Mythor 23: Befehle aus der Schattenzone. Peter Terrid

Mythor 23: Befehle aus der Schattenzone - Peter Terrid


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soll deine Zukunft aus dieser Hand erfahren«, sagte er laut.

      Die Frau kam näher, ein wenig furchtsam, wie es schien. Ein rascher Seitenblick verriet, dass sie offenbar sehr schlechte Erfahrungen mit einem der Gäste gemacht hatte – nur wen sie von den Drillingsbrüdern meinte, ließ sich aus dem scheuen Blick nicht erahnen.

      Jamis hielt der Frau die Rechte entgegen.

      »Du musst sie öffnen«, bat das Weib. Sie gefiel Jamis, aber er achtete seinen Auftrag höher, daher hielt er sich zurück.

      Jamis lächelte.

      »Lies aus der verschlossenen Hand«, sagte er. »Wie wird die Zukunft deines Gefährten sein?«

      Über das Gesicht der Frau flog ein Lächeln.

      »Golden!«, sagte sie laut.

      Jamis lachte und gab die Münze frei. Zarah fing sie geschickt auf und ließ sie irgendwo an ihrem Körper verschwinden.

      »Du gehst verschwenderisch mit deinem Golde um, Jamis«, sagte Corian freundlich.

      »Warum nicht, Graf«, gab Jamis kalt zurück. »Das wenige, was wir haben, warum sollen wir es nicht auf diese Art verschwenden? Nur ein paar Wochen, ohne dass wir uns geeinigt haben, und dieses Weib wird nicht nur die Münze gegen den gierigen Finger eines Caer verteidigen müssen.«

      »Gut gesprochen, Jamis«, gellte Graf Codgins unangenehmes Organ durch die Halle. »Deine Männer werden unseren Heereszug bereichern.«

      »Wenn er zustande kommt«, versetzte Jamis gelassen.

      Die drei Brüder grinsten blöde. Von ihnen war nicht viel zu erwarten, sie waren nur an Weibern, Wein und Würfelspiel interessiert. Es hieß, ein Magier habe ihnen einst eine große Zukunft vorausgesagt; jetzt sahen sie aus, als hätten sie eine minderwertige Vergangenheit, und das traf vermutlich auch zu.

      »Wie viele Krieger wirst du aufbieten können im Herzogtum Nugamor?«, wollte Gapolo ze Chianez wissen. Der Stammesfürst der Salamiter war nach dem Selbstverständnis des Jamis von Dhuannin der nach Graf Corian bedeutendste Teilnehmer der Versammlung. Jamis schätzte ihn auf vielleicht sieben Tausendschaften erstklassiger Truppen, die unter den Standarten der Salamiter und unter Gapolos guter Führung antreten konnten. Das war zwar nicht soviel, wie sich Jamis von anderen Ländern an Kontingenten erhoffte, aber die Salamiter waren besonders unter Gapolos Führung ein hochwichtiger Truppenteil, vielleicht sogar die Elite des vereinigten Heeres.

      Es galt, dies und vieles mehr abzuwägen in der Antwort. Jamis sah sein Gegenüber ernst an.

      »Jeden Mann, der in der Lage ist, einen Kiesel zu heben und zu schleudern«, sagte er. »Der Feind steht an unseren Grenzen. Schon lodern allnächtlich die brennenden Gehöfte in den Himmel, schon werden unsere Bauern wie Vieh davongetrieben, die Weiber geschändet, die Kinder erschlagen, das Korn verbrannt, das Vieh erstochen. Bedarf es weiterer Antwort?«

      »Ihr habt Sorgen bei euch in Nugamor?«, erkundigte sich Graf Codgin boshaft. Seine Perücke war ein wenig verrutscht und zeigte, dass die Haarpracht des eitlen Grafen arg zu wünschen übrigließ. Jamis hatte ihn im Verdacht, von Ungeziefer zu wimmeln.

      »Sie liegen räumlich vielleicht ein wenig weiter entfernt als die euren, teurer Graf«, gab Jamis zurück, »dafür sind sie aber ein klein wenig wichtiger als eure Kümmernisse.«

      Brüllendes Gelächter antwortete dieser Spitze des Gesandten. Die Anspielung war von jedermann verstanden worden. Dass die Lendenkraft des gefallsüchtigen Codgin ebenso gering war wie seine Gier nach Valida groß, galt als allgemein bekanntes Geheimnis. Valida war gerade erst sechzehn Jahre alt geworden, der grabschgierige Graf hingegen näherte sich dem siebten Jahrzehnt.

      Jamis konnte sich diese Bosheit erlauben. Auch dieser Hieb unter die Gürtellinie würde den Grafen in seiner Gier nicht bremsen, und kam er zum Ziel, würde er nicht umhinkönnen, seine Politik mit der des Grafen Corian abzustimmen.

