Revolution? Ja, bitte!. Andreas Buhr
DHL auch auf Städte ausgedehnt;26 allerdings müssen zuvor noch einige administrative und technische Fragen gelöst werden.
Papierdrucker sind langweilig
Sie wollen ein Haus bauen?
Warum drucken Sie es nicht?
Drucken? Ja, Sie haben richtig gelesen. Mithilfe von digitalen 3-D-Druckern, die Sand und Beton Schicht für Schicht aufeinanderfügen, können Sie Ihr Eigenheim in Zukunft selbst bauen. Darüber denkt man auch bei der UNO-Flüchtlingshilfe nach. Denn solche Häuser aus dem 3-D-Drucker können innerhalb von 24 Stunden gebaut werden, Fenster und Türen inklusive. Kosten: rund 10 000 Euro.27
Die runden Häuser aus dem Drucker könnten eine enorme Hilfe sein bei dem Versuch, Flüchtlinge menschengerecht unterzubringen. Kälte und Hitze könnten ihnen dann nichts mehr anhaben. Auch nicht der übergriffige Nachbar. Sicherer als Zelte wären die Häuser allemal. Auch die Privatsphäre der Flüchtlinge, die in Heimen oder in Zeltstädten immer bedroht ist, wäre gewahrt. Von solchen Häusern im Schnelldruckverfahren könnten nicht nur Menschen in Not profitieren, sondern auch Menschen in Deutschland, denen bisher der Bau eines Eigenheims zu teuer war.
Die 3-D-Drucker können aber noch mehr: von der Beinprothese bis zum Kabelbinder fast alles. Revolutionär an den 3-D-Druckern ist, dass dank ihnen niemand mehr auf die industrielle Produktion angewiesen ist. Die Produktion wird mit dem 3-D-Drucker dezentralisiert. Jeder kann in Zukunft produzieren: sein eigenes Haus genauso wie sein Traumauto.28 Da tauchen ganz neue Fragen auf, etwa die, was das generell für die Industrieproduktion in Deutschland bedeutet. Genauso grundsätzlich ist die Frage nach Papiergeld und Münzen, die wir nicht mehr brauchen werden, wenn wir in Zukunft mit Bitcoins, jenem digital erzeugten Geld im Netz, bezahlen.
Geld aus Algorithmen
Wenn Island nicht so kalt wäre, wäre das Angebot an Bitcoins, der virtuellen Kryptowährung, die das Geld ersetzen soll, deutlich geringer. Denn die Computer, die neue Blöcke in der sogenannten Blockchain und damit den Wert der Bitcoins erzeugen, brauchen Kühlung. Viel Kühlung. Diese braucht wiederum viel Strom und ist damit sehr teuer. Zum Glück aber hat Island sehr viel kalte Luft und durch die heißen Quellen sehr günstigen Ökostrom. Dennoch muss Marco Streng, einer der Bitcoin-Pioniere, rund eine Million Euro an Stromkosten monatlich zahlen.29 Für ihn ist das günstig. Deswegen befinden sich dort, irgendwo in den tiefen Erdschichten der Wikingerinsel – die exakte Lage der Mine ist ein Geheimnis –, die Computer, die die Bitcoins digital herstellen. Bitcoins, das muss man wissen, sind, obwohl digital erzeugt, endlich. 21 Millionen Einheiten dieser zufälligen Zeichenfolgen werden irgendwann erreicht sein und dann ist Schluss. Die virtuelle Geldmenge ist also begrenzt. Gerade das aber macht die Bitcoins so wertvoll, denn dadurch sind sie inflationsunabhängig, so wie Gold und Silber. In Zeiten, in denen die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank seit Jahren die Inflation anheizt, ist das kein unwichtiges Argument.
Doch für die Währung aus dem Netz sprechen noch mehr Gründe. Der wichtigste: Der Geldtransfer ist unabhängig von Banken und geht wesentlich schneller über die Bühne, weil keine Institution zwischengeschaltet ist. Wer sich fragt, warum er sein Konto digital selbst verwaltet, also alle Tätigkeiten macht, die zuvor die Bank für ihn gemacht hat, er aber die Kontoführungsgebühren weiterzahlen soll, findet mit Bitcoins vielleicht einen Weg, sich diese Fragen nicht mehr stellen zu müssen. Eine Welt ohne Banken ist möglich. Dank der Null und der Eins. Das lässt auch viele Finanzdienstleister aufhorchen. Ihr Ziel ist es, einzelne Dienstleistungen anzubieten, die heute noch von Banken erledigt werden, etwa Überweisungen. Die Universalbank, die alle Bankgeschäfte tätigt, ist bald nur noch ein Relikt. Voraussichtlich wird es Banken irgendwann nicht mehr geben.
