Herz und Verstand im Verwaltungsrat. Gabriela M. Paltzer-Lang

Herz und Verstand im Verwaltungsrat - Gabriela M. Paltzer-Lang


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würde er es nicht zulassen, dass einzelne Mitglieder in der Firma herumschwirrten und dort ihre Gedanken, Überzeugungen und Strategien preisgeben; das habe er schon erlebt, und es sei gefährlich. Dabei würden die Verwaltungsräte vom lokalen Management absorbiert und mit allerlei Wünschen bombardiert, die sie nachher ins Gremium einbrächten. Es gehe nicht an, dass man hinten herum mit dem Management Sachen bespreche. Selbstverständlich hätten alle Verwaltungsratsmitglieder Anspruch auf sämtliche Informationen zum Unternehmen, aber nicht als Einzelmaske. Das müsse kontrolliert und mit Disziplin erfolgen, aber nicht, weil man etwas verheimlichen wolle. Es gehe vielmehr um die Glaubwürdigkeit des Verwaltungsrates als gesamtes Team.

       Kein Interesse

      imageAn einer Beziehungspflege des Verwaltungsrates zu den Mitarbeitern hätten die Angestellten kein Interesse. Er sei davon überzeugt, dass die Angestellten ganz einfach am Ende des Monats ihren Lohn beziehen wollten und damit zufrieden seien. Die Mitarbeiter interessiere ihre nächste Umgebung im Betrieb, vielleicht noch eine Stufe höher, aber der CEO sei schon weit, weit weg, auch der interessiere sie nicht – und schon gar nicht der Verwaltungsrat.

       Glaswände – Portier – Putzdienst

      imageDie Nähe und Erreichbarkeit sei für die Mitarbeiter wichtig. Er sitze in einem Büro mit Glaswänden, wie alle Mitarbeiter im Gebäude. Vorbei seien in ihrer Firma die sterilen Gänge und geschlossenen Türen, wo man keinen Menschen sehe. Auch er teile das Büro mit jemandem. Wichtig sei, dass man diese offene Kultur von oben vorlebe. Ein Unternehmen werde an der Atmosphäre und am Zusammenspiel der Teams gemessen, das seien wesentliche Kleinigkeiten. Auch sei es wichtig, dass man den Mitarbeitern in Abständen immer wieder die Strategie erkläre, was mit einem Workshop verbunden sein könne. Dort werde konkret gefragt, was der einzelne Mitarbeiter zum Betrieb beitrage, weil er doch immer auch ein Teil der Strategie sei. Das gehe soweit, dass auch der Putzdienst und der Portier wissen müssten, was sie zur Strategie beitragen können.

       3.Beziehungen des Verwaltungsrates zum Human Resource Management

      Frage: Was für Beziehungen pflegt der Verwaltungsrat zum Human Resource Management (HR)?

      Jedes Unternehmen kann nur existieren, wenn sich Menschen zusammenfinden, sich für eine gemeinsame Sache engagieren und dafür auch entlöhnt werden. Ohne Angestellte kein Betrieb! Die Mitarbeiter stellen demzufolge das grösste Kapital dar und leisten den wesentlichsten Beitrag zum Erfolg ihres Unternehmens. Das HR ist dafür zuständig, dass die Planung, die Steuerung und die Kontrolle dieses Vermögenswertes funktioniert. Weil diese Aufgabe meines Erachtens in jedem Unternehmen von zentraler Bedeutung ist, habe ich meine Gesprächspartner gefragt, was für eine Beziehung der Verwaltungsrat zum HR pflegt und wie das HR in ihrem Gremium vertreten ist.

      Eine direkte, institutionalisierte Beziehung zum HR konnte ich in den Gesprächen nicht feststellen. In gewissen Firmen wird der Verwaltungsrat nicht einmal informiert, wenn der HR-Chef kündigt. Und gleichzeitig, überspitzt gesagt, sind die Zeiten, zu denen ein Personalverantwortlicher mit dem Singlehrer verglichen wurde, definitiv vorbei. Deshalb, so nehme ich an, betonen alle Verwaltungsräte, wie bedeutend die Mitarbeiter seien – das Wichtigste im Betrieb. Und trotzdem sind bis heute fast keine direkten HR-Vertreter im Verwaltungsrat sichtbar.

      Eine Firma hatte früher einen HR-Vertreter zwar nicht im Verwaltungsrat, aber in der Konzernleitung; Personalfragen wurden immer an ihn delegiert. Man kam dann jedoch zum Schluss, dass die ganze Konzernleitung einschliesslich des Verwaltungsrates für das Personal verantwortlich sei und diese Aufgabe nicht von oben nach unten delegiert werden könne.

