Die Rose im Staub. Sarah Skitschak

Die Rose im Staub - Sarah Skitschak


Скачать книгу
in seiner Kehle platzieren und das selbstgefällige Lächeln aus seinem Gesicht schneiden wollte, so gern ich ihm aus Gewohnheit eine bissige Bemerkung gegen die Brust donnern wollte, ich hatte ja doch keine andere Wahl. Wollte ich weiterhin Wasserdiebin unter den gesegneten Mitgliedern des Stammes bleiben, so hatte ich den Worten des Wassermeisters während des Diebstahls Folge zu leisten … und der bevorzugte es zumeist, eine schweigende Frau in den Reihen zu wissen.

      Das stechende Blassgrün seiner Augen bohrte sich förmlich durch meine Lederrüstung, schien den improvisierten Panzer von meinem Körper zu schälen und die Haut unter den schützenden Lagen zu versengen. Obwohl ich mit der Hitze unseres Hauptsterns seit Jahren gut Freund war, so konnte ich doch das Gefühl der unerträglichen Temperaturen unter den Blicken des Meisters nicht leugnen.

      Jharrn fuhr sich mit seinen erdverkrusteten Fingern unter der Nase entlang, sodass sich die braunen Schnörkel seiner Körperbemalung in skurrile Formen dehnten und den Titel des Meisters beinahe bis zur Unleserlichkeit verformten. Mit gespitzten Lippen spuckte er auf den Boden.

      Eine deutliche Geste, mich nicht an weitere Worte zu wagen.

      Wider Willen senkte ich das Haupt zu einer Geste der Demut und konzentrierte mich auf die glitzernden Spuckefäden am Boden, die rasch mit der Wüstenerde zu verwachsen begannen. Der Sand schluckte das Nass in gierigen Zügen, sodass sich der benetzte Flächenabschnitt innerhalb kürzester Zeit in einen klebrigen Klumpen verwandelte und dunkel vom Rest des Bodens abgrenzte.

      Jharrn hatte gesprochen.

      Noch hatte ich mir unter den Wasserdieben keinen Respekt erworben, sodass ich mir in ebendiesen Momenten Widerworte hätte erlauben oder mich gar dem Meister widersetzen dürfen, ohne den kostbaren Posten an den nächstbesten Mann in der Reihe der Jungen zu geben. Mit den Fäusten krallte ich mich in die nahegelegenen Wüstengrasbüschel, zwang mich zu kontrollierten Atemzügen und hielt den aufsteigenden Zorn in Schach. Nein, Jharrns Respektlosigkeit sollte mich nicht meiner Stellung entheben, hatte ich doch jenen Platz unter den Herren mit all meinem Herzblut und Schweiß erstritten!

      Einige Jahre mochten wohl über die Lande ziehen; Jahre, in denen ich unter Jharrn das Haupt senken musste. Dann würde eine neue Ära der Diebe anbrechen, eine Zeit, in der ich mir die Anerkennung der männlichen Wasserdiebe erwarb und das festgefahrene Gedankengut des Stammes durchbrach. Eine Zeit, in der Frauen nicht bloß dem Pfad der Jäger und Krieger folgen würden, sondern den Respekt der Götter beim Ritual des Wasserdiebstahls zu verdienen und sich darin allen engstirnigen Regularien zu widersetzen vermochten.

      Immerzu hieß es: Das Weibliche wäre zu wertvoll, die Aufgabe viel zu gefährlich, der Diebstahl Sache der Männer.

      Doch im Herzen wusste ich:

      Ganz egal, was Jharrn sagt …

      Ich bin gut genug. Und mein Glaube trägt mich durch jede Gefahr.

      Mit halbgeschlossenen Lidern beobachtete ich das Aufklaren des Wüstensandes, als sich Jharrns Spucke unter der Sommerhitze mit der flimmernden Luft vereinte und jegliche Erinnerung an seine Gesten verwischte. In jenen Momenten glitt ein Windhauch wie ein tröstendes Versprechen über meinen Körper, spielte mit den widerspenstigen Strähnen, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten, und flüsterte mir eine verheißungsvolle Zukunft ans Ohr.

      Eine, in der Wind über grüne Grasebenen tanzte. Eine, die allein mir gehören sollte.

      Mit der Fingerkuppe löste ich den Sand von einem der Steppengrassprösslinge und strich über die schwachen Blätter der Pflanze. Noch ahnte ich nicht, dass die kleinen Wedel nicht aufgrund meiner bloßen Berührung zu vibrieren begannen.

      ***

      Ein ohrenbetäubendes Donnern erfüllte die Luft und versetzte den Boden unter unseren Körpern in Schwingung, als wir den Warnton aus dem Rufhorn der Reiterkrieger vernahmen. Zunächst blieben wir ohne Regung auf unseren Posten im Gras, spürten den Bewegungen des Erdbodens nach und verharrten in vollkommener Verwunderung, als hätte man uns an Ort und Stelle mit Blei festgekettet.

