Das Schwarzkümmel-Heilbuch. Sylvia Luetjohann
Schwarzkümmelsamen mit gebratenem Speck als Heilsalbe gegen Kopfgeschwüre. Der Samen, mit Honig vermischt und an die Wand gestrichen, wird außerdem als todsicherer Fliegenfänger empfohlen! Was die Einnahme durch den Menschen betrifft, warnt Hildegard allerdings vor seiner möglicherweise giftigen Wirkung. Dies trifft auf manche Mitglieder dieser recht verzweigten Hahnenfußfamilie sogar zu. Da Hildegard aber den Ackerschwarzkümmel in ihrer „Physica“ mit dem botanischen Namen Githerum ratde benennt, liegt eher die Vermutung nahe, daß bereits hier die später sprichwörtliche Verwechslung mit der Kornrade (Agrostémma githago) passiert ist. Die Samen dieses von den Bauern gefürchteten Getreideunkrauts sind durch Saponine tatsächlich giftig und machen Mehl, Brot und Getreidekaffee nicht nur bitter, sondern sogar gesundheitsschädlich.
Trotzdem muß sich der Ruf des Schwarzkümmels als Heilmittel in der Volksmedizin im Laufe der nächsten Jahrhunderte stabilisiert und auch weiter verbreitet haben, denn als 1539 das „New Kreutterbuch“ des Hieronymus Bock erscheint, wird bereits eine beachtliche Wissensfülle über Nigella oder auch den „Schwartzen Coriander“ ausgebreitet, wie er nun allgemein genannt wird. Da sich unserer Spurensuche aber spätestens ab hier ein oft nur mühsam zu durchdringender Wildwuchs aus unterschiedlichen Pflanzen mit abweichenden Beschreibungen und immer phantasievolleren Namen in den Weg zu stellen scheint, muß an dieser Stelle ein Abstecher in die Welt der Botanik eingeschoben werden.
Botanische und andere Streifzügedurch die wichtigsten Schwarzkümmelarten
Schwarzkümmel ist eine einjährige Pflanze, die durch Aussaat vermehrt wird oder sich selbst vermehrt. Zu unserem Gewürzkümmel, Carum carvi, besteht trotz des Namens und teilweise ähnlicher Verwendung botanisch keine Verwandtschaft, und trotz häufiger Verwechslung gilt dies auch für den indischen Kreuzkümmel mit seinen Arten Cuminum cyminum und Cuminum nigrum. Im Unterschied zu diesen gehört Schwarzkümmel nicht zu den Doldenblütlern, sondern zu den Hahnenfußgewächsen (Ranunculaceae), die nach derzeitigen Erkenntnissen eine der alkaloidreichsten Pflanzenfamilien darstellen.
Die Untergruppe der Schwarzkümmelarten zeichnet sich besonders dadurch aus, daß die fünf Fruchtblätter, die bei den Ranunculaceen sonst getrennt nebeneinanderstehen, je nach Art mehr oder weniger in der Mitte miteinander verwachsen sind. Dadurch entsteht eine radförmige Samenkapsel oder sog. Sammelbalgfrucht, deren Fächer sich erst bei der Reife in der Mitte trennen. Während die Verwachsung bei unauffälligeren wilden Sorten nur bis zur halben Höhe reicht, geht sie bei den beiden bekanntesten Arten, dem Echten Schwarzkümmel und dem Damaszener Schwarzkümmel, bis zur Spitze, so daß die über den Umfang des Rades hinausragenden fünf Griffel die Figur eines Zackenrades bilden. Der volkstümliche Name „Rade/Radel“ (siehe unter Nigella arvensis) sowie auch die englische Bezeichnung Pinwheel („Feuerrad“ oder „Windrädchen“) erklären sich aus dieser zahnradförmigen Gestalt der Blüte.
Dies hat der Pflanze in Deutschland den Namen „St. Katharinenblume“ oder „St. Katharinenrädlein“ eingebracht, da die hl. Katharina in der Ikonographie stets mit einem Zackenrad dargestellt wird. Der Legende nach zerbrach nämlich das Rad, mit dem sie im Jahre 309 den Märtyrertod erleiden sollte, und sie mußte mit dem Schwert hingerichtet werden. Darum hält sie auf den Heiligenbildern auch nur das Bruchstück eines Rades in der Hand. Analog dazu zerbricht das Katharinenrädlein bei der Reife in fünf Teile und läßt die in zwei Reihen an der inneren Naht angewachsenen Samen herausfallen.
Ehe wir noch weiter in den Grenzbereich zwischen volkskundlicher Botanik und Legende abschweifen, sollen nun die drei wichtigsten Schwarzkümmelarten beschrieben werden.
