Für Herzlichkeit gibt's keine App. Carsten K. Rath
Service ist die Kunst und das Handwerk, das Gefühl und die Expertise. Service ist das, was Kunden begeistert und Unternehmen rettet. Die Erfüllung der Erwartungshaltung und die Überraschung, wenn sie übertroffen wird. Service ist das A und das O der Kundenorientierung, der Unterschied zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbeschwerde.
Exzellenter Service ist der Anfang und das Ende jeder großen Erfolgsgeschichte, und schlechter Service ist der Anfang vom Ende.
WAS STEHT BEI IHNEN AUF DEM SPIEL?
Was wollen die Kunden von heute und morgen wirklich? Wo stehen wir im Wettbewerb mit der neuen digitalen Konkurrenz? Wie können wir (noch) besser werden? Was werden wir morgen tun, um Kunden zu begeistern? Warum fallen Unternehmen so oft hinter die Kundenerwartungen zurück? Wozu werden wir in einer digitalen Welt fähig sein? Wer sind wir als Führungskräfte und Mitarbeiter, und wenn ja, wie viele?
Fragen über Fragen – und Service ist die Antwort. Egal, was in Ihrem Unternehmen gerade ansteht: Die Antwort ist immer Service. Ob sie vom Silicon Valley bedroht werden, ob Sie mit unzufriedenen Kunden zu kämpfen haben, ob der Umsatz schwächelt oder ob Sie einfach nur die Besten in Ihrer Branche werden wollen: Mit Service kriegen Sie jede Ihrer Herausforderungen in den Griff.
Einem aber gefällt diese Antwort nicht. Und diesen Zeitgenossen möchte ich Ihnen vorstellen, bevor es losgeht, denn er wird Sie durch dieses Buch begleiten. Und seinen besten Kumpel zerren wir auch gleich hinter den Kulissen hervor, denn der eine kann ohne den anderen nicht existieren: der SEMO und der COMO.
Exkurs in die freie Wildbahn: SEMO und COMO – zwei gegen den Kunden
SEMO, der Service Monkey
Gestatten: Das ist SEMO, der Service Monkey. SEMO ist die personifizierte Service-Wüste. Wo er auftaucht, sind wütende Kunden nicht weit. Denn SEMO ist der Wutbürger unter den Dienstleistern: Er ist vor allem anti. Anti Innovation. Anti Empathie. Anti Sonderwünsche. Anti Digitalisierung. Anti Herzlichkeit. Anti Kundenbegeisterung. Anti Freude. Anti alles, worauf man sich persönlich einlassen muss. Für SEMO ist der Kunde eine Bedrohung und die Wünsche des Kunden sind Stolpersteine auf dem Weg in den frühen Feierabend. Er will nicht nachdenken. SEMO steht total auf Prozesse, auf AGB, auf Fristen und auf Kundenabwehrmaßnahmen. „Nein, das geht nicht!“ ist sein Lieblingssatz. Einen Punkt auf der Liste abhaken, das macht SEMO glücklich.
Aber wenn ein Kunde einen Sonderwunsch hat oder gar individuelle Betreuung erwartet, will SEMO weg. Nicht aus Bösartigkeit, sondern aus Hilflosigkeit. SEMO ist eindeutig ein Fluchttier. In einem Satz: SEMO ist der Mitarbeiter, der lieber erst mal den Chef fragt. Es sei denn, er kriegt es selbst hin, den Kunden effektiv zu verprellen.
Mehr muss ich Ihnen über SEMO nicht erzählen. Sie haben längst ein Bild davon, wen ich meine. Denn selbst, wenn es in Ihrem Unternehmen keine SEMOs geben sollte (und ich muss Ihnen leider sagen: Das ist nicht sehr wahrscheinlich), kennen Sie unzählige SEMOs aus leidvoller Erfahrung als Kunde.
Und SEMO ist in seiner Mission, Kunden zu verprellen, nicht allein. SEMO hat einen Bruder im Geiste – und die beiden treten fast immer gemeinsam auf. Denn SEMO ist ein enger Verwandter von COMO, dem Corporate Monkey – dem Protagonisten meines Buches Ohne Freiheit ist Führung nur ein F-Wort. Um ihn geht es hier nicht, doch auch ihm werden Sie in diesem Buch zwangsläufig hin und wieder begegnen – insbesondere in Kapitel 5, wo es um die Wirkung von Führung auf Service-Excellence geht. Denn wo es SEMOs gibt, sind die COMOs nicht weit. Deshalb gestatten Sie mir, Ihnen auch COMO kurz vorzustellen.
