Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis). Michael E. Mann

Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis) - Michael E. Mann


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es sich tatsächlich um Wissenschaftler handelte, später angab, dass sie die Petition nicht mehr unterstützten oder sich nicht mehr an die Unterzeichnung der Petition erinnern konnten. Viele waren auch längst verstorben oder antworteten nicht, als sie von Scientific American kontaktiert wurden.20

      Die Petition wurde zusammen mit einem Anschreiben und einem »Artikel«, der die wissenschaftlichen Beweise für den Klimawandel angreift, an eine umfangreiche Liste von Wissenschaftlern, Journalisten und Politikern verschickt. Der Artikel mit dem Titel »Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide« (Umweltauswirkungen von erhöhtem atmosphärischem Kohlenstoffdioxid) wurde von Robinson, seinem Sohn Noah und dem Klimawissenschaftsleugner Willie Soon mitverfasst. Er wurde so formatiert, dass es so aussieht, als sei er in den prestigeträchtigen Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), dem offiziellen Journal der ehrwürdigen Nationalen Akademie der Wissenschaften, veröffentlicht worden. Seitz unterschrieb den beiliegenden Brief sogar unter Verwendung seiner früheren NAS-Zugehörigkeit – er war Ende der 60er Jahre deren Präsident. Die NAS unternahm daraufhin den außergewöhnlichen Schritt, die Bemühungen von Seitz öffentlich als bewusste Täuschung anzuprangern. Sie stellte klar, dass ihre Position in dieser Frage – es herrschte nun Konsens darüber, dass der Klimawandel real und vom Menschen verursacht ist – genau das Gegenteil von dem war, was Seitz sagte.

      Die gesamte Episode spielte sich zufällig nur wenige Tage vor der Veröffentlichung unseres »Hockeyschläger«-Artikels ab, der am 22. April 1998, dem internationalen Tag der Erde (Earth Day), in der Zeitschrift Nature erschien.21 Die Kurve zeigte das beispiellose Ausmaß der neuzeitlichen globalen Erwärmung. Sie sollte zu einem Symbol in der Klimadebatte werden. Sie – und ich – sollten bald zu einem Hauptangriffsziel werden.

      Der Hockey-Kampf

      Lassen Sie uns ein paar Jahre nach vorne springen, ins Jahr 2002, um auf das inzwischen berüchtigte »Luntz-Memo« zu stoßen. Frank Luntz ist ein professioneller Meinungsforscher, der die Republikanische Partei (auch »Grand Old Party«, GOP, genannt) seit langem in politischen Fragen berät – auf der Grundlage von Erkenntnissen aus Umfragen und Fokusgruppen-Interviews. In einem Memo aus dem Jahr 2002, das von einer Organisation durchgesickert ist, die The Environmental Working Group (Die Umweltarbeitsgruppe) heißt, warnte Luntz seine republikanischen, die fossile Brennstoffindustrie verhätschelnden Klienten davor, dass »sollte die Öffentlichkeit zu der Überzeugung kommen, dass die wissenschaftlichen Fragen geklärt sind, sich ihre Meinung über die globale Erwärmung entsprechend ändern würde«.22 Er empfahl, bei der Charakterisierung des Phänomens eine weniger bedrohliche Sprache zu verwenden und »Klimawandel« gegenüber »globaler Erwärmung« zu bevorzugen. Ironischerweise würde später genau die wissenschaftliche Gemeinschaft, die von den Klimaveränderungsleugnern beschuldigt wird, Panik zu verbreiten, immer häufiger diesen Begriff verwenden, einfach weil er eine umfassendere Beschreibung des Problems darstellt. »Klimawandel« beinhaltet nicht nur die Erwärmung der Erdoberfläche, sondern schließt auch das Abschmelzen von Eis, den Anstieg des Meeresspiegels, die Verlagerung von Niederschlagsgebieten und Wüstengürteln, veränderte Meeresströmungen und so weiter mit ein. Luntz schlug auch vor, dass die Republikaner »die globale Erwärmung als Theorie [und nicht als Tatsache] neu positionieren«. Auch das ist schon fast wieder lustig, da die Theorie die mächtigste aller wissenschaftlichen Gebilde darstellt. So ist bekanntlich die Schwerkraft auch nur »eine Theorie«. Das macht es aber noch lange nicht ungefährlich, von einer Klippe zu springen.

      Luntz warnte weiter, dass »die wissenschaftliche Debatte [gegen die Republikaner] zwar abgeschlossen, aber noch nicht beendet ist. Es gibt immer noch ein Fenster um die Wissenschaft herauszufordern«, womit er beabsichtigte, Zweifel innerhalb der öffentlichen Wahrnehmung zu wecken. Auf den Vorschlag von Luntz hin haben die Interessensvertreter der fossilen Energiewirtschaft, die Politiker und deren Kampfhunde, die auf ihr Kommando hin handelten, ihren Einsatz im Angriff auf die Wissenschaft verdoppelt, indem sie eine Strategie verfolgten, den Überbringer der schlechten Nachricht zu brandmarken. Diese zielt darauf ab, die Wissenschaft, die die Besorgnis über den vom Menschen verursachten Klimawandel untermauert, als Ganzes zu diskreditieren. Ich selbst befand mich noch im Zentrum des Angriffs wegen der Hockeyschläger-Kurve, die in der Klimadebatte bald einen ikonischen Status einnahm. Sie sollte in der »Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger« des Dritten Sachstandsberichts des IPCC von 2001 als das wichtigste neue Beweisstück zum Klimawandel aufgeführt werden, das die Schlussfolgerung stützt, dass die jüngste Erwärmung zumindest in den letzten tausend Jahren beispiellos ist.23