      Es gibt natürlich immer wieder Verwaltungsräte, die einen HR-Background haben. Jeder in einem Verwaltungsrat – gerade weil die meisten von ihnen operative Erfahrung mitbringen – ist sich bewusst, dass man eine noch so schlaue Unternehmensstrategie haben kann, diese ohne die Mitarbeiter aber nicht funktioniert.

      Der HR-Bereich wird in vielen Fällen von Frauen geführt. Sie sitzen dort an Schlüsselpositionen und erreichen dadurch oft die Spitze. Es darf aber nicht sein, dass das HR als ein geschützter Arbeitsbereich für Frauen dargestellt wird. Es kann sein, dass er eher zu den Frauen passt, weil sie dort ihre Stärken ausleben können; sie eignen sich ganz natürlich oftmals besser dafür. Das ist auch gut so, sofern eine solche Karriere von den Frauen bewusst gesucht wird. Überhaupt sollte meines Erachtens heutzutage jede HR-Abteilung gemeinsam von einer Frau und einem Mann geführt werden, damit eine weibliche und eine männliche Perspektive vertreten sind. Zudem sollten bei Anstellungsgesprächen ab einer bestimmten Hierarchiestufe unbedingt beide Geschlechter anwesend sein; schon deshalb, weil man zu zweit über einen Bewerber mehr in Erfahrung bringt. Das würde einen breiteren und offeneren Auswahlprozess ermöglichen, und die Chance, dass die richtige Person angestellt wird, würde rasant steigen.

      Gewisse Firmen sind wegen falscher Personalentscheidungen dazu übergegangen, zu einem Schnuppertag einzuladen. Das gibt einen ersten Eindruck, wie Aufgaben gelöst werden und ob eine Interaktion mit dem Team besteht.

      Eine ähnliche Methode der Personalrekrutierung unter Hochschulabsolventen ist in den USA schon lange die Regel. Die Studenten werden in ihren letzten grossen Semesterferien vor dem Abschluss als sogenannte «Interns», Praktikanten, angestellt. Wenn die gegenseitige Zusammenarbeit erfolgreich funktioniert, wird den Studenten meist eine fixe Anstellung gleich nach der Vollendung ihres Studiums angeboten.

      Zurück zu den Beziehungen des Verwaltungsrates zum HR. Das HR rapportiert in der Regel direkt an den CEO. Es gibt Verwaltungsräte, die ein spezielles Komitee für Personalfragen haben und an deren Sitzungen der HR-Verantwortliche auch teilnimmt. Dann gibt es Verwaltungsräte, bei denen der HR-Chef zwar an den Sitzungen des gesamten Verwaltungsrates eingeladen ist, aber nur als Gast und wenn es diesbezügliche Diskussionen gibt wie beispielsweise die Diversität auf verschiedenen Stufen, die Entwicklung der Frauenquote vor allem in den höheren Chargen, Quervergleiche am Arbeitsmarkt, das Image des Arbeitgebers oder Bedürfnisse für die Zukunft. Das HR ist ein Teil der Unternehmensstrategie und wichtig ist, dass die wesentlichen Themen adressiert und behandelt werden. Dafür sind die verschiedenen Komitees im Verwaltungsrat und am Ende natürlich der Gesamtverwaltungsrat zuständig.

      In jedem Verwaltungsrat gibt es Leute, die HR-sensibler sind als andere. Es gibt aber auch solche, die rein auf Finanzen und Technik ausgerichtet sind; es bringt nichts, sie zu HR-Angelegenheiten nach ihrer Meinung zu fragen.

      Verwaltungsrätinnen äusserten sich dazu wie folgt:

       Direkte Verbindung

      imageEs sei ganz wichtig, dass man anfange, HR-Leute in den Verwaltungsrat zu wählen. Zumindest sollte es eine direkte Verbindung zwischen ihm und dem HR geben.

       Relevanz – Verbesserungspotential

      imageViele Verwaltungsräte bezögen das HR nicht besonders ein und fänden es nicht relevant. Hier gebe es einiges an Verbesserungspotential. Sie habe oft erlebt, dass ein Verwaltungsrat für die Nachfolgeplanung nicht viel gemacht habe, was sich natürlich früher oder später räche. Allerdings müsse man auch aufpassen, dass die Nachfolgeplanung nicht zu einem bürokratischen Albtraum werde.

       Nachfolgeplanung

      imageDie wichtigste Ansprechperson für den Verwaltungsratspräsidenten und den CEO sei der HR-Verantwortliche. Eine der undelegierbaren Aufgaben des Gesamtverwaltungsrates sei die personelle Entwicklung des Topmanagements. Es dürfe nicht sein, dass eine personenbezogene Auslegeordnung nur in einem Kompensationskomitee gemacht werde; darüber müsse der ganze Verwaltungsrat


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