Persönlichkeit führt. Dietmar Hansch
in Richtung Eigeninitiative und Selbstverantwortung zu coachen (»Empowerment«). Dafür muss man sich in andere einfühlen können, man muss ihre Potenziale und Interessen erkennen und kommunikationsfähig sein. Der zentrale Quell für diese Kenntnisse und Kompetenzen ist die Selbsterfahrung. Es gilt, persönliche Meisterschaft zu erwerben, um andere zu persönlicher Meisterschaft coachen zu können.
Komplexitätsmanagement
2. Die Anforderungen in Führung und Management sind zunehmend gekennzeichnet durch: Komplexität, Intransparenz, Beschleunigung, Unberechenbarkeit und Variantenreichtum. Eine Fülle von Fakten, unscharfen Eindrücken und vagen Wahrscheinlichkeiten muss von der Führungskraft oft innerhalb kürzester Zeit zu Entscheidungen integriert werden. Was über die Steuerung des eigenen Verhaltens gesagt wurde, gilt hier natürlich in besonderem Maße: Komplexe Managementanforderungen sind nicht allein dadurch zu bewältigen, dass unser bewusstes Ich mit algorithmischer Logik Schritt für Schritt die Checklisten aus dem Führungshandbuch abarbeitet.
Das »Hauptorgan« für den Umgang mit Komplexität sind Intuitionen (»Bauchgefühle«), die aus der Führungspersönlichkeit als Ganzheit erwachsen. Die Persönlichkeit wird zum entscheidenden Diagnose- und Managementinstrument des modernen Leaders.
Persönliche Meisterschaft
Was heißt es also heute, Führung zu lehren? Nun, im Kern nichts anderes, als dazu anzuleiten, eine komplexe, gut integrierte und auf Führungsprobleme meisterlich eingestimmte Persönlichkeit zu entwickeln.
Mitarbeiter-Empowerment und Komplexitätsmanagement – so könnte man also die zwei zentralen Herausforderungen moderner Führung auf den Begriff bringen. Und auf beide lautet die Antwort: Entwicklung persönlicher Meisterschaft. Folgerichtig liegt das Schwergewicht dieses Buches auf den Prinzipien der Entwicklung persönlicher Meisterschaft. In den letzten Kapiteln werden diese dann zu den Prinzipien der (Mitarbeiter-)Führung erweitert.
Die vier tragenden Säulen dieses Buches
Lassen Sie uns zum Abschluss dieser Einführung noch so etwas wie die vier tragenden Säulen von Psychosynergetik und persönlicher Meisterschaft skizzieren.
Grundsätzlich und langfristig betrachtet, hängen Erfolg, Glück und Gesundheit zusammen. Wie Studien gezeigt haben, fördern positive Gefühle Kreativität und Leistung. Erzielte Erfolge steigern das Glück. Glück und Erfolg nun wiederum fördern die Gesundheit.
Glück und Erfolg lassen sich auf dreierlei Weise erreichen:
1. Innere Freiheit – das »Buddha-Prinzip«
Begierden loslassen
Wenn es uns gelänge, unserer Wünsche und Begierden weitgehend Herr zu werden und sie da zum Schweigen zu bringen, wo sie nicht erfüllbar sind, dann wäre uns ein Zustand dauerhafter Zufriedenheit sicher. Entsprechend dienen die Prinzipien, Übungen und Techniken der inneren Befreiung dem Ziel, die eigenen Gefühle weitgehend unter Kontrolle zu bringen: positive Gefühle stärken, negative Gefühle abschwächen. Wir wollen lernen, Stressspannungen unter möglichst allen Bedingungen zu lösen und einen Zustand der entspannten Offenheit aufrechtzuerhalten. In diesem Zustand sind wir am sensibelsten auch für schwächste Umweltsignale und können im Handeln unsere angeborenen und gelernten Potenziale am besten entfalten.
Folgende Konzepte und Methoden gehen hier ein: Buddhismus und östliche Weisheitslehren, kognitive Verhaltenstherapie, Evolutionspsychologie, Grundlagen der Erkenntnisfunktionen (Synergetik des Gehirns, evolutionäre Erkenntnistheorie, Konstruktivismus).
