Herz und Verstand im Verwaltungsrat. Gabriela M. Paltzer-Lang

Herz und Verstand im Verwaltungsrat - Gabriela M. Paltzer-Lang


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grossen und mittleren Verwaltungsräten; es gibt den Lesern einen Leitfaden über wichtige Themen und Verhaltensweisen in solchen Gremien. Und es rät Ihnen, den Mut zu haben, für Ihr eigenes Lebensmodell einzustehen und dieses zu vollziehen.

      Oswald J. Grübel

       Einleitung

      Stellen Sie sich vor, wir würden nur noch von den Frauen, den Männer, dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung, der Firma, dem Chief Executive, den Mitarbeitern oder der Gesellschaft sprechen. So als ob jede einzelne Kategorie aus einer homogenen Masse bestehen würde. Angenommen wir täten dies, dann würden wir völlig ausser Acht lassen, dass all diese Gruppen nur dank Menschen überhaupt existieren, nicht aus Robotern und auch nicht aus künstlicher Intelligenz sind, sondern aus einzelnen Individuen unterschiedlichster Herkunft, Charaktere, Erziehung, Ausbildung, Kultur, Glaubensrichtung, Alter, Stil und Ausstrahlung. Anders ausgedrückt. Jede Klasse lebt von ihren Mitgliedern und ihres Menscheins. Das führt mich zum Hauptgrund, weshalb ich dieses Buch geschrieben habe. Mich interessieren das Individuum, sein Wesen, seine Arbeit, sein Beruf und seine Ansichten. Die Auseinandersetzung mit dem Menschen bedeute für mich pure Freude und grosse Bereicherung. Das war die treibende Kraft für meine Gespräche mit zahlreichen Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräten. Daraus hat sich nicht nur ein lebhaft erzählendes, oft geradezu unterhaltsames Sachbuch, sondern auch ein kleines volkswirtschaftliches Manifest ergeben mit dem Ziel, die Diversität in einem Verwaltungsrat zu fördern. Weshalb und wie die Frauen davon profitieren könnten, wird von mir im vorliegenden Werk beschrieben.

      Gibt es noch andere Gründe, weshalb ich so frohgemut und ohne akademische Ansprüche, dafür mit meinem gesunden Menschenverstand im Sinne des Wortes und gehörig viel «Gwunder» zur Feder gegriffen habe? Lassen Sie mich kurz ausholen, um diese Frage zu beantworten. In meiner Abschlussarbeit im Weiterbildungsstudiengang Master of Advanced Studies in Applied Ethics an der philosophischen und theologischen Fakultät der Universität Zürich habe ich mich mit dem Thema der Vertretung von Frauen in Verwaltungsräten auseinandergesetzt. Ich habe in dieser Schrift die These aufgestellt, dass das unterschiedliche Denken, Urteilen und Handeln von Frauen und Männern ein und relevanter Grund sein könnte, mehr Frauen in einen Verwaltungsrat zu wählen. Ich war überzeugt, damit anstelle der herkömmlichen Argumente der Geschlechtergleichheit und Frauenquote einen anderen Nachweis zugunsten der Erhöhung des Frauenanteils in Verwaltungsräten gefunden zu haben.

      Dann war ich von unaufhaltsamer Neugier und Interesse getrieben, verbunden mit der Frage, ob meine These der Verschiedenartigkeit von Frauen und Männern auch in der Praxis bei der Ausübung eines Verwaltungsratsmandats eine Rolle spiele und ihre Anwendung finde. Ich habe über 40 weibliche und männliche Verwaltungsräte persönlich getroffen. In schmucken Büros, grandiosen Sitzungszimmern, eleganten Hotelhallen und sogar am Flughafen, jedenfalls, das Eis zwischen uns war meist schnell gebrochen, und wir konnten oft auch herzhaft miteinander lachen. Die Antwort auf die Unterschiedlichkeit: Ja, sie ist von Bedeutung, interessanterweise aber nur bedingt wegen des Geschlechts, sondern vielmehr wegen der Andersartigkeit jedes einzelnen Individuums.

      Ich möchte hervorheben, dass ich die Verwaltungsräte nicht nach einem bestimmten System oder Schema ausgewählt habe. Das jeweilige Verwaltungsratsmitglied hat mich einfach aus irgendeinem Grunde angesprochen. Dies konnte auf Aussagen der Person in den Medien, auf Artikeln, die von oder über die Person geschrieben wurden oder auf ihrem Werdegang beruhen. Dieser Ausgangslage sind zufällig fast gleich viele Begegnungen mit weiblichen und männlichen Verwaltungsräten entsprungen. Die Firmen waren dabei für mich von sekundärer Bedeutung, die Person war wichtig. Meine Gesprächspartner sitzen in börsenkotierten Gesellschaften, in mittleren bis grossen KMUs, in grossen Genossenschaften oder in Familienbetrieben. Vor allem haben die Männer mehrere grössere und kleinere VR-Mandate, die Frauen weniger.

      Bei meinen Gesprächen habe ich schnell feststellen müssen, dass eine klare geschlechterspezifische Unterschiedlichkeit der Verwaltungsräte schwierig auszumachen ist. Jeder Verwaltungsrat hat seine eigene Persönlichkeit, seine Meinung, seine Erfahrungen, sein Curriculum und ist mehr oder weniger vorsichtig dabei, sich für stereotype Geschlechterrollen zu erwärmen. Erst bei näherem Nachhaken meinerseits kam das eher Weibliche und Männliche zur Sprache. Das war eine spannende Erfahrung!

