Schwarzwaldjunge - Weltenbummler. Gerhard Moser

Schwarzwaldjunge - Weltenbummler - Gerhard Moser


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ihrer Pensionierung versuchte, uns Kindern Zucht und Ordnung zu lehren. Jetzt durften wir wild herumturnen und spielen und mussten uns nicht unbedingt immer eine Stunde zum Mittagsschlaf hinlegen. Wir waren viel in Dorf, Flur und Wald unterwegs.

      So gewöhnte ich mir an, auf dem Weg zum Kindergarten in irgendeinem der schönen Vorgärten eine der blühenden Rosen zu pflücken und diese der „Tante Brigitte“, mit vor Freude strahlendem Gesicht, zu überreichen. Von ihr bekam ich dann den Namen: Mein kleiner Rosenprinz. Manchmal änderte sie diesen Namen auch ab, wenn ich mal wieder nicht schnell genug zur Toilette kam und die Hose nass machte. Dann nannte sie mich „den kleinen Hosenprinz“. Ich verstand immer nur Prinz und das war mir wichtig. Einige der Anwohner, deren Gärten ich plünderte, beschwerten sich bei meinen Eltern. Die waren aber mit mir einer Meinung: Diese eine Rose…

      Wie unkompliziert war doch damals das ganze Leben. Da wir, obwohl unser Haus ganz neu war, kein extra Badezimmer hatten, wurde jeden Samstag der große Kessel, der sonst zum Einkochen von Obst- und Gemüsegläsern oder Wurstdosen verwendet wurde, mit Wasser gefüllt und auf dem Küchenherd zum Kochen gebracht. Die große Blechbadewanne wurde aus dem Stall geholt, in die mollig warme Küche gestellt und mit Wasser gefüllt. Meist waren mein Bruder und ich zuerst dran und hatten nur wenig Wasser in der Wanne. Danach benutzten meine zwei Schwestern das Wasser, und dann meine Eltern. Ab diesem Zeitpunkt durften wir die Küche nicht mehr betreten. Das Wasser wurde nicht gewechselt, sondern nach jedem „Badegast“ wurde neues Wasser zugegeben. Am Ende war die Wanne voll und der Kessel leer. Mit dem Eimer wurde die Wanne dann wieder geleert und zurück in den Stall gestellt. Gewaschen wurde damals nur mit Kernseife. Ich werde nie vergessen, wie mein Getti (Patenonkel) und die Tante an einem Samstag zu Besuch kamen, wir Jungs gerade in der Wanne saßen und unsere Mutter dabei war, uns die Haare mit Kernseife zu waschen. Ganz entsetzt bemerkte meine Tante, dass unsere Augen von der Kernseife rot waren und die Haare trotzdem noch klebten.

      „Lore, da nimmt man doch heute Shampoo und keine Kernseife.“ Das war der Samstag, an dem meine Mutter uns zum letzten Mal die Haare mit Seife gewaschen hat. Ab da gab es nur noch Schauma Kräuter Shampoo. Für uns eine Wohltat, obwohl wir vermutlich kaum einen Unterschied merkten. Doch, es brannte etwas weniger in den Augen.

      Mit uns vier Kindern hatten unsere Eltern, natürlich insbesondere Mutter, immer viel zu tun. Jeder von uns Vieren hatte mal ein „einschneidendes Erlebnis“.

      So stolperte ich beim Spielen auf der Straße und stieß mir den Stock, mit dem ich herumtollte, in den Gaumen. Blutüberströmt, den Stock aus dem Mund ragend, lief ich zu Mutter. Die zog den Stock kurzerhand aus der Wunde, was einen weiteren Blutschwall zur Folge hatte. Unser Nachbar, welcher mittlerweile auch ein Auto hatte, fuhr uns zum Krankenhaus in die Stadt, wo der Gaumen mit drei Stichen genäht wurde. Davon habe ich heute noch eine kleine Beule im Gaumen.

      Meine Schwester wollte beim Spielen in der Waschküche im Keller von der Fensterbank springen. Dabei übersah sie den Fleischhaken, der vom letzten Schlachttag noch am Stock von der Decke hing. Sie sprang und hängte sich mit dem Kinn daran auf. Es sah aus, als würde ein kleines Ferkel da hängen. Da die ganze Kinderschar aus der Nachbarschaft mit im Keller war, schrien wir alle wild durcheinander. Das lockte zum Glück meine Mutter herbei, die bei der Gartenarbeit war. Schnell nahm sie meine Schwester vom Haken. Und wieder musste der Nachbar eine Fahrt ins Krankenhaus machen.

      Das Essen stand schon auf dem Tisch, aber mein kleiner Bruder wollte lieber Schlitten fahren. Er hatte keinen Hunger. Trotz des Verbotes meiner Mutter nahm er den Schlitten und lief auf die nahe Wiese am Berg, wo wir immer mit dem Schlitten über Stunden hochliefen und runterfuhren. Jeder hatte da seine eigene Technik. Manche fuhren zu zweit, andere legten sich auf den Schlitten. Kopf voraus, konnte man mit den Füßen am besten lenken.

      Wir waren noch nicht fertig mit dem Essen, da kam mein Bruder zurück von der Wiese, die Hände fest auf den Mund gedrückt, an der Stirn eine dicke Schramme und das linke Auge war zugeschwollen. Als er die Hand vom Mund nahm, war alles voller Blut. Die Lippe war geplatzt und einer der Schneidezähne war nur noch zur Hälfte vorhanden.

