Schwarzwaldjunge - Weltenbummler. Gerhard Moser

Schwarzwaldjunge - Weltenbummler - Gerhard Moser


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Großeltern gegangen.

      Es sprudelte einfach alles aus mir heraus, vom verpassten Bus, dem leckeren Vesper und dem dunklen Wald. Von unseren Ängsten und Befürchtungen erzählte ich natürlich nichts.

      Als meine Geschwister kurz darauf ins Wohnzimmer stürmten und mein Vater leicht schwankend und fröhlich durch die Tür kam, waren alle froh, dass wir endlich wieder zu Hause waren. Den Blick, den meine Mutter Papa zuwarf, werde ich nie vergessen. Wären sie alleine gewesen, hätte sie ihm bestimmt den Hals umgedreht.

      „Ist doch erst 10 Uhr, geht doch noch…“, war Vaters Reaktion. Allerdings 10 Uhr am Abend! Keiner antwortet ihm. Der Kilometer nach Hause verging sehr schnell. Jeder wollte Mama etwas Anderes erzählen. Papa lief einige Meter hinter uns und sang immer noch leise vor sich hin. Ich glaube, dass auch er war froh, diesen Tag gut überstanden zu haben.

      Wir Kinder fielen halb tot in die Betten. Das Schimpfen meiner Mutter hörten wir bis in unsere Zimmer im ersten Stock. Ich denke, Mama hat Papa kräftig die Leviten gelesen. Aber in seinem Zustand hat der sich wahrscheinlich einfach im Bett umgedreht – und bestimmt gut geschlafen.

      Und dann war da noch der Tag, an welchem mein junges Dasein fast ein jähes Ende gefunden hätte. Wir waren in einer kleinen Gruppe von Nachbarskindern unterwegs zum Kindergarten, tollten herum, spielten Fangen und waren einfach nur lustig. Als wir am Kaufladen vorbeikamen, erhielt jedes Kind von der Ladenbesitzerin, wie jeden Tag, ein Bonbon geschenkt. Ich nahm mir ein besonders großes, dunkelgrün leuchtendes und herrlich schmeckendes eckiges Teil. Wir waren noch nicht lange am Bach entlang gerannt, als ich plötzlich umkippte und dunkel im Gesicht wurde. Keiner wusste, was mit mir los war. Meine beste Freundin Karin machte das einzig Richtige: Sie rannte los und holte Hilfe. Zum Glück war nicht weit entfernt der Baron in seinem Garten bei der Arbeit. Der kam gerannt, machte mit leichter Gewalt meinen Mund auf und erkannte das Übel: Beim Springen und Reden hatte ich mir das geschenkte Bonbon in die Luftröhre gezogen und dieses verstopfte nun meinen Rachen. Der Baron schnappte mich an den Fußknöcheln, schüttelte mich einige mal hoch und runter und das schöne, grüne Bonbon flutschte mir aus dem Mund. Diese „beinahe Katastrophe“ ging völlig unbemerkt am Rest der Welt vorbei.

      Im gleichen Laden sah ich Jahre später beim Einkauf immer die braunen Bananen.

      „Was machst du mit den braunen Bananen? Die kann doch keiner mehr essen“, fragte ich die Ladenbesitzerin.

      „Die müssen wir leider wegwerfen.“

      In mir keimte eine Idee, für meine 12 Jahre sogar eine ganz tolle. Einige Tage überlegte ich mir, wie ich es am besten anstellen konnte, aus diesen alten Bananen einen Schnaps herzustellen. Traubensaft ließ man ja auch einfach im Fass reifen und sie ergaben einen ganz tollen Wein. Warum sollte das mit braunen Bananen, also sehr reifen Früchten, nicht auch klappen. Im Buch „Der deutsche Bauer“ fand ich einen kurzen Artikel über das „Brennen von Obst“. Das war mir alles zu kompliziert.

      Ich beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Sollte das Ganze klappen, würde sich mein Vater viel Geld einsparen. Er könnte dann zu Hause meinen selbstgemachten Schnaps trinken und bräuchte nicht jeden Tag in der Linde zu sitzen. Vielleicht ließe sich daraus sogar eine ganz große Firma aufbauen, die uns dann auch noch richtig reich machte. In meiner kindlichen Vorstellung sah ich schon einige hundert Mark, die da in Mutters Haushaltskasse flossen.

      „Bekomme ich die braunen Bananen umsonst?“, fragte ich beim nächsten Einkauf.

      „Klar, dafür musst du nichts bezahlen. Was willst du denn damit machen?“ Neugierig sah mich die Ladenbesitzerin an.

      „Weiß ich noch nicht so genau. Vielleicht kann man die ein oder andere auch noch essen.“ Ich war nicht bereit, ihr meine Geschäftsidee zu verraten. Nicht, dass sie selbst noch auf den Gedanken kam, meine Idee in die Tat umzusetzen. Sie verdiente schließlich genug mit ihrem A&O Laden.

