Perry Rhodan 3066: Drangwäsche. Michael Marcus Thurner
du hast keine Ahnung, was Shaupaard mit diesem ominösen in Betracht gezogen meinte?«
»Er weigerte sich, mir mehr zu verraten.«
»Ein schönes Geschenk.« Dou unterdrückte einen bitterbösen epsalischen Fluch.
»Möglicherweise ein Danaergeschenk«, sagte Icho Tolot.
»Wie bitte?« Dou war irritiert.
»Ein Geschenk, das sich als unheilvoll herausstellt. Eine Falle. Und dennoch ... wir sollten dieser Spur nachgehen.«
»Weil?«
»Alles, was uns weiterhilft, die Cairaner besser zu verstehen, dient dazu, die Lage in der Milchstraße zu unseren Gunsten zu verbessern. Wir dürfen eine derartige Chance nicht auslassen.«
»Aus Sicht der Internen Bordsicherheit sollten wir das sehr wohl. Fürs Protokoll, ANANSI: Ich gebe zu bedenken, dass Expeditionsleiter Icho Tolot derzeit in seiner Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt ist. Die beginnende Drangwäsche verleitet ihn dazu, höhere Risiken einzugehen.«
»ANANSI kann die Risiken gerne bewerten«, sagte Tolot ruhig. »Sie wird zum selben Schluss wie ich kommen. Das Verhalten der Cairaner in der Milchstraße ist für uns nach wie vor rätselhaft. Also sollten wir dieser Spur folgen.«
Onker Dou blieb ruhig. Er zeigte Gefahren auf, er plädierte für Vorsicht. Das war seine Aufgabe. Wenn Tolot, ANANSI und Holonder eine Entscheidung gegen seine Vorschläge trafen, würde er es hinnehmen. Wie immer.
Es machte seine Aufgabe als Icho Tolots Aufpasser allerdings nicht leichter.
5.
Vermehrte Anzeichen
Icho Tolot bewunderte die Hartnäckigkeit Onker Dous – und verachtete sie gleichermaßen. Der Epsaler, dessen Gehabe und gedrungenes Aussehen an eine terranische Bulldogge denken ließ, wich kaum einmal von seiner Seite. Dou beobachtete, er schätzte ab, machte Anmerkungen zu Tolots Verhalten. Er verwendete dabei seinen militärisch geformten Verstand, der ihn als Absolvent einer der berühmt-berüchtigten epsalischen Militärakademien auszeichnete.
Unter anderen Voraussetzungen wäre Icho Tolot von Dous Hartnäckigkeit angetan gewesen. Nun aber, da sich die Drangwäsche immer deutlicher ihren Weg bahnen wollte, fühlte er Abneigung. die sich zusehends verstärkte und nur allzu bald in Wut übergehen würde.
Tolot hieb auf den terkonitverstärkten Schlagklumpen ein. Da und dort zeigten sich Beulen in der zuvor glatten Oberfläche. Auch lange Kratzspuren, die er mit seinen Krallen gezogen hatte. Metallspäne bedeckten den Boden der Trainingshalle, die für ihn freigeräumt worden war.
Onker Dou stand 30 Meter von ihm entfernt. In einer Schutzecke, die jederzeit von einem Schirm eingefasst werden konnte.
Tolot hätte ihn mit einem Satz erreichen können, aber im Zweifelsfall hätte ANANSI Dou rechtzeitig abgeschirmt. Falls sie wirklich auf alle Umstände vorbereitet war. Hatte sie Datensammlungen über die Drangwäsche der Haluter? Etwa sogar über seine eigenen?
Ein Hieb, dann noch einer. Der tonnenschwere Metallblock ächzte, als Tolot sich gegen ihn stemmte und ihn zentimeterweise vor sich herschob.
Tolot wusste, dass die meisten Milchstraßenbewohner die halutische Drangwäsche nicht so recht verstanden. Sie sahen bloß ihre Auswirkungen – und hielten Haluter während der Drangwäsche für Ungeheuer, die sich nicht unter Kontrolle hatten.
Es gab kaum ein Volk in der Milchstraße, dessen Vertreter sich besser zu beherrschen wussten als Haluter. Stets waren sie nüchtern, höflich, zuvorkommend, liebevoll. Nur wenn das Vurhatu über sie kam, ließen sie ihren Gefühlen freien Lauf.
Das hormonell und mental-strukturell bedingte Aggressionspotenzial wurde in proto-moralische Bahnen gelenkt, wie es Bré und Anni K. Tsinga in ihrem Meisterwerk zur Drangwäsche formuliert hatten. Haluter begaben sich rücksichtslos in Konfliktsituationen. Hatten sie dabei die Wahl zwischen zwei Seiten, stellten sie sich auf die Seite des Schwächeren – da ihr Verstand aber in dieser Zeit erheblich in Mitleidenschaft gezogen war, urteilten sie dabei oft voreilig und deswegen falsch.
