Führen ohne Psychotricks. Frank Hagenow

Führen ohne Psychotricks - Frank Hagenow


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sehen sicherlich auch in Ihrem eigenen Umfeld immer wieder, dass unser Handeln keineswegs immer nur von einer bestechenden Logik und Weitsicht geprägt ist. Oftmals handeln wir sogar wider besseres Wissen, nur weil es unserem kurzfristigen Wunschdenken und der aktuellen Bedürfnisbefriedigung entspricht.

       Alles Hokuspokus: Was Führungskräfte von Houdini, Copperfield & Co. lernen können

       Ein Exkurs in die Welt der Zauberer

      Seit meiner Kindheit bin ich von der Zauberei fasziniert. Und auch noch heute baue ich mit großer Freude den einen oder anderen magischen Trick in meine Vorträge und Seminare ein. Meine Kunststücke wähle ich immer mit einem Bezug zur Businesswelt aus, indem ich die Themen mit Zaubertricks verbinde. Angefangen hat bei mir alles, wie wohl bei fast jedem Kind, mit einem Zauberkasten, den ich zum Geburtstag geschenkt bekam. Und weil der kleine Frank sich so für die Magie begeisterte, gab es dann zu Weihnachten und Ostern die nächsten Zauberkästen. Vielleicht lag es auch daran, dass meinen Familienmitgliedern nach meinen zahlreichen Vorführungen die Begeisterung für mein überschaubares Vier-Trick-Repertoire dann doch irgendwie ausging. Ich habe jedoch schnell gemerkt, dass diese Kinder-Zauberkästen immer nur einen oder zwei wirklich akzeptable Tricks beinhalteten – der Rest war entweder leicht zu durchschauen oder lieblos gefertigt. Oder zu langweilig oder viel zu kompliziert für ungeübte Kinderhände. So fing ich an, mich erstmals für die Tricks der wirklichen Magier zu interessieren und habe schon damals einen Großteil meines Taschengelds in professionelle Zaubertricks investiert.

      Deshalb nehme ich Sie jetzt auch auf einen kurzen Exkurs in die Welt der Zauberer mit. Denn Zaubertricks bieten sich gut als Parallele zur Businesswelt an, da sie viel mit dem Thema Führung zu tun haben. Einerseits, weil es in der Welt der Magier um Illusionen und Manipulation geht, ohne dass jemand daraus einen Hehl machen würde. Andererseits, weil es auch bei magischen Tricks ein klares Ziel und einen vorher festgelegten Weg gibt, auf dem der Zuschauer mitgenommen werden soll. Der Vorführende ist eindeutig im Vorteil, weil er schon vorher weiß, was passieren wird. Er hat sich sein Vorgehen genau überlegt und den Trick im Idealfall vorher viele Male geübt. Er verfügt über Erfahrung, die dem Zuschauer fehlt. Und er besitzt Kenntnisse sowie entsprechende Hilfsmittel. Dennoch lautet ein wichtiges Prinzip für Zauberkünstler: Tricks werden nicht wiederholt. Warum? Weil beim zweiten Mal jeder weiß, worauf es hinausläuft und sich auf die Schlüsselstellen konzentriert. Der Überraschungsvorteil des Vorführenden ist dahin und der Zuschauer hat jetzt nur noch den Ehrgeiz, hinter das Geheimnis zu kommen. Damit steigen die Chancen ganz erheblich, den Trick zu durchschauen und damit die Illusion zu entzaubern. Das will natürlich kein Zauberer. Manchmal hat der Zuschauer, der bei einem Trick mitmacht, auch das Gefühl, sich frei zwischen verschiedenen Alternativen entscheiden zu können. Tatsächlich aber wird er auf das vorher festgelegte Ergebnis manipulativ hingelenkt.

      Zaubertricks leben also von der Illusion und davon, dass möglichst niemand hinter das Geheimnis kommt. Selbst wenn vollkommen klar ist, dass es dabei einen Trick geben muss, bleibt das große Fragezeichen: »Unglaublich! Wie hat er das gemacht?« Wenn das Trickgeheimnis aber entdeckt wird, bricht die Bewunderung für den Künstler sofort zusammen und weicht der Geringschätzung und Enttäuschung: »Ach, so einfach ist das? Na, wenn man das so macht, ist das ja nichts Besonderes mehr.« Vielleicht erinnern Sie sich noch an Uri Geller, der Mitte der 1970er-Jahre vor einem breiten Fernsehpublikum auftrat und Löffel sowie Gabeln verbog. Geller behauptete, dies tatsächlich durch seine übernatürlichen Kräfte und telekinetischen Fähigkeiten bewirkt zu haben. Vollkommener Humbug, wie sich später herausstellte, denn die Utensilien waren vorher manipuliert worden. Geller wurde als simpler Zauberkünstler entlarvt und aufgrund der Täuschung des Publikums sogar von vielen als Scharlatan betrachtet. Heutzutage geben viele Magier ganz unumwunden zu, dass alles, was sie tun, nur eine Illusion ist, und fordern das Publikum explizit dazu auf, hinter den Trick zu kommen.