      Graf Codgin stand hastig auf. Seine drei Bastarde griffen geziert zu den Waffen.

      »Wie meinst du das?«, fragte er scharf. »Willst du mich verhöhnen?«

      Jamis überlegte kurz, ob der Zeitpunkt gekommen war, wenigstens einen der drei Söhne einen nutzlosen Kopf kürzer zu machen. Es hätte ihm Spaß gemacht, dem stutzerhaften Codgin den Schädel einer seiner drei missratenen Lendenfrüchte vor die Füße zu legen.

      »Heda, Spielleute!«, rief Graf Corian. »Schlagt die Trommel, spielt die Zimbeln, lasst erklingen, was angenehm ist. Ich will mich amüsieren, bei allen Geistern des Guten!«

      Er griff kurz an eines der zahlreichen Amulette, die reichlich auf den Tischen lagen. Aus den hinteren Räumen drängte sich eine Schar aufgeputzter Weiber heran und verstreute sich unter den Gästen. Das Gelage näherte sich seiner Krönung.

      Jamis sonderte sich unauffällig ab.

      Die Sitten der Ugaliener – falls das hemmungslose Nachgeben jeglicher Begierde als Sitte bezeichnet werden konnte – waren dem Gesandten bekannt, er duldete sie, schätzte sie aber nicht in jedem Fall. Wichtig für den Boten des tainnianischen Herzogs war nicht, die Ausschweifung zu bekämpfen, die in Burg Anbur zur Tagesordnung gehörte. Wichtig war nur eines, einen möglichst großen Heerbann zusammenzustellen, mächtig genug, den Horden der Caer zu begegnen, sie zu Paaren zu treiben und ihnen ein für allemal das Zurückkommen zu verleiden.

      »Schöner Herr«, flüsterte eine Frau in Jamis' Ohr. Er hatte sie nicht kommen hören, kein Wunder, denn vom Haar bis zu den Füßen war sie nackt. Ihre Stimme klang ein wenig heiser.

      »Geh!«, stieß Jamis hervor. »Lass mich in Ruhe!«

      Willfährigkeit und Gehorsam, den Weibern der Ugaliener eingeprügelt, sobald sie entwöhnt waren, hielten sich die Waage, dann huschte das Weib davon.

      »Dirne«, murmelte Jamis wütend.

      Er trat auf einen der Söller der Burg. Der Abend dämmerte heran. Aus den Säumen des nahen Waldes kroch wie ein fahles Omen der Abendnebel heran.

      Jamis sah hinunter auf das Treiben im Innern der Burg. Auf dem Hof tummelte sich allerlei Volkes, hauptsächlich Ugaliener in jedem Stand der Trunkenheit, dazwischen auch Söldner aus allen Ländern unter der Sonne, zum Teil gerade erst durch billiges Geld und willige Weiber angeworben. Jamis konnte sich ausrechnen, woher sich der zweifelhafte Haufen rekrutierte. Es waren Flüchtlinge aus ugalienischen Landen, dazu massenweise Vertriebene aus den von den Caer arg bedrohten Orten Darains.

      »Mit solchem Heer die Caer werfen?«, murmelte Jamis im Selbstgespräch.

      »Ausgeschlossen«, sagte eine kalte Stimme hinter ihm. Am harten Akzent erkannte Jamis den älteren der beiden Karsh.

      Jamis drehte sich herum.

      »Es ist zuchtloses Gesindel«, sagte der Karsh. Hinter ihm standen zwei seiner zehn Krieger. Sie trugen Ziegenfelle als Umhang, einen Ziegenkopf als Helmzierde. Sie waren, wie fast alle Karsh, nicht übel bewaffnet. Aus fellbespannten Holzrahmen bestanden ihre Schilde, leidlich mit Eisen verstärkt, mit Trophäen reich behangen. Die eigentlichen Waffen entstammten ugalienischen Werkstätten. Immerhin, die Karsh wussten sie zu handhaben. »Ein Karsh nimmt es mit zehnen von ihnen auf.«

      »Möglich«, murmelte Jamis geistesabwesend.

      »Niemand nennt, was ich sage, möglich. Es ist wahr, oder willst du die Schärfe meines Schwertes schmecken?«

      Jamis sah ihn offen an.

      »Beruhige dich«, sagte er kalt. »Du würdest mich zwar im offenen Kampf schlagen, aber dafür würde dich einer meiner Mordbuben meucheln.«

      Der Karsh zog die Brauen in die Höhe. Fassungslos ob des Geständnisses sah er Jamis an, dann verzog er die Lippen zu einem breiten Lachen.

      »Jamis von Dhuannin«, stieß er prustend hervor, »du bist mein Mann, ich muss mit dir trinken. Ein heimtückischer Meuchler, aber ehrlich ... dass es so etwas gibt.«

      »Ich finde es schön, dass wir uns


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