Dem Kunden verpflichtet. Ingrid Gerstbach

Dem Kunden verpflichtet - Ingrid Gerstbach


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ermöglichen das Wissen darum, was genau passiert und inwiefern die einzelnen Elemente das System beeinflussen. So verläuft der Straßenverkehr in der Regel in einem überschaubaren System, das sich kontinuierlich an Veränderungen anpasst. Diese Anpassungsfähigkeit ist nur möglich, weil Menschen im System Muster erkannt haben, die im Laufe der Zeit entstanden sind bzw. die erst dann sichtbar werden, wenn es zu einer anderen Ausführung als der geplanten kommt. Wenn das System nun mit einem seltenen Ereignis konfrontiert wird, wie beispielsweise einer Eruption oder einem Hurrikan an Orten, die sonst nicht mit solchen Phänomenen zu tun haben, ist das System überfordert.

       Umgang mit komplexen Systemen

      Lassen Sie uns weitere Besonderheiten bei der Analyse von komplexen Situationen näher ansehen.

       Prognosetools

      Manager, die mit komplexen Systemen konfrontiert sind, können verschiedene Schritte unternehmen, um ihre Vorhersagefähigkeiten zu verbessern. Ein solcher Schritt liegt im Abschied von Prognosetools: Viele analytische Hilfsmittel suggerieren, dass Beobachtungen von Phänomenen unabhängig sind. Das stimmt in gewissen Fällen für einfache bzw. komplizierte Systeme, gilt aber niemals bei komplexen Systemen. Denn gerade in diesen komplexen Systemen sind die einzelnen Elemente stark miteinander verbunden. Ein Beispiel dafür ist der Schmetterlingseffekt: Wenn Sie etwas im Kleinen anstoßen, können Sie so eine Kette von Ereignissen auslösen, an deren Ende eine enorme und meist unvorhersehbare Konsequenz steht.

      Nehmen Sie Ausreißer als Hinweise wahr. Während bei alltäglichen Phänomenen und Systemen die Vorhersehbarkeit sehr gut ist, haben komplexe Systeme eine ausgesprochen schlechte Vorhersagbarkeit. So produziert ein komplexes System unerwartete Ergebnisse, die scheinbar aus dem Nichts kommen (wie zum Beispiel eine Massenpanik oder Marktzusammenbrüche auf Kapitalmärkten). In der Medizin gibt es Dutzende gute Beispiele dafür: Nehmen wir mal die Zulassung von neuen Medikamenten. Bei manchen Medikamenten kommt es zu Wechselwirkungen, die Probleme verursachen. Wenn nun klinische Studien einige potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen bei einer gewissen Gruppe an Patienten zeigen, bedeutet das nicht automatisch, dass dies beim statistisch durchschnittlichen Patienten ebenso wäre. Die Behandlung von noch weitgehend unerforschten Krankheiten ist ein sehr komplexes System, auf das auch so reagiert werden muss – und auf das nicht die Logik eines komplizierten Systems angewendet werden kann. Komplexe Systeme treffen häufiger auf Ereignisse, die weiter vom Durchschnitt entfernt sind, als wir denken. Analyseprogramme, die Ausreißer nicht beachten bzw. als selten einstufen, verschleiern dadurch auch die vielen Variationen, die es in komplexen Systemen gibt.

      In der Wirtschaft findet sich das Problem der Vorhersagbarkeit vor allem beim Kundenverhalten. Oft wird nach Durchschnittsantworten gesucht, auf deren Basis dann Vorhersagen getroffen werden. Dabei wäre mancher Ausreißer interessanter als der Durchschnittsfall (siehe Methode »Extreme User« in Kapitel 4). Bei komplexen Problemen und Herausforderungen, die uns in unserem normalen Alltag sonst nicht begegnen, stoßen wir auch auf ein Verhalten, das nicht »normal« ist. Wie zum Beispiel bei einem Beratungsfall, bei dem ich beobachten konnte, was passiert, wenn auf Probleme mit Panik reagiert wird. Um negative Publicity zu vermeiden, entschied sich der Aufsichtsrat eines großen Unternehmens, aufgetretene Qualitätsprobleme so weit wie möglich zu vertuschen. Ein Fehler, wie sich später gezeigt hat. Denn hätte das Unternehmen verstanden, dass die seinerzeit sichtbaren Qualitätseinbußen auf tiefere Probleme hinwiesen, hätte es das viele Geld, das es in die Vermeidung einer Publikation über dieses Problem gesteckt hat, besser in die Verbesserung investiert und dadurch sogar neue Märkte erschließen können.

