Propagandaschlacht ums Klima (Telepolis). Michael E. Mann
der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) unterzeichnen würde.
Es gab jedoch einige Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung. Bushs Stabschef, ein am Massachusetts Institute of Technology (MIT) ausgebildeter Ingenieur namens John Sununu, war – und ist bemerkenswerterweise auch heute noch – ein Klimawandelleugner. Er stützte sich dabei stark auf ein unveröffentlichtes Weißbuch des zur konservativen Denkfabrik George C. Marshall Institute (GMI) gehörenden Trios Jastrow, Seitz und Nierenberg aus dem Jahr 1989, das im folgenden Jahr als Buch unter dem Titel »Global Warming: What Does the Science Tell Us?« (Globale Erwärmung: Was lehrt uns die Wissenschaft?) veröffentlicht wurde. Darin wird die globale Erwärmung auf die Sonnenaktivität zurückgeführt. In seiner Eigenschaft als Vertreter des GMI arrangierte Nierenberg ein Treffen mit Mitarbeitern des Weißen Hauses, bei dem er die ablehnende Haltung des Instituts gegenüber dem Klimawandel präsentierte. Dies trug zumindest dazu bei, eine Spaltung innerhalb der Bush-Regierung herbeizuführen und die Dynamik des Klimaschutzes abzuschwächen.6
Mit der Gründung des Weltklimarats der Vereinten Nationen (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) im Jahr 1988 wurde die Aufgabe, die wissenschaftlichen Beweise für die vom Menschen verursachte globale Erwärmung zu widerlegen, zu groß für eine einzige kleine Organisation wie das GMI. Die »Kavallerie« sollte jedoch bald eintreffen. Ein Konsortium von Interessengruppen der fossilen Brennstoffe schloss sich 1989 zusammen, bekannt als die Globale Klimakoalition, zu der ExxonMobil, Shell, British Petroleum (BP), Chevron, das American Petroleum Institute und andere gehörten. Das Konsortium verbündete sich mit anderen Branchendenkfabriken und Organisationen, die ihre Zielrichtung und Finanzierung verbergen (Frontorganisationen), darunter das vornehm klingende Heartland Institute und das Competitive Enterprise Institute. Gemeinsam stellten sie das dar, was Oreskes und Conway in Merchants of Doubt als ein »Potemkinsches Dorf« bezeichneten, eine Fassade aus beeindruckend klingenden Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen, die durch Gastkommentare in Zeitungen, öffentliche Debatten, gefälschte wissenschaftliche Artikel und jedes nur erdenkliche Mittel die grundlegende Wissenschaft des Klimawandels in Frage stellen würden. Sie sollten dabei auch das Argument vorbringen, dass die Wissenschaft zu unsicher, die Modelle zu unzuverlässig, die Daten zu ungenau und zu fehlerbehaftet und die Rolle der natürlichen Variabilität zu unbekannt sei, um eine eindeutige Rolle des Menschen bei der globalen Erwärmung und dem Klimawandel nachzuweisen.
David und Charles Koch, auch bekannt als die »Koch-Brüder« – die Eigentümer der größten privaten Beteiligung an fossilen Brennstoffen (Koch Industries) – sind bestens bekannt für ihre höchst augenfällige finanzielle Unterstützung der Leugnung des Klimawandels in den letzten Jahren. Sie spielten dabei schon früh eine Schlüsselrolle, was erst kürzlich ans Licht gekommen ist.7 Unter der Schirmherrschaft des Cato-Instituts, der von ihnen gegründeten und finanzierten libertären Denkfabrik, hielten sie im Juni 1991 die erste Konferenz zur Leugnung des Klimawandels ab. Mit dem Titel »Global Environmental Crisis: Science or Politics?« (Globale Umweltkrise: Wissenschaft oder Politik?) war diese eine Art »Rat von Elrond« zur Verleugnung des Klimawandels. Dort traten vor allem zwei Wissenschaftler in Erscheinung, die sich den Reihen von Seitz, Jastrow und Nierenberg angeschlossen hatten und ihre wissenschaftlichen und akademischen Referenzen nutzten, um breiten Kreisen, die die etablierte Klimawissenschaft diskreditieren wollten, eine gewisse Legitimität zu verleihen.
