Wyatt Earp Staffel 12 – Western. William Mark D.
dann will ich auf der Stelle geteert und gefedert werden!«
Obwohl die Worte leise gesprochen waren – sie fielen in eine Orchestrionpause – hatte der ganze Schankraum sie gehört.
Ike Clanton! Ja, das war es. Dieser Fremde hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit Ike Clanton. Und Männer, die sich noch an Ike Clanton erinnern konnten, fanden auch, daß er mit dem jüngsten Clanton eine gewisse Ähnlichkeit hatte.
Daß er mit der immer noch am meisten gefürchteten Familie des Countys Ähnlichkeit hatte, wußten jetzt alle in Millers Bar, bis auf Rodney Miller selbst.
Er verharrte immer noch auf seinem Sitz, kaute auf seinem Zigarrenstummel herum und dachte nicht im Traum daran, dem Wunsch des neuen Gastes nachzukommen.
»Hören Sie, Mister«, glaubte er belehren zu müssen, »wir befinden uns hier in einem anständigen Saloon. Hier wird nicht herumgebrüllt und schon gar nicht kommandiert. Ich bin der Salooner, und wenn Sie als Gast betrachtet werden wollen, dann müssen Sie…«
Jäh brach Rodney Miller ab und stierte mit weit aufgerissenen Augen in die Revolvermündung, die ihm aus der Faust des Fremden entgegengähnte.
Blitzschnell hatte der Mann die Waffe gezogen.
»Ich bin ein Clanton, verstanden?«
Die vier Worte standen wie Donnerschläge im Raum, obgleich sie nicht einmal laut gesprochen waren. Niemand hatten sie ernstlich verwundert.
Clanton! Ja, er war ein Clanton. Daran konnte es gar keinen Zweifel geben. Es stand ihm im Gesicht geschrieben.
Rodney Miller rutschte von seinem Schemel und lehnte sich über die Theke. »Clanton? Soll das ein Witz sein, Mister? Der kann Ihnen übel bekommen.«
Der Fremde hatte den Revolver mit einer blitzschnellen Bewegung ins Halfter zurückgezaubert.
Miller, der noch immer nicht begriffen hatte, meinte: »Es wohnen hier in unserer Gegend Leute, die diesen Namen tragen, Mister. Ich würde damit sehr vorsichtig sein. Schon mal von Ike Clanton gehört?«
»Ja«, entgegnete der andere, während er sich aus dem Thekenbecher eine lange Strohhalmzigarre nahm, zwischen die Zähne schob und vor der Nase des Wirtes auf der Theke ein Zündholz anriß: »Er ist mein Vetter.«
Da prallte Miller zurück bis ans Flaschenbord.
»Ihr Vetter?« stammelte er.
Dann griff er blitzschnell nach einer Flasche, die unter der Theke gestanden hatte, setzte sie oben aufs Blech, holte ein sauberes Glas, spülte es trotzdem noch einmal durch und nahm ein frisches Tuch, faltete es auseinander und polierte das Glas.
»Machen Sie nicht so viele Umstände, Mister, und gießen Sie endlich ein.«
»Sofort, Mr. Clanton.«
Miller goß das Glas bis zur Hälfte voll und schob es zusammen mit der Flasche vor den plötzlich so bedeutsamen Gast hin.
Jerry Clanton kippte den doppelten Drink auf einen Zug durch seine rostige Kehle.
Dann sah er sich in der Schenke um. Es war völlig still geworden. Alle Männer sahen zu ihm hinüber.
»Ich komme aus Texas. Mein Vetter hat beschlossen, daß Vater und ich zu ihm auf die Ranch ziehen. Deshalb bin ich hier. Es ist gut, wenn ihr euch gleich mit dem Gedanken vertraut macht.«
Nach diesen Worten wandte er sich um und füllte sich das Glas noch einmal zu einem Drittel, nippte dann daran und goß dem Keeper den Rest ins Gesicht. »Auch wenn der Fusel unter der Theke stand – ist es Fusel. Ich kenne den Trick, Brother. Beim nächsten Mal gibt’s Senge, klar?«
Er wandte sich um und kam auf den Spieltisch zu, an dem der Mann aus Fairbanks saß. Jerry Clanton zog sich einen Stuhl heran und ließ sich nieder.
»Wie heißt das Spiel?«
»Faro«, entgegnete einer der Männer.