      Mit den Augen verfolgte ich den Weg zweier Erdklumpen, die verdächtig von ihren windgeformten Miniaturdünen zu rollen begannen. Dann erkannte ich eine gewisse Vertrautheit in den Vibrationen des Bodens. Dumpfe Klänge in rhythmischen Takten. Roh. Wild. Mal sanfter. Mal härter.

      Unverkennbar der Melodie einer Hetzjagd folgend und …

      »PFERDE!«

      Jharrn fasste die unheilverkündende Erkenntnis in Worte.

      Ein Warnton aus dem Horn unserer Reiter wäre wohl kaum über die Steppe gefegt, hätte es sich bei den Pferden um unsere eigenen Reittiere gehalten, oder?

      Im Schock des eigenen Gedankenguts erfroren, starrte ich auf die wankenden Grasbüschel vor meinen Augen und lauschte dem Geräusch der donnernden Hufe, die in halsbrecherischer Geschwindigkeit auf unser Versteck zuhielten. Wie ein tosender Sturm erschütterte die Hatz der Reiter das Land, fegte gewittergleich über das Steppengras und versetzte selbst die Sandschicht über den verhärteten Erddeckeln in Schwingung. Einen Moment war mir, als vermochte der fliehende Sand eine Melodie anzustimmen.

      Die Dünen sangen das Lied der Wüste.

      Mein Herz schien einige Schläge lang auszusetzen, bloß, um in den folgenden Sekunden Kapriolen zu schlagen und mich endlich aus meiner Schockstarre erwachen zu lassen.

      »Grundgütige Epona, was …?!«, wollte ich fluchen.

      Dann ließ mich die Vernunft meine Worte vergessen und Taten anstatt sinnloser Flüche folgen. Ich zog mich an einem der Wüstengrasbüschel auf alle viere, reckte meinen Kopf über den Rand der Rispen und sah, was sich am Rande der Stadtgebiete ereignet hatte. Wo unsere Reiter die Mauerwachen hätten ablenken und fort von der Bruchstelle locken sollen, da harrten noch immer die Städter mit eisern erscheinenden Körpern. Jedoch standen die Tore der Legendenstadt Gwerdhyll weit offen und entließen berittene Soldaten auf das Land der Namenlosen, sodass unsere Krieger – in der Unterzahl und mit den jungen Kriegersprösslingen im Schlepptau – nur mehr die Flucht zu ergreifen vermochten.

      Sie flohen kopflos. Haltlos. Unbedacht.

      In unsere Richtung hielten die Reiter … und nahmen ein gesamtes Verfolgerpack mit sich.

      »Verdammte Scheiße!«, bellte nun auch der Wassermeister, der direkt vor mir aus den Grasbüscheln schoss und fassungslos die staubwirbelnde Reitergruppe mit Blicken der Ungläubigkeit verfolgte. »Mit welch einer Torheit sind diese Männer gestraft?! Mit welch einer Strafe bin ich heute gesegnet?«

      In einer fließenden Bewegung beugte sich Jharrn zur Seite, reckte seine Hand zwischen die Rispen und griff nach dem Kragen des Reiterkriegers. Krusadh wurde einfach vom Boden gerissen und konnte in den Händen des kräftigeren Mannes kaum das Gleichgewicht finden, als dieser die Hand um seine Kehle zu schließen begann. Wohl wussten beide Männer, in welch einem Tempo die Reiter auf unsere Position zusteuerten … und wie wenig Zeit vor der unmittelbaren Katastrophe verblieb … Doch schien der Wassermeister bloß einen Gedanken zu hegen: Krusadh für den nahenden Tod büßen zu lassen.

      Jharrn schüttelte sein nahezu wehrloses Opfer mit beiden Händen, sodass sich die schwarzen Strähnen seiner Haare mit dem Schweiß in seinen Zügen verklebten und das Gesicht des Wassermeisters in eine teuflische Fratze verwandelten.

      »Welche Anweisung haben die Männer?!«, brüllte Jharrn dem jungen Krieger entgegen.

      Seine zierliche Nase kam dem kantigen Kriegergesicht viel zu nahe, als Krusadh mit den Händen nach den Armen des Meisters griff und seinen Kopf mit aller Wucht nach vorn schleuderte. Die breite Stirn traf die wesentlich schwächere Nasenpartie, als wäre ein Meteorit auf den trockenen Boden geschlagen.

      Schon taumelte der Meister ein paar Schritte zurück.

      Mit einem erschreckenden Male schien sein Blick in weite Ferne gerückt und richtete sich unter Irritation auf einen horizontnahen Punkt, als er das Blut unter seinen Nasenflügeln mit den nackten Unterarmen verwischte. Die Pupillen weiteten sich in ihren steppengrasgrünen Betten auf unnatürliche Größe, zuckten


Скачать книгу