Aber Haluter brauchten die Drangwäsche. Sie allein schuf einen Ausgleich zwischen dem Anspruch der ehrbaren Haluter und dem gewaltbereiten Erbe der Bestien. Nachdem die Aggressionen ausgelebt waren, konnte der betroffene Haluter wieder seinen normalen Gepflogenheiten nachgehen.
Um das innere Gleichgewicht möglichst schnell wiederherzustellen, gingen Haluter in Drangwäsche höhere Risiken ein, agierten dabei aber nur in den seltensten Fällen blindwütig. Sie leiteten ihren Kräfteüberschuss ab. Konnten das Terraner, Arkoniden, Blues oder Tefroder auch von sich behaupten?
Tolot fuhr mit den Krallenhänden seiner vier Arme unter den Terkonitblock und hob ihn ruckartig an. Seine Muskeln spannten sich, enormes Gewicht lastete auf Beinen und Schultern.
Er wuchtete den Block an einer Kante weiter hoch und ließ ihn vornüber kippen, rammte seinen Kopf gegen die neue Frontseite und verbiss sich mit den Zähnen am Randstück. Es fiel ihm schwer, ein Stück davon abzubeißen, aber es gelang.
Terkonit hatte keinen Geschmack. Geschmack spielte allerdings keine Rolle. Er benötigte Energiezufuhr. Etwas, das seinen Konvertermagen beschäftigte.
»Ich habe eine Überraschung für dich«, rief ihm Onker Dou zu.
Tolot richtete sich irritiert auf. Eine Überraschung? Was ...
Etwas traf ihn mit Wucht. Ein fremder Körper!
Dou hatte es geschafft, ihn abzulenken. Tolot hatte die heranfliegenden TARAS nicht bemerkt. Sie stürzten sich wie Insekten auf ihn, piesackten ihn, griffen ihn von mehreren Seiten zugleich an.
Zwölf Kampfroboter, augenscheinlich Ausschussware, vermutlich ihres Plasmaanteils beraubt und entkernt. Tumbe Maschinen, die als Sparringpartner für ihn gedacht waren und leicht zu besiegen waren.
Er ließ seine Handlungsarme kreisen, drehte sich dabei um die eigene Achse, sprang aus dem Stand etwa zehn Meter hoch. Alles war spielerisch, alles war ohne große Mühe ausgeführt.
Die TARAS wichen aus. Sie folgten dabei Verhaltensmustern, die Tolot kennenlernen musste. Ebenso musste er in Erfahrung bringen, welche der Kampfmaschinen die Koordination übernahm.
Es war eine Leichtigkeit, die notwendigen Informationen herauszufiltern. Einer der TARAS hielt sich ein klein wenig zurück. Er dirigierte die anderen Maschinen mit Funkbefehlen. Seine eigenen Angriffe erfolgten mit fast einer Hundertstelsekunde Verzögerung.
Der Kampf war enttäuschend. Die Roboter forderten Icho Tolots Fähigkeiten nur wenig. Die Positroniken waren terranisch normiert. Tolot wusste ganz genau, was ihn erwartete.
Er ließ sich Zeit mit der Zerstörung der TARAS. Zwei klatschte er gegen die Wand hinter ihm, einen dritten zertrampelte er. Zwei weiteren verknotete er die Arme ineinander, bevor er sie mit den Ortungsköpfen gegeneinander krachen ließ.
Schließlich nahm er sich den Koordinator vor, griff nach ihm, riss ihm die Tentakel aus und rammte ihn in den Boden. Die schützende Metallhülle verbog sich und gewährte Tolot einen Blick auf die Steuereinheit in den Eingeweiden des TARAS.
Er griff ins Innere des Kampfroboters und zerstörte sein Denkzentrum, bevor er die Überreste mit Wucht gegen eine der wenigen übrig gebliebenen Maschinenwesen kickte ...
Langweilig. Keine Herausforderung.
Es wurde Zeit, dass er die RAS TSCHUBAI verlassen und die Anspannung so richtig abbauen konnte.
Tolot zerschmetterte den letzten TARA auf dem Metallblock und ließ die Schrottteile achtlos zu Boden fallen.
»Genug!«, sagte er in Dous Richtung.
»Bist du müde?«, fragte der Epsaler und löste sich aus seiner Ecke.
»Nein.« Mehr wollte Tolot nicht verraten. Er fühlte sich getestet und ausgelotet, immer wieder. Dou unternahm alles, um mehr über