Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis. Walter G. Pfaus

Mörder sind nicht zimperlich: 10 Krimis - Walter G. Pfaus


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blieb also in Petersburg. Und ich hoffte, dass Victor etwas für mich tun konnte oder besser gesagt: Dass er etwas für mich tun >wollte<. Denn darauf kam es letztlich an. In Petersburg passierte kaum etwas, was Victor nicht >wollte<.

      Und wenn ich ihn nicht auf meine Seite bekam, hatte ich schlechte Karten.

      Ich hing also in der Stadt herum. Nicht, dass Petersburg eine Stadt wäre, in der man nicht herumhängen könnte, ohne dass man das als Herumhängen empfindet. Immerhin gibt es dort gut gepflegte Prostituierte und ein paar interessante Clubs. Okay, kulturell ist auch was los. Aber das war schonmal besser. Unfreiheit ist Gift für die Kunst. Und das erwies sich auch in dieser Stadt. Leider.

      Victor schickte mir eine Nachricht.

      Ich solle in einen bestimmten Club kommen, dessen Name ich jetzt ganz bestimmt nicht nennen werde. Sonst kann ich mich da nie wieder blicken lassen. Vielleicht kann ich das sowieso nicht. Okay, aber ich will die Dinge der Reihe nach erzählen und nicht vorgreifen.

      Ich traf Victor dort also.

      Er schickte die kurvenreiche Schwarze, die bis dahin auf seinem Schoß gesessen hatte, erstmal weg. Er sah ihr nach.

      “Ihr Vater war ein Vertragsarbeiter aus Angola”, sagte er. “Drüben in dem Röhrenwerk hat er gearbeitet.”

      Ich hob die Augenbrauen.

      Mein Blick verlor sich einen Moment an dem Hintern der Schwarzen. Dann war sie nicht mehr zu sehen.

      “Also ihr Vater war Vertragsarbeiter in Leningrad?”, sagte ich.

      “Ja, so hieß das damals hier.”

      “Und seine Tochter ist eine Nutte in St. Petersburg.”

      “Wenn du du das so sagst…”

      “Was dann?”

      “Dann macht das deutlich, was der Kommunismus aus uns allen gemacht hat!”

      “Nur der Kommunismus?”

      Victor lachte. “Lassen wir die Politik aus dem Spiel.”

      “Geht das?”

      “Man verbrennt sich leicht die Zunge dabei.”

      “Mag sein.”

      “Weißt du, wir waren auf dem Weg, ein freies Land zu werden.”

      “Ja, das ist aber schon ein bisschen her.”

      “Ich trauere dem aber immer noch nach.”

      “Ich denke, für dich hat sich nicht viel geändert”, meinte ich.

      “Wieso?”

      “Hast du nicht immer schon gemacht, was du wolltest?”

      Victor lachte. “Ja, da hast du Recht.”

      “Was wolltest du mir sagen, Victor?”

      “Wollen wir nicht erst was essen?”

      “Kein Hunger.”

      “Der Kaviar soll ausgezeichnet sein.”

      “Victor!”

      “Okay…”

      “Spassiba!”

      Er beugte sich zu mir herüber und sprach sehr viel lauter, als ich das von diesem dröhnenden Krachmacher ansonsten gewohnt war.

      “Es gibt da ein Haus.”

      “Ein Haus?”

      “Nicht hier, sondern in Moskau. Es gehört offiziell irgendeiner Firma, aber in Wahrheit ist es das Zentrum der russischen Hackerangriffe, die es in den letzten Monaten gegeben hat.”

      “Gut, dass die Bande eine Adresse hat.”, sagte ich. “Dann kann man was gegen sie unternehmen. Du hast bei mir was gut, Victor!”

      Ich war bereits aufgestanden, als Victor mir ein unmissverständliches Zeichen machte, mich wieder zu setzen.

      “Ich komm darauf zurück”, sagte er. “Auf den Gefallen, den du mir schuldest.”

      “Okay.”

      “Du weißt, wer hinter allem steckt?”

      “Eure Regierung.”

      “Natürlich weiß niemand was Offizielles. Offiziell sind das nur patriotisch eingestellte Cyberkriminelle. Oder politische Aktivisten-Trolle, deren Interessen sich zufällig immer mit denen des Kreml decken.”

      “Schon klar.”

      “Wenn du auffliegst, kann dir niemand helfen, mein Freund.”

      “Ist mir klar, Victor.”

      “Na hoffentlich.”

      “Victor?”

      “Ich denke, wir haben alles besprochen.”

      “Wieso hilfst du mir wirklichlich?”

      “Wegen des Gefallens.”

      “Ach, Quatsch!”

      “Ich kann immer mal jemanden gebrauchen, der jemanden für mich umlegt. Und darin bist du gut. Du warst doch schließlich bei der Fremdenlegion.”

      “War ich.”

      “Na, siehst du!”

      “Ich wüsste gerne die wahre Antwort auf meine Frage, Victor.”

      “Seit wann interessiert dich die Wahrheit?”

      “Na, komm schon!”

      “Okay, dann sage ich die Wahrheit.”

      “Ich höre.”

      “Es ist einfach so, dass ich noch ein paar Rechnungen offen habe.”

      “Und wenn du mir hilfst, hilft dir das, diese Rechnungen zu begleichen?”

      “Sicher.”

      “Ich glaube, mehr muss ich nicht wissen, oder?”

      “Nein, besser du weißt nicht mehr.”

      *

      Ich war also zwei Tage später in Moskau. Ich mietete mir eine Unterkunft und versuchte mich insgesamt so unauffällig wie möglich zu verhalten. Aber darin bin ich gut. Bei verschiedenen Jobs, die ich in den letzten Jahren so erledigt habe, hat mir das mehr als einmal das Leben gerettet. Tarnung ist alles. Das lernte ich schon in der Legion.

      Ich bin sprachbegabt. Das ist immer schon ein Vorteil gewesen. Ich spreche Französisch wie ein Franzose und noch ein Dutzend anderer Sprachen. Mein Russisch ist nicht so gut, dass ich als Einheimischer durchgehe, wenn ich mich auf eine längere Unterhaltung einlasse. Aber das muss man dann eben vermeiden.

      Wenn man einfach nur untertauchen will in der Menge, sich wie ein Fisch im Wasser bewegen und nicht gesehen werden will, dann ist das kein Problem. Aber ich hatte einen Job zu erledigen. Und dazu musste ich ein paar Dinge besorgen, die sofort Aufsehen und misstrauen hervorrufen. Sprengstoff zum Beispiel.

      Glücklicherweise halfen mir meine guten Kontakte. Ich kannte jemanden in Berlin, der wiederum jemanden in Moskau kannte und so weiter. So läuft das Spiel. Und wenn die Leute, mit denen man zusammenarbeitet, auch tatsächlich vertrauenswürdig sind, dann kommt man sogar an Waffen und Sprengstoff und ein paar andere nützliche Kleinigkeiten, ohne dass das weiter auffällt. Selbst in Moskau. Oder vielleicht auch gerade in Moskau. Es gibt nämlich kaum eine andere Stadt, die ich kennengelernt habe, die käuflicher und korrupter ist als Moskau. Das gilt für für die Bordelle, den Straßenstrich und den Kreml in gleicher Weise. Es gibt keine Regeln für diejenigen, die Geld haben.

      Ich bekam schließlich den Sprengstoff, den ich brauchte und auch noch ein paar andere Dinge, auf die ich jetzt im Einzelnen nicht weiter eingehen


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