Robert Koch. Barbara Rusch

Robert Koch - Barbara Rusch


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Ruhr, Pest, Poliomyelitis (Kinderlähmung), Diphterie, dem Milzbrand, oder auch den Pocken oder den Masern zumindest auf rein medizinischer Ebene nicht mehr so hilflos wie einst gegenüberstehen, ist den Forschungen im riesigen Reich der Kleinstlebewesen zu verdanken – Forschungen, die Robert Koch in ihren Anfängen entscheidend mitgestaltete. Er läutete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit seinen Arbeiten eine neue Ära in der Medizin ein, als er hieb- und stichfest bewies, dass für den Ausbruch und die Verbreitung verschiedener Infektionskrankheiten jeweils spezielle Erreger verantwortlich sind. Es war eine jener bahnbrechenden Entdeckungen, die in der medizinischen Forschung und Praxis einen regelrechten Quantensprung nach sich ziehen. Im 19. Jahrhundert waren dies beispielsweise die Vertiefung des anatomischen Wissens und die Einführung der Narkose in der Chirurgie, die Entdeckung der Zellen und der Veränderungen, die Krankheiten in ihnen auslösen, das wachsende Verständnis um die Bedeutung der Hygiene – und damit untrennbar verbunden der Vorstoß in das Universum der Mikroorganismen.

      Als Wissenschaftler und Begründer der Bakteriologie ebnete Robert Koch mit den Ergebnissen seiner Forschungen und den von ihm entwickelten naturwissenschaftlichen Standardmethoden den Weg für die moderne Medizin, die nunmehr effektive vorbeugende und therapeutische Methoden gegen gefährliche und potenziell tödliche Infektionskrankheiten entwickeln konnte. Er arbeitete an großen medizinischen Problemen seiner Zeit – allen voran der Tuberkulose –, und als ausgebildeter Arzt versuchte er, die Ergebnisse seiner Arbeit in praktischen medizinischen Nutzen umzusetzen, sei es bei der Entwicklung effektiver Desinfektionsmethoden oder weitreichender Hygienemaßnahmen.

      Dank der wissenschaftlichen Leistungen Robert Kochs und zahlloser anderer Forschender können wir heute in Hinblick auf viele Infektionskrankheiten so sorglos leben, wie es im 19. Jahrhundert, als Koch seine Karriere begann, kaum vorstellbar war: Sie spielen heute nicht mehr die tödliche Rolle wie in jenen Zeiten. Dies gilt zumindest für wohlhabende Gebiete mit entsprechender Infrastruktur, die ihren Bevölkerungen hohe hygienische Standards, Zugang zu sauberem Wasser und eine hervorragende medizinische Versorgung bereitstellt – und im Durchschnitt länger leben lässt als die Menschen vor 150 Jahren.

      Im ärmeren Rest der Welt fordern jedoch noch immer Lungenentzündungen, Durchfallerkrankungen wie Cholera, Typhus und Ruhr, AIDS, Tuberkulose und Malaria viel zu viele, vermeidbare Todesopfer. Und es bleibt abzuwarten, ob nicht auch bei COVID-19 die Menschen in wirtschaftlich schwachen Ländern letztendlich auf der medizinischen Verliererseite stehen: Damit die Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 auch die ärmeren Nationen erreichen, haben die WHO, einige andere Organisationen sowie Pharmaunternehmen zwar die Impfstoffplattform COVAX gegründet, der mittlerweile rund 190 Länder beigetreten sind. Allerdings haben sich die reichsten Nationen bereits ihre Impfdosen direkt bei den Herstellern in mehr als ausreichender Menge reserviert. Es ist zu befürchten, dass die Länder mit den kleinsten Budgets erst einmal das Nachsehen haben, bis so viel Vakzine produziert wurden, dass auch sie versorgt werden.

      Herausforderungen wie COVID-19 lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Auch Robert Koch, der vom einfachen Landarzt und Amateurforscher zum Nobelpreisträger aufstieg, lernte von den Arbeiten anderer, arbeitete einen großen Teil seines Lebens im Team und war international vernetzt. Mit einem ganzen Mitarbeiterstab begründete er zudem eine Institution, die spätestens seit 2020 direkt ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt ist: das Robert Koch-Institut.

      DAS ROBERT KOCH-INSTITUT

      Ab 1891 leitete Robert Koch als erster Direktor das Königlich Preußische Institut für Infektionskrankheiten, eines der ersten biomedizinischen Forschungsinstitute weltweit. Die wissenschaftlich-experimentellen Abteilungen befanden sich in der Schumannstraße, die klinische Abteilung auf dem Gelände der Charité. Heute steht dort das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie. Das Institut erledigte Aufgaben für Städte und Reichsbehörden und beantwortete auch internationale Anfragen, etwa für die Erstellung von Gutachten.

