Arbeits- und Organisationspsychologie. Annette Kluge

Arbeits- und Organisationspsychologie - Annette Kluge


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sich kürzlich zusammen und wollen ihr Angebot 2015 nahezu verdoppeln. Bus-Tickets sind im Vergleich zum Zug weit günstiger, wenn auch die Fahrten im Allgemeinen länger dauern« (Handelsblatt online, 2015a, o. S.).

      Inzwischen hat auch die Deutsche Bahn ihre Fernbus-Aktivitäten eingestellt. Den Markt beherrschte zum Jahresende 2018 mit 95,4 % Flixbus (IGES Institut, 2019).

      Organisationtheorien dienen demnach dem Zweck, das Entstehen (z. B. von Start-ups in der »Garage« wie bspw. bei Microsoft oder Google), das Bestehen (Wie wird aus einem Start-up ein dauerhaft überlebensfähiges Unternehmen? Wie hält sich eine Organisation im Markt, auch wenn sich Technologien verändern?) und die Funktionsweise von Organisationen (Wie funktionieren bspw. Google und McDonald’s?) zu erklären und zu verstehen. Sie dienen damit nach Scherer (1999) implizit oder explizit der Verbesserung der Organisationspraxis.

      Beispiel Niedergang

      Wer heute ein Smartphone verwendet, besitzt sehr wahrscheinlich ein Gerät von Apple oder Samsung. Das war vor einigen Jahren noch anders. Damals hießen die Marktführer Nokia und Siemens. Nokia hat zu seinen besten Zeiten vier von zehn Handys auf der Welt produziert und stand für fast ein Fünftel aller Exporte Finnlands; heute ist es nach Darstellungen in der Wirtschaftspresse nach dem Verkauf der Handy-Sparte an Microsoft nur noch ein Schatten seiner selbst (Handelsblatt, 2015, S. 012).

      Beispiel Veränderung

      »Der größte Internet-Konzern der Welt [google] revolutioniert sich selbst. Als ›Alphabet‹ fühlt es sich nun für alles zuständig, was Fortschritt verheißt. Das Geschäftsmodell ist nicht mehr Web-Suche – sondern Innovation.

      Larry Page rief eine Revolution im eigenen Unternehmen aus. ›Es geht um die Neuerfindung des Konzerns. Um die Umfirmierung des größten Suchmaschinenanbieters zum Geschäftsmodell Innovation mit nahezu unbegrenztem Betätigungsfeld. Quasi die inkorporierte Version von Friedrich Dürrenmatts Suche nach der Weltformel. Nicht zufällig heißt das neue Konstrukt Alphabet, geht es doch um nichts weniger, als Wirtschaft neu zu buchstabieren.‹« (WirtschaftsWoche, 2015 S. 016)

      In den Organisationstheorien wird versucht, die Einflussgrößen auf das Wesen und die Eigenschaften von Organisationen zu ordnen und in ein widerspruchsfreies System von Aussagen über den Gegenstand der Organisationen zu bringen, unter dem Vorbehalt, dass sich diese Aussagen in empirischen Überprüfungen bestätigen lassen (Sanders & Kianty, 2006).

      Jedoch gibt es nicht eine Organisationstheorie, sondern eine Vielzahl von Theorien (Scherer, 1999) und eine Vielzahl von Perspektiven (Hatch & Cunliffe, 2013). Denn Organisationen sind hochkomplexe soziale Gebilde, in denen viele Probleme auftreten können, die einer theoretischen Durchdringung wert sind (Scherer, 1999). Der Gegenstandsbereich der Organisationstheorie ist so breit, dass darunter eine Vielzahl von Unteraspekten fällt, die nur schwer in eine »Supertheorie« integriert werden können. Zu diesen Unteraspekten gehören die Beziehungen zwischen Individuum und Organisation, Team und Organisation, das Verhältnis von Organisation und Umfeld, das Verhältnis von Strukturen und Prozessen oder die Beziehung zwischen verschiedenen Organisationen (Lieferanten, Organisation und Kunden, Scherer, 1999). Organisationtheorien lassen sich demnach grob einordnen in

      • Mikrotheorien (Betrachtungsebene der Individuen in Organisationen),

      • Mesotheorien (Betrachtungsebene von Gruppen, Teams und Abteilungen in Organisationen) und

      • Makrotheorien (Betrachtungsebene von Organisationen in ihren Umfeldern und das Verhältnis zu anderen Organisationen) unterteilen (image Abb. 1.2).

