Gefährliche Reise durch den wilden Kaukasus. Alexandre Dumas
Sonne schien so warm und glänzend, als ob sie ihres Sieges über den Nebel froh gewesen wäre. Es war nicht mehr Herbst, wie in Kislar, es war schon der helle warme Sommer. Große Adler beschrieben, ohne die Flügel zu regen, weite Kreise in der Luft. Zwei flogen von den Steppen herüber und setzten sich auf einen Baum, wo sie im letzten Frühjahr ihr Nest gehabt hatten.
Wir fuhren auf einer schmalen, kotigen Landstraße, die durch unabsehbare Moräste führte. Letztere waren von verschiedenen Sumpfvögeln bevölkert; man sah Pelikane, Trappen, Reiher, Seeraben, wilde Enten. Die Gefahren des Menschen machen die Tiere sicher in diesen Einöden, wo der Jäger zu leicht selbst Wildbret werden kann, als dass er den Tieren eifrig nachstellen möchte.
Alle Reisenden, denen wir begegneten, waren bewaffnet. Ein reicher Tatar, der mit seinem fünfzehnjährigen Sohn und vier Dienern seine Herden besuchte, sah aus wie ein mittelalterlicher Fürst.
Fußgänger waren selten; alle trugen Handschar und Pistole im Gürtel, das Gewehr auf den Schultern. Jeder sah uns mit jener trotzigen Miene an, die aus dem Bewusstsein des Mutes entsteht. Welcher Unterschied zwischen diesen kühnen Tataren und den harmlosen Bauern, die wir auf dem Wege von Twer nach Astrachan gesehen hatten!
Am Kasbekpass
Auf einer der letzten Stationen hatte Kalino gegen einen zurückbleibenden Kutscher die Peitsche erhoben.
»Nimm dich in acht!«, legte der Tatar die Hand an seinen Handschar, »du bist nicht mehr in Russland.«
Ein russischer Bauer hätte den Peitschenhieb geduldig hingenommen.
Wir selbst fingen an, diese Zuversicht, ja diesen Stolz des freien Mannes zu fühlen. Das Bewusstsein, von einer unbekannten Gefahr bedroht zu werden, schien unseren Sinnen mehr Schärfe zu geben, um die Gefahr vorherzusehen, unser Herz mit mehr Mut zu erfüllen, um ihr Trotz zu bieten.
Auf der Station Novo-Utscherydennaja, der letzten vor der gefährlichen Stelle, konnte man uns nur fünf Kosaken zur Begleitung geben. Der Postenkommandant gestand selbst, dass es sehr wenig sei, und riet uns, die Rückkehr seiner Leute abzuwarten.
Ich fragte ihn, ob wir denn in der Nacht reisen müssten. Er antwortete, wir würden auf der Station übernachten und am nächsten Morgen mit einer Bedeckung von fünfzehn bis zwanzig Mann weiterreisen.
»Werden sich Ihre fünf Mann tüchtig wehren, wenn wir angegriffen werden?«, fragte ich den Postenkommandanten.
»Ich bürge für sie; es sind Leute, die ein paarmal in der Woche mit den Tschetschenen Scharmützel haben; keiner von ihnen wird weichen.«
»Dann sind wir acht, das ist genug. Wir wollen fort.«
Ich erinnerte die Leute noch einmal an unseren Verteidigungsplan, falls wir angegriffen würden, dann fuhren wir ab.
Die Sonne senkte sich. Der Kaukasus war wunderbar beleuchtet. Der Fuß der Berge war dunkelblau, die Gipfel waren mit rosigem Licht übergossen, die Zwischenräume gingen durch alle Abstufungen vom Violett bis zum matten Blau. Der Himmel glich flüssigem Gold.
Drei bis vier Werst von uns sahen wir wie eine dunkle Linie den Wald, durch den unser Weg führte. Jenseits des Waldes teilt sich der Weg. Der eine nach Mosdok und Wladikawkas führende Weg durchschneidet den Kaukasus in der Mitte; auf dieser Straße gelangt man über den Darialpass nach Tiflis. Es ist die Poststraße, und die Reise auf derselben ist mit Gefahren verbunden, jedoch sind diese nicht so groß, dass der Verkehr unterbrochen würde. Die andere Straße, die Daghestan berührt, nähert sich der Residenz Schamyls bis auf zwanzig Werst und der Reisende stoße überall auf feindliche Völkerstämme. Hier ist man beständig vom Feinde bedroht; man muss jeden Augenblick erwarten, ihn aus einem Dickicht, aus einer Schlucht, hinter einem Felsen hervorkommen zu sehen. Daher die vielen unheimlichen Namen; man findet hier einen »Blutwald«, dort einen »Räuberfelsen«, dort eine »Mordschlucht« usw.