Der erste war Richard S. Lindzen vom MIT. Er wurde in der Broschüre, die für die Konferenz warb, mit den Worten zitiert, dass es nur »sehr wenig Beweise« dafür gebe, dass der Klimawandel eine Bedrohung darstelle. Seine Referenzen waren, wie die von Seitz, durchaus beeindruckend. Er war am MIT Vorsitzender des Lehrstuhls für Meteorologie und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften (NAS). Wie Seitz hatte auch er Geld von fossilen Interessengruppen erhalten, um sich für diese einzusetzen.8 Wissenschaftlich gesehen ist Lindzen vor allem für seine umstrittene These bekannt: Er beharrt darauf, dass Klimamodelle den Erwärmungseffekt durch steigende Konzentrationen von Treibhausgasen überschätzen. Das soll an Prozessen liegen, die mit Wolken oder Luftfeuchtigkeit zusammenhängen. So behauptet er auch weiterhin, dass diese in den Modellen entweder fehlen oder schlecht dargestellt würden. Solche Prozesse neigen prinzipiell entweder dazu, die Erwärmung in einer »positiven Rückkopplung« zu verstärken oder in einer »negativen Rückkopplung« zu verringern. Lindzen hat sich jedoch nur auf Letzteres konzentriert. Und überhaupt scheint er negative Rückkoppelungen besonders zu schätzen. Er hat den Großteil seiner beruflichen Laufbahn damit verbracht, für angeblich fehlende negative Rückkopplungen einzutreten, nur um sie von anderen Wissenschaftlern immer wieder widerlegen zu lassen.9 Lindzen war sogar so kühn, zu verkünden, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentrationen – die wir in einigen Jahrzehnten erreichen werden, wenn wir bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe so weitermachen wie bisher – die globale Temperatur nur um ganz minimale 1°C erhöhen würde. Die Behauptung ist schon deshalb wenig glaubwürdig, weil sich der Planet nach einem Anstieg der CO2-Konzentration um nur etwa 50 Prozent bereits heute stärker erwärmt hat. In der Tat deutet eine Vielzahl von Belegen auf eine Erwärmung hin, die etwa dreimal so hoch ist wie Lindzen voraussagte – darunter die Reaktion des Klimas auf Vulkanausbrüche, das Kommen und Gehen der Eiszeiten und vergangene Warmzeiten wie die frühe Kreidezeit, als die Dinosaurier den Planeten durchstreiften.
Ein anderer markanter Redner auf dieser einflussreichen Konferenz aus der Anfangszeit war S. Fred Singer, den man heute durchaus als eine Art anmietbaren Allzweckverweigerer bezeichnen darf. Wie Seitz war Singer ursprünglich Akademiker und Wissenschaftler, und wie Seitz verließ er Anfang der 1990er Jahre die akademische Welt, um sich gegen die, wie er es nannte, »Schrottwissenschaft« des sauren Regens, des Ozonabbaus, der Gesundheitsgefährdung durch Tabak und natürlich des Klimawandels zu wenden. Diesen Sinneswandel und seine Bemühungen ließ er sich von der Industrie mit beträchtlichen Mitteln bezahlen.10
Singers charakteristischste Arbeit bezieht sich auf das Vermächtnis des angesehenen Atmosphärenforschers Roger Revelle. Dieser leistete grundlegende Beiträge für unser heutiges Verständnis des vom Menschen verursachten Klimawandels. Er lieferte in den 1950er Jahren entscheidende Nachweise dafür, dass die Verbrennung fossiler Brennstoffe die Konzentration an Treibhausgasen erhöht. Zudem veröffentlichte er einige der ersten Projektionen künftiger Erderwärmung. Revelle wird auch zugeschrieben, dass er Al Gore in seiner Besorgnis über den Klimawandel inspiriert hat, als dieser in Harvard studierte.
Kurz bevor Revelle 1991 verstarb, fügte Singer ihn als Co-Autor eines Artikels hinzu, den er für die Zeitschrift Cosmos geschrieben hatte, die vom Cosmos Club, einer intellektuellen Gesellschaft in Washington, D.C., herausgegeben wird. Der Artikel war fast identisch mit einem früheren kritischen Artikel von Singer. Darin wird der Nachweis bestritten, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Sowohl Revelles Sekretärin als auch sein ehemaliger Doktorand Justin Lancaster haben angedeutet, dass Revelle das Manuskript unbehaglich war und dass die ablehnende Darstellung erst hinzugefügt worden sei, nachdem der schwer kranke Revelle die endgültige Fassung zu sehen bekommen hatte. Revelle starb wenige Monate nach der Veröffentlichung der Arbeit. Lancaster erklärte, dass Singer Revelle dazu verleitet habe, seinen Namen in den Artikel aufzunehmen, und dass Revelle »zutiefst darüber beschämt war, dass sein Name damit in Verbindung gebracht wurde.« Lancaster bezeichnete Singers Verhalten als unethisch und äußerte darüber hinaus einen Verdacht hinsichtlich Singers eigentlichen Ziels: Al Gore und seine Kampagne Anfang der 1990er Jahre zu diskreditieren, die das Ziel hatte, die Öffentlichkeit für die Bedrohung durch den Klimawandel zu sensibilisieren. Lancaster hält an dieser Kritik fest, ungeachtet der Androhung rechtlicher Schritte gegen ihn durch Singer.11
Das Schlachtfeld nimmt Gestalt an
Wir spulen jetzt ein paar Jahre vor, bis Ende 1995, als sich alles zuspitzte. Die wissenschaftlichen Beweise für den vom Menschen verursachten Klimawandel waren immer stichhaltiger geworden. Die Beobachtungen, die Simulationsmodelle, all das schien immer mehr zusammenzupassen. Mein einst skeptischer Doktorvater Barry Saltzman und ich waren Co-Autoren eines Artikels, in dem es um genau diese Frage ging.12 Gleichzeitig hatte der von der Industrie finanzierte Widerstand gegen die Wissenschaft proportional zugenommen. Dutzende Interessenvertreter und Wissenschaftsverweigerer zogen nach und nach in das immer besser befestigte Potemkinsche Dorf ein, in dem