      Gegenstände der Arbeits- und Organisationspsychologie sind auf allen drei Ebenen anzusiedeln. Der Untersuchungsgegenstand der Arbeitspsychologie ist das Erleben und Verhalten des Menschen bei der Arbeit in Abhängigkeit von Arbeitsbedingungen, Arbeitsaufgaben und den dazu erforderlichen Leistungsvoraussetzungen und somit auf der Mikroebene des Arbeitsplatzes zu finden.

      Der Untersuchungsgegenstand der Organisationspsychologie ist das Erleben und Verhalten von Menschen in Gruppen und Organisationen allgemein und in Abhängigkeit von organisationalen Wirkgrößen (Nerdinger, Blickle & Schaper, 2011) und somit auf der Meso- und Makroebene angesiedelt.

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      1.1.1 Die traditionellen Perspektiven auf Organisationen

      Huber (2011) unterscheidet drei traditionelle Perspektiven auf Organisationen. »Perspektiven« müssen weniger hohen Ansprüchen genügen als Theorien und werden ähnlich wie Menschenbilder (s. u.) von einer größeren Anzahl von Personen geteilt, wie z. B. Manager/innen und Führungskräften, ohne empirisch geprüft zu sein.

      Diejenigen, die die rationale Systemperspektive auf Organisationen bevorzugen und teilen, betrachten vor allem den Zweck von Organisationen, wie z. B. die Profitabilität, mit dem Blick auf die Rationalisierung und Formalisierung von Prozessen und Strukturen, um das organisationale Ziel zu erreichen. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Zweckgebundenheit von Organisationen und die Frage, wie Menschen, Stukturen und Technologie so eingesetzt werden können, dass das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Rationalität bezieht sich nicht auf die Auswahl eines Ziels und ob dieses gut oder schlecht, verwerflich oder gesellschaftlich akzeptiert ist, und auch nicht darauf, ob dieses Ziel rational im Sinne von »logisch« ist (Scott & Davis, 2007).

      Eine Maschine (z. B. ein Kaffeevollautomat) ist eine Art optimale Organisation, und zwar in dem Sinne, dass alle Bestandteile so miteinander verbunden sind, dass sie das Ziel erreichen. Die Maschine ist so konstruiert, dass ihre Einzelteile außerhalb der Maschine keine Bedeutung und Funktion haben, sondern nur innerhalb der Einheit, zu der sie etwas beitragen. Eine Maschine besteht aus einem kohärenten Zusammenspiel von Einzelteilen, die gemäß der höchsten Effizienz zusammenarbeiten. In der idealen Maschine gibt es keine überflüssigen Teile oder Bewegungen (Ward, 1964).

      Eine Organisation kann Ziele verfolgen (wie z. B. Pflanzenschutzmittel herstellen oder gen-veränderte Produkte entwickeln), die nicht von allen Marktteilnehmer/innen oder Anspruchsgruppen befürwortet werden – aber darum geht es bei der rationalen Systemperspektive auch nicht. Aus der rationalen Perspektive geht es darum, wie die Organisationen ihre Ziele erreichen, nämlich durch Steuerung, direktive Koordination, Regeln, Anweisungen und Verhaltensprogramme (Scott & Davis, 2007). Wichtige Faktoren sind dabei die Zielspezifität und die Formalisierung.

      Spezifische Ziele beinhalten Kriterien, die dabei helfen, zwischen alternativen Handlungen zu wählen, und zu entscheiden, wie die Organisation strukturiert werden soll, um die Ziele zu erreichen. Spezifische Ziele geben Kriterien für die Auswahl von Mitarbeiter/innen, die Gestaltung von Arbeit und die Verteilung von Ressourcen vor.

      Formalisierung ist der Ansatz, Verhalten vorhersagbar zu machen, indem Verhalten reguliert und standardisiert wird. Die Formalisierung führt zu stabilen Erwartungen zum Verhalten aller Organisationsmitglieder (Scott & Davis, 2007). Formalisierung schafft eine Unabhängigkeit der Zielerreichung von einzelnen Mitarbeiter/innen. So muss eine Organisation nicht außergewöhnlich begabte Personen für Schlüsselfunktionen rekrutieren – denn Macht und Einfluss ergeben sich aus der Stellenbeschreibung, nicht aus dem Charisma der Person (Scott & Davis, 2007; siehe unten bei Weber, image Kap. 1.3 und image Kap. 7. zu Führung).

      Wenn Sie an eine Fast Food-Kette wie McDonald’s, Burger King oder Pizza Hut denken, dann sehen


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