      Tatsächlich war das Hockeyschläger-Diagramm nur eine von vielen voneinander unabhängigen Grundlagen der Beweisführung, die mittlerweile vorlagen. Der menschliche Einfluss auf das Klima war ja bereits mit der Veröffentlichung des Zweiten IPCC-Sachstandsberichts im Jahr 1995 festgestellt worden. Dieses Instrument war jedoch überzeugender für Laien, im Gegensatz zu der eher abstrakten statistischen Arbeit hinter den wichtigsten Ergebnissen des vorangegangenen Berichts. Man brauchte nicht die Physik, Mathematik oder Statistik zu verstehen, die der Klimaforschung zugrunde liegen. Die eindrucksvolle Grafik vermittelte vieles davon in einem einzigen Bild. Die lange, sanfte Abkühlungstendenz, die den Abstieg von den relativ warmen Bedingungen des elften Jahrhunderts in die so genannte »Kleine Eiszeit« des siebzehnten bis neunzehnten Jahrhunderts kennzeichnet, ähnelt dem abgeschwächten »Griff« eines Hockeyschlägers, die abrupte Erwärmungsspitze des vergangenen Jahrhunderts ist die umgedrehte »Keule«. Die Tatsache, dass diese jüngste, dramatische Erwärmung mit dem rapiden Anstieg der atmosphärischen CO2-Konzentration aus der industriellen Revolution einhergeht, vermittelt eine leicht verständliche, unmissverständliche Schlussfolgerung: die Erwärmung, die wir erleben, ist beispiellos in der modernen Geschichte. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe und andere menschliche Aktivitäten sind die Ursache dafür.

      Dass der Hockeyschläger genau zu der Zeit in den Vordergrund rückte, als die Leugner des Klimawandels neue und verstärkte Angriffe auf die Wissenschaft planten, war zwar Zufall, hatte aber tiefgreifende Auswirkungen auf meine eigene Karriere. In The Hockey Stick and the Climate Wars (Der Hockeyschläger und die Klimakriege) beschreibe ich die Bemühungen der Interessenvertreter fossiler Brennstoffe und ihrer Söldner, den Hockeyschläger und mich persönlich zu diskreditieren.24 Zu diesen Bemühungen gehörten Angriffe gegen mich und meine Arbeit durch rechtsgerichtete Medien wie Fox News und das Wall Street Journal, feindselige Anhörungen im Kongress und Ermittlungen durch Politiker, die den Klimawandel leugnen, wie der Senator des Bundesstaats Oklahoma, James Inhofe, der ehemalige Kongressabgeordnete Joe Barton aus Texas und der ehemalige Generalstaatsanwalt Ken Cuccinelli aus Virginia. Sie waren alle Republikaner sowie Empfänger beachtlicher Spenden der fossilen Brennstoffindustrie. So war ich juristischen Angriffen von Interessenvertretern (Frontorganisationen) jener Industrie ausgesetzt, die versuchen, Informationsfreiheitsgesetze zu instrumentalisieren, um an meine persönlichen E-Mails zu gelangen – in der Hoffnung, etwas Peinliches zu finden, mit dem man mich diskreditieren könnte, oder etwas, das, hätte man es aus dem Zusammenhang gerissen und falsch dargestellt, meine Forschung in Zweifel ziehen könnte. Die meisten Akteure und Organisationen, die hinter den Bemühungen standen – die Koch-Brüder, das Heartland Institute, das George C. Marshall Institute, Fred Singer – sind inzwischen wohlbekannt.

      Das Gute an der Wissenschaft ist, dass sie über das verfügt, was der große Carl Sagan als »selbstkorrigierende Maschinerie« bezeichnete. Die Prozesse des Peer-Review, der Replikation und des Konsenses, gemischt mit einer gesunden Dosis Skepsis – echte Skepsis, nicht die vorgetäuschte Variante, die von Klimawandelleugnern verbreitet wird – sorgt dafür, dass die Wissenschaft nicht vom Weg zur Wahrheit abkommt. Wenn eine wissenschaftliche Behauptung falsch ist, werden andere Wissenschaftler dies nachweisen. Wenn sie dagegen richtig ist, wird das Behauptete von anderen Wissenschaftlern bekräftigt, vielleicht auch verbessert oder vertieft. Klimawandelleugner behaupten gerne, dass Wissenschaftler lediglich versuchen, vorherrschende Paradigmen zu bestätigen, denn nur so könne man sich die Finanzierung sichern und in den führenden Zeitschriften veröffentlichen. Wie bei den meisten Dingen, die von Klimawandelleugnern behauptet werden, ist das Gegenteil der Fall. Der erfolgversprechendste Weg zu Ruhm und Ehre in der Welt der Wissenschaft ist vielmehr die Widerlegung der gängigen Lehrmeinung und bahnbrechender Studien.

      Dementsprechend


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