Garteln ohne Garten. Karl Ploberger
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LIEBE GARTLERINNEN UND GÄRTLER!
Es waren schon außergewöhnliche Zeiten, als ich zum ersten Mal als Student ohne Garten leben musste. Weit weg von daheim, wo der Garten der Kindheit so viel Erlebnis und Erfahrung bescherte, musste ich plötzlich mit nur eineinhalb Quadratmeter Balkon auskommen. Doch ich nutzte die Chance! Garteln war damals kein Lifestyle, Kräuter ziehen kein Lebensgefühl und frische Beeren kein Superfood. So gab es bei mir zunächst einfach eine Mischung aus Zier- und Genusspflanzen, und praktisch alles, was in „meinem“ Garten daheim wuchs, wuchs dann auch auf dem Balkon. Der Nachbar, der seine Terrasse ebenfalls im vierten Stock hatte, meinte angesichts des Dschungels: „Dass hier noch Menschen Platz finden!“ Ja, wir fanden Platz. Schon damals wohnte ich mit meiner Frau zusammen, und obwohl der Balkon übervoll mit Pflanzen war, hatte ein kleiner Tisch mit zwei Hockern Platz. Radieschen gab es daheim im Garten schon früh im Jahr, denn ich hatte dort in meiner Heimat Frühbeete und später ein kleines Gewächshaus. So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Miniglashäuser und Vliesabdeckungen auch auf unserem kleinen grünen Stadtparadies in luftiger Höhe einfanden. Dadurch begann das Gartenjahr im zeitigen Frühjahr. Vorgezogen auf der Küchenfensterbank standen neben den Küchenkräutern Salate in den Startlöchern, ehe sie in kleinen Blumenkisterln ausgepflanzt wurden. Tomaten wurden vorgezogen, genauso wie Pfefferoni (von Chili sprach damals noch niemand), Stangenbohnen, Erbsen, Zucchini und Gurken. Ein Garten Eden, ein kleines feines Schlaraffenland … Und weil das Gartenjahr für mich auch nicht mit dem einsetzenden Frost enden sollte, gab es in der Wohnung Zimmerpflanzen in allen Variationen. Die gab es übrigens schon davor, als eine erste Studentenbude gerade einmal 20 Quadratmeter maß, aber ein großes Fenster viel Licht hereinließ und so Philodendron, Yucca & Co. kräftig wachsen ließ. Heute ist Garteln mitten im Leben angekommen, „Urban Jungle“ nennt man das Zimmerpflanzenparadies im Wohnzimmer, und Jung und Alt pflanzen, ernten und genießen – drinnen und draußen. Auch ohne Garten!
© Christoph Böhler
Ihr Biogärtner
Karl Ploberger
© Christoph Böhler
DRAUSSEN
GARTELN ohne GARTEN
Wilde
Bienenträume
OASE FÜR DIE INSEKTENWELT
Schmetterlinge, die von Blüte zu Blüte gaukeln, summende Bienen und das zarte Blühen von Hunderten Wiesenblumen auf einer einsamen Bergwiese. Von einem Stück unberührter Natur träumt der Mensch von heute und soll es haben. Wildblumen wachsen auch im Kleinen auf Terrasse, Balkon und Fensterbank. Die Üppigkeit der Blüten ist zwar eine andere als die von Pelargonien & Co., doch genau diese Zartheit im Wachsen und Blühen macht den Reiz aus.
WILDE BLÜTEN IN LUFTIGER HÖHE
Pelargonien, Petunien, Tagetes und Zinnien – die Liste könnte man endlos fortsetzen. All diese Balkon- und Beetpflanzen findet man in unseren Gärten, auf den Balkonen und in Parks. Und doch gibt es seit einiger Zeit die Faszination für das Ursprüngliche, das Heimische. Wildstauden sind gefragt – als robuste Alternative, als Nahrungsquelle für viele Tiere und letztlich oft als unbekannte Köstlichkeit in der Küche. Denken Sie nur an die Gundelrebe, die im Rasen oft Sorgen bereitet und auch im Kisterl gut gedeiht.
Die Rundblättrige Glockenblume wächst auch in luftiger Höhe
© Ploberger
© Christoph Böhler
NEUE NATÜRLICHKEIT IST LIFESTYLE
„Hirsch Haarstrang“, „Quirl Salbei“, „Milder Mauerpfeffer“, „Teufelsabbiss“ oder „Nickendes Perlgras“ – allein die deutschen Namen machen neugierig. Was lange Jahre nur im Biologieunterricht oder in Pflanzenlexika zu finden war, ist nun salonfähig geworden. Verkehrsinseln ergrünen mit heimischen Pflanzen, Blumenbeete im Garten erfreuen mit den robusten heimischen Gewächsen. Und selbst in der Stadt findet man sie in alternativen Balkonkisterln.
Oft aber scheitern die Blumenfreunde, weil sie die Ansprüche der heimischen Wildpflanzen nicht kennen. Wer beispielsweise eine Packung Blumenwiesensamen in ein Kisterl streut, hat oft wenig Erfolg, denn es gibt einige Vorlieben, die diese wilden Blumen haben. Heimische Stauden und einjährige Kräuter – vor allem jene in der Blumenwiese – benötigen einen absolut offenen, durchlässigen Boden, ohne von anderen Pflanzen bedrängt zu werden. Im Garten muss dazu die oberste Humusschicht mit dem Rasen abgetragen, dann die Erde tiefgründig gelockert und möglichst viel grober Sand eingearbeitet werden. Und niemals düngen! In Blumenkisterln, in Schalen oder auf Gründächern muss die Erde genauso nährstoffarm sein. Wildblumen benötigen, wenn man sie einmal in die richtige Erde (siehe „Weise Erkenntnis“) gepflanzt hat, nur etwas Wasser. Das war’s. Und viele Pflanzen in solchen Kisterln kommen jedes Jahr wieder, ohne dass man immer wieder neu pflanzt.
NIEMALS IN DER NATUR AUSGRABEN!
Keinesfalls, und darauf sei hier ausdrücklich hingewiesen, darf man Pflanzen in der Natur ausgraben. Da dies meist dann erfolgt, wenn sie blühen, sind außerdem ihre Überlebenschancen gering. Besorgt man sich aber bei Fachgärtnereien die vorgezogenen Jungpflanzen, dann erreicht man schon nach wenigen Wochen eine eindrucksvolle Wirkung. Nicht nur für uns! Denn das Besondere an Wildpflanzen ist, dass sie die wahren Nahrungsquellen für Insekten sind.
© vic_nick/Shutterstock.com
DIE AUSWAHL AN WILDBLUMEN IST ENORM, UND DOCH SOLLTE MAN IMMER DARAUF ACHTEN, WELCHE LICHT- UND BODENVERHÄLTNISSE GEWÜNSCHT WERDEN. DAS IST BEI WILDPFLANZEN VIEL WICHTIGER ALS BEI DEN ÜBLICHEN BALKONBLUMEN.
WILDPFLANZEN SIND PFLEGELEICHT
Kommt es einmal vor, dass man das Gießen vergisst, dann überstehen das die meisten problemlos. Sie vertrocknen zwar oberirdisch, aber der Wurzelstock bleibt erhalten. So sprießt nach einem erlösenden Wasserguss bald wieder saftiges Grün und lässt die Trockenzeit rasch vergessen. Besonders bei großen Dachbepflanzungen überrascht es, wie flott sich die Pflanzflächen regenerieren – ohne Bewässerung oder Extrapflege.