      1897 bis 1900 wurde am Nordufer 20 im Wedding ein neues Gebäude errichtet, in dem das Robert Koch-Institut noch heute seinen zentralen Sitz hat. Zum Institut gehörten damals Ställe für die Versuchstiere. Gleichzeitig entstand gegenüber das städtische Rudolf-Virchow-Krankenhaus. Der Leiter der dortigen Infektionsabteilung war zugleich Mitarbeiter des Koch’schen Instituts. So wurde das Prinzip der sich ergänzenden wissenschaftlichen und klinischen Abteilungen beibehalten. 1912 wurde das Institut zum 30. Jahrestag der Entdeckung des Tuberkulose-Erregers in Königlich Preußisches Institut Robert Koch umbenannt. Das »Königlich« tilgte man nach dem Ersten Weltkrieg aus dem Namen.

       »Man muß nicht wissen, wer den Tuberkelbazillus entdeckt hat.«

      ROBERT KOCH

      Unter den Nationalsozialisten war das Institut von 1933 bis 1945 als staatliche Forschungseinrichtung eng in die NS-Gewaltpolitik eingebunden – und stellte sich willig in den Dienst des Regimes. Bereits 1933 wurden sämtliche jüdischen Mitarbeitenden entlassen, vakante Stellen danach vor allem mit überzeugten Nationalsozialisten besetzt. Wissenschaftler des Instituts regten grausame, oft tödliche Menschenexperimente in Heilanstalten und Konzentrationslagern an und führten sie teils auch selbst durch. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden nur wenige für diese Verbrechen verurteilt.

      Nach Kriegsende wurde das Robert Koch-Institut 1945 dem Magistrat von Groß-Berlin zugeordnet und übernahm Aufgaben der Seuchenbekämpfung. Ab 1952 gehörte es zum Bundesgesundheitsamt, das 1994 aufgelöst wurde. Seitdem ist das Institut eine wissenschaftliche Obere Bundesbehörde im Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Seine Aufgaben bestehen vor allem darin, Infektionskrankheiten zu erkennen, zu verhüten und zu bekämpfen. Zudem ist es für die Beobachtung und Analyse der Gesundheitssituation in Deutschland zuständig und die zentrale Institution auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention sowie das Leitinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst.

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       Mehr als 30 Jahre lang war Robert Koch wissenschaftlich tätig. Mit seiner Arbeit läutete er eine neue Ära in der medizinischen Forschung ein.

       Aufstieg durch den Bergbau

      FAMILIENGESCHICHTE

       Robert Koch besaß wichtige Eigenschaften für eine Karriere in den Naturwissenschaften: eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe und ein gutes Verständnis für die Vorgänge in der Natur, die Fähigkeit, quer und in neuen Bahnen zu denken, technisches Interesse und Geschick sowie Geduld und Präzision. Außerdem war er konfliktfähig und konnte sich durchsetzen.

      So gesehen waren für ihn die Grundvoraussetzungen für seinen späteren Weg gegeben. Doch auch im 19. Jahrhundert hing der Erfolg von Wissenschaftlern in der Forschung vom günstigen Zusammenspiel verschiedener Faktoren ab. Von den politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Forschung überhaupt erst ermöglichten und förderten – oder aber das Forschen grundsätzlich oder zumindest in bestimmten Feldern erschwerten. Von der Ausbildung und der Unterstützung, die man erhielt, und mehr noch als heute von der Herkunft und dem finanziellen Hintergrund. Und nicht zuletzt brauchte es für eine außergewöhnliche Karriere auch damals das Glück, als »Person der Stunde« zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein.

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      Anstrengend und nicht ungefährlich war die Knochenarbeit in den Harzer Bergwerken. Wie Jahrhunderte zuvor schuften auch noch um 1900 Bergleute mit Schlägel und Eisen.

      Robert Koch stammte aus einer Familie, deren Alltag und Geschichte eng mit dem Bergbau im Harz verbunden war. Um dort zu arbeiten und eine erfolgreiche Laufbahn einzuschlagen, musste man naturwissenschaftliche Kenntnisse und einen Sinn für Technik mitbringen; auf seine Weise lebte er diese Familientradition als Mediziner in einem anderen Fachgebiet aus. Das von Industrie und Technik geprägte Umfeld im Harz bot eine gute Basis für einen angehenden Naturwissenschaftler, und seine Familie bildete ein förderliches Umfeld, auch wenn dies auf den ersten Blick nicht so erscheinen mag. Adolf,


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