TONI LANE CASSERLY:
»Bitcoins verändern die Welt«
(Copyright: M. Kathleen Kelly)
Toni Lane Casserly ist Bitcoin- und Blockchain-Expertin. 2011 trat sie in die Bitcoin-Welt ein. Seitdem wird sie in der Branche als »Jeanne d’Arc der Bitcoins« gefeiert. Casserly ist Mitbegründerin von Cointelegraph, einem der größten Medien-Netzwerke der Blockchain-Branche. Sie berät zurzeit mehrere Organisationen, unter anderem SingularityU, HBSC sowie die Vereinten Nationen. Darüber hinaus beschäftigt sie sich auch mit humanitären Fragen; so hat sie sich für die Bekämpfung des Ebola-Virus in Sierra Leone eingesetzt.
Andreas & Florian: Guten Morgen, Toni. Bei uns ist es Mitternacht, bei dir in San Francisco ist es erst 15 Uhr. Wir wissen, dass es momentan einen riesigen Hype um Bitcoins gibt und du daher wenig Zeit hast. Danke, dass du dir trotzdem Zeit für uns nimmst.
Toni: Kein Problem. Ich rede wahnsinnig gerne über diese vielen positiven Entwicklungen und hoffe, dass wir durch das Gespräch auch andere für dieses Thema begeistern und überzeugen können!
Florian: Dann haben wir richtig Glück gehabt!
Toni (lacht): Genau!
Andreas: Dann legen wir direkt mit den ersten Fragen los: Viele Menschen finden Bitcoins und Blockchains geheimnisvoll. Was ist das Geheimnis, Toni? Kannst du es uns erklären?
Toni: Es gibt keins. Im Gegenteil: Bitcoins und Blockchains leben von der Transparenz, nicht vom Geheimnis. Es ist eigentlich ziemlich simpel: Bitcoins sind virtuelles Geld, das entsteht, wenn ASIC-Chips komplexe mathematische Aufgaben lösen. Ihr könnt es euch so vorstellen: Wird ein solches Problem von einem Computer gelöst, applaudieren die anderen Computer und bestätigen somit die Richtigkeit der Lösung. Als Belohnung werden die Bitcoins dem »Sieger-Computer« zugeteilt. Wenn dies geschieht, spricht man von Mining, als ob man in einer Mine Gold »schürfen« würde. Die Blockchains sind die Technologie, die dahintersteckt. Sie sind eine Art Register, in dem die Bitcoin-Transaktionen, also der Transfer von einem zu einem anderen Nutzer, protokolliert sind. Da jeder Nutzer ein Protokoll dieser Transaktionen besitzt, sind alle diese Transaktionen nachvollziehbar. Das schafft Vertrauen und Sicherheit. Ihr seht: Bitcoins und Blockchains sind das Gegenteil von einem Geheimnis. Es ist auch für alle Nutzer sichtbar, wie viel Geld ein bestimmter Nutzer besitzt, ohne jedoch den konkreten Namen dieses Nutzers zu kennen. Die Privatsphäre bleibt trotz aller Transparenz geschützt.
Florian: Trotzdem finden viele Menschen Bitcoins geheimnisvoll …
Toni: Diese Wahrnehmung teile ich mit dir! Ich denke, dass Veränderung und Transformation immer etwas Mysteriöses haben, weil sie auch immer ein Stück unvorhersehbar sind. Virtuelles Geld ist etwas Neues für die meisten Menschen, unabhängig von ihrer Bildung oder ihrem Status. Doch Papiergeld war irgendwann auch einmal völlig neu. Genau wie beim Papiergeld wird es erst dann zu einem akzeptierten Zahlungsmittel, wenn möglichst viele Menschen diesem Geld einen Wert zuschreiben und Vertrauen in dieses Zahlungsmittel haben. Der Unterschied ist jedoch gravierend, denn der Wert des Geldes entsteht bei Bitcoins durch seine Nutzung und die Nutzer selbst, statt von zentralen Institutionen bestimmt zu werden. Wer das seltsam findet, sollte sich vergegenwärtigen, dass es mit dem Bargeld nicht anders ist. Eine 20-Dollar-Note ist vom Material her keine 20 Dollar wert. Das wissen wir alle, dennoch bezahlen wir damit. Wir sind es, die der Dollarnote diesen Wert zuschreiben. Es ist ein allgemein akzeptiertes Währungsmittel.
Andreas: Lange Zeit hat sich kaum jemand für das Thema Bitcoin interessiert.
Toni: Das ist auch gar nicht so schlimm oder verwunderlich. Viele Menschen verstehen nur die Welt, die sie kennen.