Herz und Verstand im Verwaltungsrat. Gabriela M. Paltzer-Lang
deshalb entstanden, weil es persönliche Beziehungen gab. Entweder seien diese Beziehungen im Verwaltungsrat entstanden, falls sich die Leute vorher nicht gekannt hätten, oder sie seien schon vorher dagewesen und die Leute hätten sich im Verwaltungsrat wieder getroffen. Eine Firma sei eine rechtliche Körperschaft, klar definiert durch das Gesetz, und nicht etwas Persönliches. Ihre Existenz habe einen einzigen Grund, nämlich zu überleben. Eine Firma kenne auch keine Loyalität. Die Leute, die für das Unternehmen arbeiten, zeichneten sich durch ihre Managementqualität und Loyalität aus. Enttäuschung komme in dem Moment auf, wo diese Menschen realisierten, dass die Firma keine Loyalität zeige; dies etwa, wenn sie in Schwierigkeiten komme. Viele Angestellte würden glauben, die Firma sei eine menschliche Person; gerade das sei sie aber nicht. Der Verwaltungsrat sei bei grossen, kotierten Unternehmen nicht der Besitzer, er erhalte lediglich jedes Jahr einen Lohn und sei von Gesetzes wegen verpflichtet, Massnahmen zu treffen, damit die Firma überlebe. Und genau da gingen dann viele dieser menschlichen Eigenschaften, die man schätze, verloren. Wenn also jemand zwanzig oder dreissig Jahre für eine Firma gearbeitet habe und dies richtigerweise, – denn vielleicht hätte er sogar für mehr Geld wechseln können –, auch als Loyalität ihr gegenüber auslege, müsse er bei Schwierigkeiten enttäuscht die negative Erfahrung machen, dass er wie jeder andere, der vielleicht gerade mal zwei Jahre dort gearbeitet habe, auf die Strasse gestellt würde. Es sei unmöglich, 50 000 Angestellte zu kennen, aber man sollte im Grossen und Ganzen wissen, wie gut sie seien und welche ersetzt werden müssten und welche nicht. Dann könne man Letzteren für ihre Loyalität etwas zugestehen. Aber meist sei es eben so, dass eine Firma, die in ernsthafte Schwierigkeiten gerate, zu diesem Zeitpunkt kein gutes Management und keinen guten Verwaltungsrat habe. Deshalb würden diese Unfälle überhaupt passieren.
Dysfunktionalität – Persönlichkeitsstrukturen
Objektivität – Vertrauen
Seilschaften
Chemie – raue Stimmung
Meinungsunterschiede – Stil – Kultur
2.Beziehungen des Verwaltungsrates zum Unternehmen
Frage: Welche Beziehungen pflegt der Verwaltungsrat zum Unternehmen?
Eine Beziehungspflege des Verwaltungsrates zum Unternehmen, zu den Mitarbeitern, ist von fast allen Verwaltungsräten gewünscht – jedoch nicht auf eigene Initiative. Eine direkte Kontaktnahme eines Verwaltungsrates im Betrieb ist unerwünscht und problematisch, weil schlussendlich der CEO für das operative Geschäft verantwortlich ist und der Verwaltungsrat eine Aufsichtsfunktion hat. Eine Beziehungspflege muss auf jeden Fall transparent über die Bühne gehen, via den Verwaltungsratspräsidenten und dann den CEO. Es hilft, wenn der Verwaltungsrat mit der Geschäftsleitung ein gutes Verhältnis hat.
Es gehört zur Verantwortung des Verwaltungsrates, mit der Firma auf Tuchfühlung zu sein, um sie wirklich verstehen zu können. Darin sind sich die meisten Gesprächspartner einig. Es darf dabei kein zu starker Kontakt zu einzelnen Angestellten entstehen, weil man so eventuell mit falschen Tatsachen konfrontiert würde, die nur der eine Mitarbeiter so sieht, aber nicht eine ganze Gruppe oder ein Team. Für den Verwaltungsrat wird es dann schwierig, weil er sich die Frage stellen muss, wie er diese Information weiterverarbeitet. Ist der Mensch einfach frustriert, weil er nicht befördert wurde? Sollte der Verwaltungsrat aktiv werden? War es vertraulich? Ist striktes Heraushalten aus dem Operativen geboten? Oder soll man eventuell doch mit dem CEO sprechen? All das kann gefährlich werden. Abgesehen davon hört man von den Erfolgreichen im Unternehmen meist nichts. Gleichzeitig kann man es einem Verwaltungsrat nicht verwehren, sich mit Mitarbeitern zu treffen und ihnen zuzuhören; viele Verwaltungsräte möchten nicht nur Kontakt zum CEO und zum Finanzchef haben. Es braucht aber auf jeden Fall Fingerspitzengefühl, und Probleme sollen ja keinesfalls versteckt werden.
Es gibt auch kritische Stimmen zu einer internen Beziehungspflege. Etwas vom Schlimmsten ist es, wenn der Verwaltungsrat den Eindruck erweckt, er unterminiere