      So war immer etwas los bei uns.

      Man soll die Feste feiern…

      Herrliche Zeiten waren für uns Kinder immer Geburtstage, Ostern oder Weihnachten. Da wurde gefeiert, viel gegessen und die Verwandtschaft besucht. Das war meist mit Geschenken verbunden.

      An den Geburtstagen durften wir immer unsere Freunde aus der Nachbarschaft einladen. Natürlich nur die wichtigsten, denn alle zusammen hätten den möglichen Rahmen gesprengt. Zehn bis zwölf Kinder waren aber immer da. Auch im Kindergarten bekam man eine extra Geburtstagskerze angezündet und ein Lied gesungen. Ich fühlte mich dann immer als „Mittelpunkt“, was mir aber gar nicht so recht war.

      Meinen 8. Geburtstag werde ich immer im Gedächtnis behalten. Wir Kinder saßen unten in der Küche und hatten alle ein herrliches Stück Kuchen vor uns. Die Kinderzimmer waren mittlerweile in die obere Etage des Hauses verlegt, da nach und nach immer wieder weiter ausgebaut wurde. Das hatte etwas mit Geld und Zeit zu tun. So hatten meine zwei Schwestern das hintere Zimmer, wir zwei Jungs das Zimmer davor.

      An meinem Geburtstag saßen wir Kinder nun lustig zusammen, laut und aufgedreht, als der Nachbar mit eiligen Schritten in die Küche gerannt kam.

      „Bei euch brennt es! Oben kommt Rauch aus den Fenstern.“

      Er stürmte ins obere Stockwerk und schaffte es, die Flammen zu löschen.

      Was war geschehen? Meine älteste Schwester war aus der Schule gekommen und hatte sich in ihr Zimmer gesetzt um zu lesen. Um es etwas gemütlicher zu machen, zündete sie eine Bienenwachskerze an und stellt diese auf den kleinen Kleiderschrank. Irgendwann rief meine Mutter sie zum Geburtstagskaffee. Dabei vergaß sie die Kerze zu löschen. Da die Flamme sich bereits tief in das Bienenwachs gefressen hatte, war die Flamme nicht mehr zu sehen. So geschah es, dass die Flamme sich bis nach unten fraß und, da kein feuerfester Untersetzer drunter stand, sich durch das weiche Holz des Schrankes brannte und in die Wäsche fiel. Eine enorme Rauchentwicklung war die Folge. Da das Fenster gekippt war, konnte der Rauch abziehen. Der Schaden hielt sich in Grenzen. Meine Schwester hatte Glück, dass mein Vater zu jener Zeit einen Arm in Gips hatte, sonst hätte es garantiert eine kräftige Tracht Prügel gegeben. Die Versicherung bezahlte den Schaden und meine Schwester hatte für ihr zukünftiges Leben etwas gelernt.

      Zu Ostern besuchten wir die Großeltern und unsere Paten. Dort wurde dann der „Osterhase gejagt“. Als Kind glaubte ich gerne an den Osterhasen, weil er immer süße Sachen, gekochte bunte Eier, etwas zum Spielen oder zum Anziehen brachte. Wir hatten dann alle vier unsere Osterkörbchen, wir Jungs eine Kiepe auf dem Rücken, die Mädchen ein Körbchen am Arm, in die alles reingepackt werden konnte. War das Wetter zu schlecht, wurden die Geschenke in der Scheune oder im Stall versteckt. Und dann mussten wir suchen. An ein Ostern erinnere ich mich heute noch gerne. Es hatte die ganzen Tage geschneit und die Wiese war mit sehr viel Schnee bedeckt. Da die Sonne schien und es herrliches Wetter war, wurden die Geschenke auf der Wiese versteckt. Das Finden ging sehr schnell, da wir, schließlich waren wir nicht dumm, nur den Fußspuren nachgehen mussten. Die Frage war dann: Ist es tatsächlich mein Geschenk?

      Weihnachten war zum Ritual geworden, nach der Kirche die Großeltern zu besuchen, schöne Weihnachten zu wünschen, die Geschenke auszupacken und dann schwer beladen nach Hause zu laufen. Dort gab es zunächst das Weihnachtsessen, welches Mutter schon vor dem Kirchgang zubereitet hatte. Meist gab es Gesalzenes vom eigenen Schwein und Kartoffelsalat. Danach folgte die Bescherung zu Hause. Dass Papa während des Essens aufstand und sich im Wohnzimmer mit dem Weihnachtsmann unterhielt, war für uns Kinder immer ein Zeichen dafür, dass die Bescherung nahte.

      „Bin ich mal gespannt, was euer Papa dem Weihnachtsmann erzählt. Wenn ihr brav wart, gibt es Geschenke, wenn nicht, müsst ihr euch im nächsten Jahr mehr anstrengen…“ Jedes Jahr erzählte uns Mutter die gleiche Geschichte. Natürlich waren wir immer brav und Papa hatte dem Weihnachtsmann immer gutes zu erzählen, obwohl er unter dem Jahr fast nie zu Hause war und mit unserer Erziehung ganz wenig zu tun hatte. Sonst hätten wir nicht immer so tolle Sachen bekommen. Mal war es eine von Mama selbstgestrickte Jacke oder einen Pullover, mal ein Paar Schuhe, vom Opa selbst geschustert, oder


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