       Das Verhalten innerhalb eines Systems

      Anstatt von Medianen oder anderen für den entsprechenden Kontext irrelevanten Zahlen auszugehen, suchen Sie nach Modellen, die Ihnen einen wirklichen Einblick in das System und die Art und Weise geben, wie die verschiedenen Elemente miteinander interagieren. Beispiele hierfür sind Customer-Relationship-Management-Systeme. Damit können Sie sehen, wie der Kunde auf verschiedene Arten von Werbung reagiert. Wenn Sie solche Systeme nutzen, dann achten Sie vor allem darauf, dass das Prognosetool auch extreme Beispiele mit geringem Wahrscheinlichkeitseintritt und hoher Auswirkung berücksichtigt. So haben Komplexitätsforscher beobachtet, dass jedes Jahr in Kalifornien rund 16 000 kleinere Erdbeben auftreten, aber ein wirklich großes Erdbeben allenfalls alle 150 bis 200 Jahre passiert. Das durchschnittliche Erdbeben ist also nicht sehr gefährlich. Dennoch wäre es ein schlechter Rat, deswegen Bauvorschriften auf das durchschnittliche Erdbeben auszurichten. Derselbe Grundsatz gilt auch im Innovationsmanagement: Was am wichtigsten ist, ist immer das Extreme mit der unwahrscheinlichsten Umsetzung – nicht das Wahrscheinlichste.

       Drei Arten von Vorhersagetechniken

      Wenn es unmöglich ist, die Zukunft in einem komplexen System genau vorherzusagen, aber Unternehmen trotzdem wissen müssen, welche Entscheidung zukünftig die beste sein wird, was sollen Führungskräfte dann machen? Wie können sie den Spagat zwischen den unwahrscheinlichsten und den wahrscheinlichsten Szenarien schaffen? Wie können sie sich auf einen Weg einigen, ohne zu sehr auf vergangenes Wissen zu setzen?

      Ich empfehle Managern, explizit zu erläutern, was sie aus früheren Erfahrungen heraus für sinnvoll erachten und was dieses Mal anders sein sollte. In diesem Kontext lassen sich die Daten nach ihrem Zeithorizont differenzieren:

      1.Vergangene Daten darüber, was bereits passiert ist: Die meisten Kennzahlen und Indikatoren fallen in diesen Bereich.

      2.Aktuelle Daten darüber, wo Sie gerade stehen: Hier zeigt sich der Raum der verschiedenen Möglichkeiten.

      3.Zukünftige, also spekulative Daten darüber, wohin die Dinge gehen könnten und wie das System auf eine Reihe von verschiedenen Möglichkeiten reagieren könnte.

      Wenn ein Großteil dieser Informationen nicht zugänglich ist oder mühsam erst zusammengetragen werden muss, ist das ein Warnsignal. Basieren Entscheidungen hauptsächlich auf Indikatoren, die erst aufgedeckt werden müssen, bedeutet dies im Wesentlichen, dass die Zukunft der Vergangenheit entsprechen wird. Zumindest einige Ihrer Daten sollten im vergangenen oder gegenwärtigen Bereich liegen. Denn zukünftige Daten sind per Definition unklar und subjektiv: Die Zukunft ist ja noch nicht passiert. Aber ohne Annahmen und den Mut zu Neuem wird keine Veränderung passieren.

       Minimieren Sie das Risiko

      Die Minimierung von Risiken ist für jeden, der für ein komplexes System verantwortlich ist, von entscheidender Bedeutung. Das Problem dabei ist, dass herkömmliche Ansätze meistens nicht weit genug greifen. Die Führungskräfte sind noch dabei, zu lernen, nicht in Grenzen zu denken und offen für Neues zu sein. Es geht auch darum, sich vom Zwang genauer Vorhersagen zu verabschieden.

      In einer Welt voller Überraschungen sind manchmal die besten Investitionen und Entscheidungen die, die die Bedeutung von Vorhersagen minimieren. Nehmen Sie beispielsweise das Produktdesign. In einem herkömmlichen System müssen Hersteller erraten, welche Funktionen die Kunden zu welchem Preis kaufen werden und welche nicht. Unternehmen gehen oft das hohe Risiko ein, dass sie falsch liegen – vor allem bei komplexen Produkten. Natürlich können Sie diesen Unsicherheitsfaktor teilweise minimieren. Sie können Systeme entwickeln, in denen der Nutzer selbst für seine Entscheidungen verantwortlich ist, also Systeme, die es ihm ermöglichen, die gewünschten Ergebnisse selbst herbeizuführen. Beispiele sind Autos oder auch Schranksysteme, die der Käufer online konfigurieren kann.

       Trennung von Elementen

      Manchmal können Elemente eines komplexen Systems voneinander getrennt werden, um die möglichen Konsequenzen zu verringern, wenn doch etwas schiefgehen sollte. Durch diese Trennung können Sie Teile eines Unternehmens vor den Risiken eines unerwarteten Ereignisses schützen, aber gleichzeitig


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