      Alle meine Diskutanten haben indessen eines gemein: Sie möchten mehr Frauen in ihre Verwaltungsräte wählen. Die Chance für eine Frau, in ein solch verantwortungsvolles Amt berufen zu werden, war demzufolge noch nie so gross wie heute. Verwaltungsrätinnen sind gesucht! Aber ganz so einfach geht es auch für eine Frau nicht vonstatten, denn die Anforderungen an jeden Verwaltungsrat, ob Frau oder Mann, sind immer die gleich hohen. Dazu gehören unter anderem eine gute Ausbildung, eine langjährige Berufserfahrung vorwiegend in leitender Position, am besten als CEO, je nach Firma auch Auslanderfahrung und eine besondere Stärke auf einem Spezialgebiet, welches im Verwaltungsrat um der Diversität Willen noch gebraucht wird. So lautet das allgemeine Credo. Falls die weiblichen und männlichen Bewerber ein annähernd gleiches Profil aufweisen, dann wird heute eindeutig der Frau der Vorrang gegeben, darin sind sich meine Gesprächspartner einig. Ob es sich hier nicht um eine versteckte indirekte Quote handelt, müsste man wohl diskutieren. Meines Erachtens gibt es grundsätzlich keine wirklich gleichen Profile von Bewerbern. Deshalb müsste es immer möglich sein, eine stichhaltige Eigenschaft oder Einmaligkeit des jeweiligen Kandidaten zu finden, durchaus basierend auf expliziten harten und weichen Faktoren, welche seine Wahl als Verwaltungsratsmitglied legitimiert. Das Geschlecht sollte nicht das Zünglein an der Waage sein. Der generelle Diversitätsgedanke spielt dabei die grosse Rolle.

      Im ersten Teil des Buches nehmen die Verwaltungsräte zu ganz bestimmten Fragen Stellung. Im ersten Kapitel geht es um Fragen zu den Beziehungen des Verwaltungsratsmitglieds innerhalb des Gremiums, zur Firma, zum Human Resource Management und zur Öffentlichkeit. Das zweite Kapitel betrifft Fragen zu Auswahlkriterien für Verwaltungsratsmitglieder, darin eingebunden die Diversität, die Unabhängigkeit und eine andere Perspektive, die Gesprächskultur, die Grösse und Zusammensetzung eines Verwaltungsrates, die Gerechtigkeit und Chancengleichheit. Im dritten Kapitel berichten die Verwaltungsräte über ihre eigenen Erfahrungen bezüglich Unterschieden zwischen den Frauen und Männern in ihrer VR-Arbeit und erzählen, wie eine Verwaltungsratssitzung abläuft und was sich abspielt. Sie berichten über die Sitzungsvorbereitungen, die Diskussionen, das Rationale und Emotionale, das kritische Denken und Querdenken, das Nonverbale, das Bauchgefühl, die Rolle des Verwaltungsratspräsidenten, die Absprachen, die Abstimmungen, die Lohndiskussion und die Entlassung von Mitarbeitern. Im vierten Kapitel beantworten die Verwaltungsratsmitglieder Fragen zu drei ganz bestimmten Bereichen ihrer VR-Arbeit, die Wahl eines VR-Mitglieds, die Wahl eines CEO’s und zu den Strategien des Verwaltungsrates.

      Im zweiten Teil des Buches im ersten Kapitel konzentriere ich mich auf einige von mir ausgewählte tendenzielle Unterschiede zwischen Frauen und Männern, wie sie im Berufsalltag auftreten können. Sie erfahren, was die Verwaltungsräte dazu sagen, und ob sie diese bestätigen oder verneinen. Zur Geschlechterdifferenz gehört beispielsweise eine eher weit gefächerte weibliche Sichtweise, die sogenannte Radar View. Diese resultiert nicht zuletzt daraus, dass Frauen oft mehrere Rollen gleichzeitig ausüben. Dem gegenüber stehen die Männer mit ihrer eher auf ein Ziel gerichteten Perspektive, der sogenannten Laser View. Bei den Männern sind immer noch das hierarchische Denken und das Machen einer Karriere ausgeprägt. Weiter finden Sie in diesem Buch heraus, was die Metapher des Spiels und das entsprechende Wettbewerbsverhalten der Männer für einen Einfluss auf die Geschäftswelt haben. Firmengründungen von Frauen sind nicht selten eine Folge davon. Sie lesen auch, ob die Frauen mutiger und die Männer risikofreundlicher sind. Ebenso entdecken Sie, ob es ein unterschiedliches Redeverhalten und eine andere Kommunikation der beiden Geschlechter gibt und was die Macht und der Status dabei für eine Rolle spielen. Es ist auch nicht ganz so eindeutig, wer die Nase vorne hat, wenn es um Empathie und Emotionen geht. Und dann erzähle ich anhand des ersten Schultags wie schon in jungen Jahren Mädchen und Buben ein andersartiges Verhalten zeigen. In ein paar wenigen Worten beschäftige ich mich am Schluss des Kapitels noch mit dem biologischen Geschlechterunterschied.

      Im zweiten Kapitel lege


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