Wir kamen bald in die Nähe des Waldes. Unsere Kosaken machten ihre Flinten und Pistolen schussfertig und rieten uns, auch unsere Waffen in Bereitschaft zu halten.
Der Abend dämmerte. Die Tataren waren anderswo. Wir fuhren unangefochten durch den berüchtigten Wald und kamen glücklich nach Schukowaja.
Ein Kosak war vorausgeritten, um den Stationskommandanten um ein Nachtquartier für uns zu bitten. Schukowaja ist ein Militärposten; wir hatten uns daher nicht, wie in Kislar, an den Polizeimeister, sondern an den Oberst zu wenden.
Man wies uns zwei Zimmer an, die bereits von zwei jungen russischen Offizieren bewohnt waren. Der eine kam von Moskau, wo er auf Urlaub gewesen war, und begab sich nach Derbent zu seinem Regiment; der andere, ein Leutnant vom Dragonerregiment Nischni-Nowgorod, erwartete eine Abteilung Soldaten, die in der Umgegend Hafer einkaufte.
Der Erstere musste sich in aller Eile nach Derbent begeben; da er aber keine Eskorte verlangen konnte, so wartete er auf eine Fahrgelegenheit, um den gefährlichen Weg zurückzulegen.
Unsere Ankunft war ihm daher äußerst willkommen. Er konnte unsere Eskorte benutzen und in seiner Kibitka zwischen unseren beiden Wagen fahren.
Der andere Offizier war ebenfalls sehr erfreut. Er hatte dem Kislarwein tüchtig zugesprochen, und dieser Wein soll die menschenfreundlichen Gefühle in hohem Grade entwickeln.
DER ABREK
Bei der Ankunft in Schukowaja war meine erste Sorge, mich beim Oberst zu melden.
Schukowaja ist ebenso schmutzig wie Kislar.
Dann eilte ich ins Quartier zurück, um für den Tisch zu sorgen. Die Hausarbeit war bereits getan. Der nach Derbent zurückkehrende Offizier hatte einen armenischen Diener, der in der Zubereitung von Schaschlik sehr geschickt war. Der Wein machte uns keine Sorgen: Wir hatten ja neun Flaschen mitgebracht, und die weinselige Stimmung des Leutnants bewies, dass in Schukowaja an Traubensaft kein Mangel war.
Als wir eben gespeist hatten, erschien der Oberst, um meinen Besuch zu erwidern.
Unsere erste Frage betraf die Weiterreise. Der Postenlauf ist auf einer Strecke von hundertfünfzig Werst unterbrochen, denn kein Posthalter will seine Pferde von den Tschetschenen rauben, niemand sich den Kopf abschneiden lassen.
Der Oberst versicherte uns, dass wir mit den Mietkutschern um achtzehn bis zwanzig Rubel einig werden würden, und versprach, noch denselben Abend Pferdevermieter zu schicken, mit denen wir uns verständigen möchten.
Eine Viertelstunde nach dem Fortgehen des Obersts erschienen tatsächlich zwei Mietkutscher, mit denen wir den Preis von achtzehn Rubeln abschlossen. Dies war für dreißig Wegstunden sehr billig; die Kutscher konnten übrigens mit unserer Eskorte zurückkehren und hatten daher für ihre Pferde nichts zu fürchten.
Voll Vertrauen auf das Versprechen der beiden Schukowajer legten wir uns auf unsere Bänke und schliefen so sanft ein wie auf der weichsten Matratze.
Als wir erwacht waren, ließen wir den Leuten sagen, sie sollten die Pferde schicken. Aber statt der Pferde kamen die Kutscher selbst. Sie hatten sich besonnen; sie verlangten fünfundzwanzig Rubel unter dem Vorwand, es habe in der Nacht gefroren.
Nichts empört mich mehr als ein plumper Betrug. Ohne zu wissen, wie wir weiterkommen würden, warf ich die beiden Kerle zur Tür hinaus und begleitete diese Antwort mit einem russischen Kernfluch, den ich mir für vorkommende Fälle gemerkt und durch Übung mit ziemlicher Reinheit aussprechen gelernt hatte.
»Was ist jetzt zu tun?«, fragte Moynet, als sie fort waren.
»Wir wollen etwas sehr Hübsches sehen – ein Genuss, den wir hätten entbehren müssen, wenn wir es nicht mit den beiden Schurken zu tun gehabt hätten.«
»Was meinen Sie?«
»Im Kaukasus liegt ein hübsches Kosakendorf, das durch die Tapferkeit der Männer und die Schönheit der Frauen so berühmt ist, dass jeder junge Offizier seinen