2. Inneres Wachstum – das »Superman-Prinzip«
Kompetenzen entwickeln
Ein zweiter Weg zu Erfolg und Glück sieht so aus: Wir stärken unsere Fähigkeiten und Kompetenzen maximal, um unsere Umwelt weitestgehend in einem uns gemäßen Sinne verändern zu können. Entsprechend fokussieren die Prinzipien des inneren Wachstums auf die Akkumulation von Wissen und innerem Reichtum, auf das Einschleifen meisterlicher Kompetenzen. Insbesondere geht es um den Aufbau eines kohärenten Persönlichkeitskerns mit fest verinnerlichten Überzeugungen, Prinzipien und Werten. Hier haben Charisma, Überzeugungskraft und Durchsetzungsstärke ihren Ursprung, aber auch so wichtige Phänomene wie die Liebe zum Sein (n. A. Maslow).
Folgende Konzepte sind integriert: Ansätze aus der humanistischen Psychologie, die Logotherapie nach V. Frankl, das Flow-Konzept nach M. Csikszentmihalyi.
3. Die selbstentsprechende Nische – das »Paradies-Prinzip«
Sich seine Lebensumstände passend einrichten
Unsere Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit hat natürlich Grenzen. Deshalb ist es sinnvoll und notwendig, seine Stärken, Schwächen, persönlichen Neigungen und Eigenheiten so genau wie möglich kennenzulernen. Dann kann jeder nach einer persönlichen, gesellschaftlichen und beruflichen Nische suchen oder sich eine solche schaffen, die den eigenen Veranlagungen maximal entgegenkommt. Je selbstentsprechender diese Nische ist, desto mehr kann jeder einfach »er selbst« sein und desto mehr fließt das Leben von allein, ohne dass man sich besonders anstrengen müsste. Mit der Erforschung der Talente und Stärken des Menschen hat sich vor allem die positive Psychologie in den letzten Jahren intensiv beschäftigt.
Synergetische Kombination
Wenn wir auch nur eines dieser drei Konzepte mit Absolutheit umsetzen könnten, dann wäre alles gut. Allerdings: Keiner von uns wird zu 100 Prozent Buddhaschaft erlangen oder ein wahrer Superman werden. Und das Paradies wird auch niemand finden. Wie sicher auch Sie schon bemerkt haben, muss man ziemlich lange mit offenem Mund in der Gegend herumstehen, ehe eine gebratene Taube hineinfliegt. Es ist deshalb sinnvoll, diese Prinzipien synergetisch zu kombinieren und auf allen drei Wegen so weit zu kommen wie möglich. Wichtige Wegweiser hierfür bietet Ihnen die Psychosynergetik.
Auch hier gilt allerdings die unbequeme Konsequenz der Wegweiser-Metapher: Gehen müssen Sie den Weg schon selbst.
Doch das lohnt sich in vieler Hinsicht: Das Vorankommen hierbei steigert nicht nur das persönliche Glück, es schafft auch gute Voraussetzungen dafür, auf eine förderliche Weise mit anderen Menschen umzugehen – und das ist Säule Nr. 4.
4. Die Kunst der Mitarbeiterführung – das Aikido-Prinzip
Die unschönen Seiten unseres westlichen Umgangs miteinander zeigen sich im Box»sport«: Man blockt die Energie des anderen ab und versucht, diesen direkt und mit vollem Einsatz der eigenen Energie zu Fall zu bringen. Druck erzeugt hier Gegendruck. Der Energieeinsatz ist hoch und es geht viel kaputt.
Die Eigenenergie des Gegenübers nutzen
Demgegenüber kommt östliche soziale Intelligenz vollendet im Aikido zur Entfaltung. Aikido ist eine »sanfte« asiatische Kampfkunst, in der versucht wird, mit minimalem eigenem Einsatz eine maximale Wirkung zu erzielen. Die Angriffsenergie des Gegners wird dabei nicht durch eigenen Energieeinsatz gestoppt oder gebrochen. Sie wird vielmehr geschickt so umgelenkt, dass sie sich am Ende gegen den Angreifer selbst wendet. Wenn der Gegner etwa einen Faustschlag ausführt, zieht man ihn am Schlagarm, sodass er nach vorn aus dem Gleichgewicht gerät, und führt ihn dann im Halbkreis zu Boden.
Indirektes Führungshandeln
Dies ist ein ideales Modell für kluges Führungshandeln: so wenig und so indirekt wie möglich, dafür aber genau an den richtigen Stellen und zum richtigen Zeitpunkt in die soziale Selbstorganisation eingreifen – und auf diese Weise andere Menschen und Teams soweit es geht aus eigenem Vermögen ans Ziel kommen lassen.