»Das ist nichts. Wir spielen die Rote Quart.«
Niemand war dagegen.
Das Auftauchen dieses Mannes hatte in Jake Lead einen seltsamen Gedanken aufkommen lassen. Wie, wenn es ihm gelänge, sich mit diesem Mann anzufreunden, vielleicht gar sich mit ihm zu verbünden?
Die Begegnung mit Doc Holliday hatte ihm gezeigt, daß er in dem Spieler einen Gegner hatte. Und wenn er mit Doc Holliday verfeindet war, war er es auch mit Wyatt Earp! Das war sehr gefährlich!
Allerdings durfte er jetzt seine faulen Tricks nicht mehr an den Mann zu bringen versuchen. Das konnte gegen diesen scharfgesichtigen Clanton ins Auge gehen.
Sie mochten etwa eine halbe Stunde gespielt haben, als Jake Lead vorsichtig das Gespräch begann.
»Sie wissen, was sich hier in der Stadt ereignet hat?« fragte er, ohne Jerry anzusehen.
»Natürlich weiß ich das, Mister. Nicht zuletzt deswegen bin ich ja hier.«
Wie ein Bleigewicht warf der Mörder jetzt seinen Trumpf in die Waagschale.
»Wyatt Earp ist in der Stadt!«
Jerry Clanton warf den Kopf herum und blickte dem Sprecher forschend in die Augen.
Er war ein ganz anderer Typ als Jake Lead.
Lead war der verbissene, streitsüchtige Mensch, den sein eigener Charakter zum Ruin getrieben und völlig vernichtet hatte. Ein Mensch, der sich selbst zerstört hatte. Und dies stand in seinem Gesicht.
Ganz anders Jeremias Clanton. Er hatte etwas Stolzes, Herrisches, Selbstgefälliges an sich, ohne dies etwa in seiner Kleidung zu betonen.
Lead war durch eine verhältnismäßig geringfügige Schwäche seines Charakters in großes Unglück gestürzt worden. Seit er das Straflager verlassen hatte, war er fest entschlossen, auf dieser schrägen Bahn zu verharren.
Jerry Clanton war nach Westen geritten, weil er von neuem Glanz träumte, den er dem Namen Clanton verleihen würde. Zusammen mit dem großen Vetter, würde er der Familie wieder ein bedeutsames Ansehen geben. Dies gedachte der junge Mann indessen nicht durch ehrliche Arbeit zu erreichen.
Die ehrgeizigen Pläne des jungen Mannes aus Texas waren ebenso verhängnisvoll wie der Charakterfehler des jungen Jake Lead aus Fairbanks.
»Wyatt Earp?« kam es rostig aus der Kehle Jerrys.
»Ja, er ist in der Stadt«, entgegnete Lead, ohne den Spielpartner anzusehen. Er mischte gerade die Karten.
Da legte Clanton seine Linke auf seinen rechten Unterarm.
»Was haben Sie da gesagt, Mister?«
»Ich habe gesagt, daß Wyatt Earp in der Stadt ist.«
»Haben Sie ihn gesehen?«
»Nein, aber ich habe vorhin mit Doc Holliday im Crystal Palace gepokert. Und wenn er in der Stadt ist, dann ist es der Marshal doch bestimmt auch.«
Mit einer hölzernen Bewegung erhob sich Jeremias Clanton, schob seinen Stuhl mit dem Fuß zurück, kassierte seinen Gewinn ein, schob seine beiden Parker Colts nach vorn und prüfte ihren lockeren Sitz.
Da machte der greise Lyonel Croges den Fehler, dem jungen Clanton nachzurufen: »Machen Sie keinen Unsinn, Mister. Wir haben einen scharfen Sheriff in der Stadt.«
Der junge Clanton schien tatsächlich noch über nichts informiert zu sein. Er blieb stehen und wandte sich um.
»Einen scharfen Sheriff? Jonny Behan? Seit wann ist der denn scharf?«
»Nein, nein«, meinte der alte Croges und bewegte seinen gichtigen Zeigefinger hin und her wie ein Schulmeister. »Unser Sheriff heißt Luke Short. Er kommt aus Texas.«
»Luke Short?« Jerry Clanton zog die Brauen zusammen. »Das ist doch nicht wahr!«
Mit raschen Schritten kam er zurück, packte den Alten und riß ihn von seinem Sitz hoch. Dann stieß er ihn zurück