Nigella sativa
Die grassierende Begriffsverwirrung bei der Benennung des Schwarzkümmels fand erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts durch Linnés binäre Nomenklatur ein Ende. Bei der von ihm eingeführten lateinischen Doppelbezeichnung steht der erste Namensteil für die Gattungszugehörigkeit und der zweite für die Art. In unserem Fall bedeutet der Vorname Nigella „schwärzlich“, was sich auf die schwarzen Samen bezieht, und die Übersetzung des Nachnamens sativa lautet „angepflanzt“. Wir haben es hier also mit der zumeist kultivierten Schwarzkümmelart zu tun.
Der Echte oder Gemeine Schwarzkümmel ist eine 30–50 cm hohe, filigran wirkende Pflanze. Sie hat einen aufrechten, wenig verästelten, etwas rauhhaarigen Stengel. Die Blätter sind zwei- oder dreifach fiederschnittig und haben dadurch Ähnlichkeit mit Doldenblütern, wie Kümmel, Fenchel und Koriander, was sich in solchen Namensformen wie „Römischer Kümmel“, „Fennel Flower“ oder „Schwarzer Koriander“ niedergeschlagen hat. Aus den einzeln gipfelständigen Blüten, die milchigweiß sind und zur Spitze hin eine bläulich-grünliche Färbung annehmen, entwickeln sich nach der Blüte die mit rauhen Warzen bedeckten, kugelartigen Fruchtkapseln, die von fünf abstehenden, an Schnäbel erinnernde Spitzen gekrönt werden.
Die verschiedenen Schwarzkümmel-Arten
Nigella sativa, der echte Schwarzkümmel
Nigella damascena, der Gartenschwarzkümmel
Nigella arvensis, der Ackerschwarzkümmel
Die schwarzen Samen der Nigella sind dreikantig und querrunzlig, sie sehen Zwiebelsamen zum Verwechseln ähnlich. Die Ähnlichkeit der Fruchtkapsel mit der Mohnpflanze hat wohl zu dem botanischen Namen Papaver nigrum, also „Schwarzmohn“ beigetragen, und die Samen sind früher sogar mit denen des Stechapfels (Datura) vermischt worden, die im Volk „Schwarzkümmel“ hießen.
Nur die Samen und das aus ihnen gepreßte Öl werden als medizinisch wichtige Bestandteile der Pflanze angesehen; diese Einschätzung schlägt sich beispielsweise auch in dem alten Namen „Nardensamen“ nieder. Sie riechen beim Zerreiben sehr aromatisch – allerdings nicht nach Kümmel, sondern eher nach Fenchel oder Anis und erinnern auch an Muskat. Die englischen Namensformen „Fennel Flower“ oder „Nutmeg Flower“ sind davon inspiriert worden. Der Geruch hat auch schon Assoziationen an Kampfer oder sogar Kajeput geweckt. Vom Geschmack her sind die Samen würzig, leicht bitter und von angenehmer Schärfe, so daß sie früher gerne anstelle von gewöhnlichem Kümmel verwendet wurden und auch als Pfefferersatz dienten. Poivrette (etwa mit „kleiner Pfeffer“ zu übersetzen) heißt in Frankreich denn auch das zu Pulver zerstoßene arabische Gewürz Abésodé.
Aus den Samen läßt sich durch Extraktion, aber auch durch Kaltpressung das fette Öl mit seinen wertvollen Inhaltsstoffen gewinnen, aus dem die Samen zu ca. 35–45 % bestehen. Dem Schwarzkümmelöl wird eine konzentriertere Wirkung als dem unverarbeiteten Samen nachgesagt. Mittels Destillation kann aus den Samen auch ätherisches Öl gewonnen werden, von dem in Nigella sativa ca. 0,5–1,5 % enthalten sind. Es ist von gelblicher bis brauner Farbe, hat einen etwas strengen Geruch und ist auch daran zu erkennen, daß es nicht fluoreszierend ist.
Die ihr zugeschriebenen Heilwirkungen verdankt die Nigella sativa wohl der Tatsache, daß ihr ein Inhaltsstoff fehlt – nämlich das Alkaloid Damascenin, das beispielsweise in den beiden nachfolgend beschriebenen Arten Nigella damascena und Nigella arvensis enthalten ist, aber nur in hochkonzentrierter Form genossen schädlich sein soll.
Mindestens 20 verschiedene Varietäten und Kreuzungen des Schwarzkümmels sind in den Küstenländern des Mittelmeers und in den angrenzenden Gebieten sowohl wildwachsend als auch kultiviert verbreitet, darunter Nigella aristata und Nigella orientalis, die sich durch auffallend hellgrüne Blätter und rotgepunktete