      Was können nun aber Führungskräfte von professionellen Tricksern wie Houdini, Copperfield & Co. lernen? Im Wesentlichen zweierlei: Einerseits können sie im positiven Sinne eine Parallele zu ihren Kernkompetenzen und Hauptaufgaben ziehen, denn wie bei guten Zauberkunststücken bedarf eine gute Führung der umfangreichen Vorbereitung und sollte mit Erfahrung und klaren Zielen verbunden sein. Hilfreiche Führung macht klare Vorgaben und nimmt Mitarbeiter an die Hand, wenn es erforderlich ist. Und weil hier der Teufel oftmals im Detail steckt, tun auch Führungskräfte gut daran, ihre Hausaufgaben zu machen, sich umfassend vorzubereiten und möglichst wenig dem Zufall zu überlassen.

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       Außerdem wird an diesem kleinen Exkurs in die Welt der Magier deutlich, warum Führungskräfte auf den Einsatz von Psychotricks verzichten sollten.

      Im realen Berufsleben geht es ja meistens nicht darum, eine Performance mit Unterhaltungswert vorzuführen – außer Sie sind Zauberkünstler. Im Berufsleben hinterlässt ein Manipulationsversuch beim Gegenüber jedoch sehr schnell das Gefühl, hereingelegt worden zu sein. Der vermeintliche Vorteil wird dem Anwender missgönnt. Das hat mit dem Vergnügen einer Zaubertrickvorführung nichts mehr zu tun. Für den kurzen Moment wird zwar eine Illusion erzeugt, die im Idealfall vielleicht sogar ihr Ziel erreicht und damit zunächst die gewünschte Wirkung erzielt. Langfristig lässt sich der erschlichene Erfolg aber beim selben Mitarbeiter ebenso wenig wie beim selben Publikum reproduzieren. Vollkommen gleichgültig, wie ausgefeilt der Trick auch sein mag: Er ist und bleibt eine Illusion. Und Illusionen sind in der Realität nun einmal nicht dazu geeignet, eine dauerhafte, stabile Beziehung zu etablieren. Auf die Täuschung folgt die Ent-Täuschung. Diese ist vorprogrammiert, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Opfer dem Täter auf die Schliche kommt. Dabei spielt es auch gar keine Rolle, ob es sich um die Beziehung zu unserem Mitarbeiter, Chef, Lebenspartner oder Kunden handelt.

       Der hohe Preis der Manipulation

      Weil wir gerade so nett mit den Zaubertricks unterwegs waren, fällt mir eine weitere Episode aus meiner Kindheit ein, in die wir nun kurz zurückreisen: Ende der 1960er-Jahre gibt es bei uns Zu Hause einen einfachen Schwarz-Weiß-Fernseher und drei Programme. Der ist fast so groß wie unser Kühlschrank und braucht nach dem Einschalten aufgrund seiner vorsintflutlichen Röhrentechnik noch etwa drei Minuten Vorglühzeit, bis das Bild mit einem Knistern auf der Mattscheibe aufflackert. Und es gibt wohl auch schon den Begriff der Fernbedienung, denn eine Bedienung dieses Geräts vom Sessel aus liegt noch in weiter Ferne. Da muss man schon aufstehen und direkt am Gerät einen der fünf Knöpfe drücken. Meine Eltern leisten sich eine Fernsehzeitschrift, in der sich der kleine Frank gern die bunten Bilder zu den kommenden Filmen anschaut. Aber der kleine Frank kennt die Uhr mit dem großen und dem kleinen Zeiger noch nicht so richtig. Und deshalb weiß er auch erst recht nicht, was sich hinter den kryptischen Zahlen verbirgt, die die Anfangszeiten der Fernsehsendungen verkünden. 13:30, 16:45 oder 20:00 (»zwanzig-nullnull«). Relativ schnell wird nun aber selbst dem kleinen Frank klar, dass die wirklich interessanten Sendungen auffallend häufig um zwanzig-nullnull gesendet werden. Spannend, spannend. Wenn der kleine Frank doch nur wüsste, ob zwanzignullnull noch eine Uhrzeit ist, zu der kleine Kinder noch fernschauen dürfen. Und an welche unerschöpfliche Quelle der Weisheit wendet man sich im zarten Kindesalter mit einem so quälenden Informationsdefizit? Na sicher doch: an Mama. Mama kennt nicht nur die Uhr schon ganz genau, sondern sie kann unter günstigen Voraussetzungen auch eine Zuschau-Erlaubnis erteilen. Und was bekommt der kleine Frank zu hören, wenn er danach fragt, ob er den Cowboy-Film um zwanzig-nullnull noch anschauen darf? Dann sagt Mama: »Das ist so spät, kleiner Frank, das schauen sich sogar Mama und Papa nicht mehr an.« Aha, zwanzig-nullnull ist also offenbar mitten in der Nacht. Ganz, ganz spät, wenn auch von den Großen keiner mehr wach ist.

      Lange habe ich in dem Bewusstsein gelebt, dass zwanzig-nullnull eine fremde Zeitgalaxie sein muss ist, in der nur ganz verwegene Gestalten noch vor dem Fernseher sitzen, und ich habe mich damit getröstet, dass auch Mama und Papa so spät nicht mehr wach sind. Und dann passiert es. Eines Abends. Der kleine Frank wird durch irgendetwas aus dem Schlaf geweckt und schlurft schlaftrunken ins


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