung zu ermöglichen.

      Auch etwas anderes ist notwendig, damit wir nicht in der Nächstenliebe versagen, indem wir schwere und unerträgliche Lasten den Menschen auf die Schultern legen, selbst aber keinen Finger rühren, um ihnen zu helfen (vgl. Mt 23,4). Die Kirche hat eine Lehre bezüglich der Homosexualität, die für manche schwer zu akzeptieren und im Leben zu verwirklichen sein mag. Schon aus Gründen der natürlichen Gerechtigkeit, geschweige denn der übernatürlichen Liebe, muss die Kirche – wenn sie in einem bestimmten Moment der Heilsgeschichte eine herausfordernde Wahrheit verkündet – auch die praktischen Mittel bereitstellen, um diese umzusetzen. Meines Erachtens versagen wir hierin schrecklich, obwohl es in unserer Macht stünde, uns damit zu befassen.

      Uns allen ist der Druck des gesellschaftlichen Widerstands oder der Ablehnung der Lehre


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