      Bereitwillig packte sie mir rund 10 braune Früchte ein. Ganz oben legte sie eine nur braun-fleckige Banane.

      „Die kannst du in jedem Fall noch essen. Wenn du noch mehr brauchst, sag mir einfach Bescheid.“

      Zu Hause angekommen, verdrückte ich zunächst die noch essbare, fleckige Banane. Sie schmeckte köstlich. Bananen gab es fast nie, da wir alles andere Obst selbst zur Genüge im Feld und im Garten hatten. Sollte das mit den Bananen klappen, könnte ich vielleicht noch Schnaps aus anderen Obstsorten produzieren.

      Kurzerhand schälte ich die braune, matschige Masse aus den Schalen, verrührte die Pampe in einem kleinen Eimer mit zwei Gläsern Wasser, gab noch etwas aus der Küche geklauten Zucker dazu und schob diesen Eimer ganz hinten unter mein Bett. Täglich rührte ich, wenn ich aus der Schule kam, die Maische um.

      Nach dem dritten Tag fragte ich mich allerdings, ob das Ganze überhaupt klappen würde. Das Zeug wurde zwar leicht schaumig, was für mich den Beginn des Gärprozesses signalisierte, fing aber auch an, leicht zu riechen. Da ich das Zimmer mit meinem Bruder teilte und meine zwei Schwestern unser Zimmer immer durchqueren mussten, um ihr Schlafdomizil zu erreichen, konnte das noch Schwierigkeiten geben.

      Am nächsten Tag war der Eimer weg.

      „Was war das für eine Sauerei in dem Eimer unter deinem Bett?“ Mutter sah mich streng an.

      Es blieb mir nichts Anderes übrig. Ich musste ihr von meiner Idee erzählen. Vor lauter Lachen tat ihr hinterher der Bauch weh und die Tränen liefen ihr die Wangen herunter.

      „Oh Junge, du musst noch viel lernen. So leicht ist das Leben nicht.“ Sprach es, struwelte mir durch die Haare und schickte mich raus zum Spielen. Über die tolle Geschäftsidee wurde nie wieder gesprochen. Natürlich holte ich auch keine weiteren matschigen Bananen aus dem Kaufladen.

      In meiner Erinnerung verging die Kindheit viel zu schnell und ohne weitere Ereignisse, die ich heute erwähnenswert finden würde. Sie war einfach nur schön und ich bin dankbar, dass ich sie so erleben durfte.

      Aufklärung der besonderen Art

      Die beginnende Jugendzeit gestaltete sich schon etwas schwieriger. Die Pubertät setzte ein. Da Aufklärung nie ein Thema in der Familie war, mussten wir Kinder das unter uns ausmachen. Mein Bruder und ich entdeckten unter der Bettmatratze unseres Vaters rein zufällig eine Zeitung, in welcher nackte Frauen und Männer zu sehen waren. Die sahen unten herum ganz anders aus. Warum hatten wir da unten keine Haare und warum sah unser Piepmatz so klein aus? Mädchen sahen auch ganz anders aus. Erst als mein Bruder in der Schule Unterricht in Aufklärungskunde bekam, den es in meinem Jahrgang noch nicht gab, wurde auch ich von ihm über delikate Kleinigkeiten aufgeklärt.

      Als meine Mutter mit meinem kleinen Bruder schwanger ging, war es die Aufgabe unserer ältesten Schwester, uns Jungs das zu erklären. Sie war schließlich drei Jahre älter und wusste fast alles Während eines Mittagessens fing sie an, uns die Sache zu erklären.

      „Ihr müsst jeden Abend einen Würfelzucker auf die Fensterbank legen, vielleicht bekommen wir dann bald noch ein Geschwisterchen…“

      „Ist Mama darum so rund und dick?“, war meine vorwitzige Frage.

      „Nein, das ist, weil sie in der letzten Zeit zu viel gegessen hat.“

      Die hielt mich für blöde. Das hatte ich aber in den Zeitungen unter Papas Matratze völlig anders gelesen.

      „Und wann kommt dann das Baby aus dem Bauch?“

      Schwester und Mutter schauten sich entgeistert an. Das Gesicht meiner Schwester wurde knallrot.

      „Ich habe es dir doch gesagt, dass die nicht blöd sind, aber du weißt immer alles besser.“ Wütend rannte sie aus der Küche und knallte die Türe hinter sich zu.

      Wenige Wochen später war unsere Mutter morgens nicht da. Der Nachbar hatte sie mitten in der Nacht, von uns Jungs völlig unbemerkt, mit seinem Auto ins Krankenhaus der Stadt gefahren. Einige Tage später kam sie mit einem ins Kopfkissen gebetteten Baby wieder nach Hause. Erstaunlich, wie schlank Mutter plötzlich war. Also hatten Papas Zeitungen doch recht.

      Irgendwann kam Mutter


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