COMO, der Corporate Monkey
COMOs sind Führungskräfte mit großen Ambitionen und wenig Engagement. Diese beiden Attribute verwechseln wir gern: Dass jemand ambitioniert ist, heißt ja noch nicht, dass er sich wirklich reinhängen wird. COMOs klettern nur aus einem Grund die Karrierepalme nach oben: Sie sind scharf auf die Kokosnuss, ihren eigenen geldwerten Vorteil. Das Unternehmen ist ihnen egal.
Die COMOs sind die Speerspitze des Monkey Business, wo Freiheit ein Schimpfwort ist. Diese Führungskräfte gibt es in jedem Unternehmen. Auf allen Ebenen sind sie anzutreffen. Von ganz unten in der Hierarchie bis hinauf in den Vorstand. Das sind die Führungskräfte, die sich pudelwohl fühlen im Zwangskorsett der Abhängigkeiten. Sie tragen den richtigen Anzug. Sie hangeln sich mehr oder weniger elegant die Karriereleiter hoch. Sie küssen im Vorbeigehen die richtigen Hintern. Sie scheinen immer den richtigen Riecher zu haben, um es noch einen Schritt weiter nach oben zu bringen. Aber eigentlich ist alles, was sie tun und sagen, irrelevant.
Was sie tun, das nennen sie Führung. Sie jagen alle der gleichen Kokosnuss hinterher. Und diese Kokosnuss, die nennen sie dann auch noch Erfolg. Corporate Monkeys machen Führung durchschnittlich – und durchschnittliche Führung macht Corporate Monkeys.
Dieser Spezies fehlt das, was Führung erst ihren Sinn gibt: der Wille zur Freiheit.
SEMO und COMO: Zwei wie Pech und Schwefel
COMO hat in diesem Buch nur ein Gastspiel. Doch ihn zu kennen ist wichtig, um zu verstehen, wo die SEMOs herkommen. Im staubtrockenen, bürokratiefreundlichen Klima der Abhängigkeit, das die COMOs geschaffen haben, gedeiht die Spezies famos, die Ihnen auf den folgenden Seiten immer wieder begegnen wird: SEMO. Denn COMOs züchten SEMOs. Sie brauchen sie dort, wo ihr gemeinsamer Feind auftritt: an den Schnittstellen des Unternehmens mit dem Kunden. Also: im Service.
COMO braucht SEMO, damit der ihm den Kunden vom Leib hält, mit seinen sich ständig wandelnden Bedürfnissen und Sonderwünschen. Denn die Veränderungen in der Lebenswelt der Kunden sind der Grund für den Wandel in unseren Unternehmen. Und wenn es etwas gibt, das COMO gar nicht leiden kann, dann, etwas verändern zu müssen am bequemen System, das er sich eingerichtet hat. SEMO ist COMOs Wachhund – abgerichtet, um den Kunden zu verbellen. Und SEMO fühlt sich wohl in dieser Rolle. Denn während COMO das Unternehmen egal ist, ist SEMO vor allem der Kunde egal. Er verbellt ihn mit Freude – das ist nämlich einfacher, als auf ihn einzugehen. SEMO, der Wachhund, ist das personifizierte Wartezimmer oder vielmehr: die besonders unfreundliche Sprechstundenhilfe in diesem Wartezimmer. Das Gesicht zur Faust geballt, den Kunden mit gefletschten Zähnen fixiert, macht er brav seinen Job – indem er seinen Job eben nicht macht.
Duo infernale
Deshalb verstehen sich SEMO und COMO so gut: Der eine profitiert von dem System der Abhängigkeiten, das der andere eingerichtet hat. Das System von Weisung und Kontrolle, in dem man immer nur abarbeiten muss und nie nachdenken. COMOs machen alles, nur nicht führen. Und SEMOs machen alles, nur nicht Service.
SEMO und COMO sind zwei wie Pech und Schwefel. Wie Dick und Doof, Starsky und Hutch oder Erkan und Stefan. Wir dürfen über sie lachen, denn Lachen ist der beste Weg zur Erkenntnis. Nur eines dürfen wir dabei nicht vergessen: Der Kunde hat bei diesen beiden rein gar nichts zu lachen. Und es ist an uns, daran etwas zu ändern.
Der Schocker kommt zum Schluss: Wir sind alle ein bisschen SEMO. So wie wir in der Führung auch alle ein bisschen COMO sind. Ich nehme mich dabei nicht aus. Auch ich habe Service von SEMOs gelernt, und Führung von COMOs. Auch ich habe einen langen Weg hinter mir. Auch ich kämpfe immer wieder mal gegen den SEMO und gegen den COMO in mir. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, sich aus dem alten System Weisung und Kontrolle zu verabschieden.