Atlan 74: Das Imperium der Gauner. Kurt Mahr
lassen sollen, seinen Posten bei der UHB zu verlassen. Jedermann in der UHB wusste, dass er heute morgen aus dem Hospital entlassen worden war – als ein Mann, der den tödlichen Biss einer Paytra-Spinne eben noch überwunden hatte. Man erwartete von ihm, dass er sich in seinem Arbeitszimmer befand. Wurde bemerkt, dass er das Gebäude im Handumdrehen wieder verlassen hatte, dann war es möglich, dass man Verdacht schöpfte.
Jetzt jedoch war es zu spät. Er war auf dem Wege, die Unvorsichtigkeit war begangen. Er erreichte das Bildsprechzentrum, ohne dass ihm unterwegs jemand besondere Beachtung geschenkt hätte. Im Zentrum wählte er eine SD-Zelle, die es ihm ermöglichte, seinen Gesprächspartnern so zu begegnen, als säßen sie ihm gegenüber.
Er wählte Phoras' Anschluss und erhielt sofort Antwort. Die beeindruckende Gestalt des Akonen erschien auf dem dreidimensionalen Bildschirm. Er schien zu erschrecken, als er Penetschky erblickte.
»Was fällt Ihnen ein?«, fuhr er den falschen Tekener an. »Welches Risiko gehen Sie ein! Welche Gefahr ...« Penetschky hob die Hand, woraufhin Phoras erstaunlicherweise verstummte. Es lag etwas in Penetschkys Blick, das den Akonen davon überzeugte, dass hier etwas Besonderes vorlag.
»Holen Sie Kadebku«, sagte Penetschky.
»Ist das nötig?«, erkundigte sich der Akone.
»Sie fallen hintenüber, wenn Sie erfahren, wie nötig das ist«, gab Penetschky zurück.
Augenblicke später war Kadebku zur Stelle. Penetschky nahm sich Zeit, den kleinen, grauhaarigen Terraner zu mustern. Kadebku wirkte unscheinbar, und dennoch hatte Tekeners Double den undeutlichen Eindruck, er spiele im Duumvirat der beiden Gauner die wichtigere Rolle.
»Halten Sie sich fest«, begann Penetschky die Unterhaltung. »Wir vermuteten richtig, als wir schlossen, dass sich hinter Tekener mehr verberge, als er nach außen hin sehen lässt.«
Phoras' Miene nahm den Ausdruck des Unbehagens an. Minart Kadebku zwinkerte nicht einmal.
»Also – was ist es?«, fragte er trocken.
»Tekener ist Oberst der United Stars Organisation.«
Er sah, wie das Blut aus dem Gesicht des Akonen wich. Aus der kräftigen, Stärke ausstrahlenden Physiognomie wurde eine bleiche Maske der Angst. Phoras öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber der Schreck hatte seine Stimmwerkzeuge lahmgelegt. Auf Penetschky machte das Bild einen unauslöschbaren Eindruck. So sah der Mann aus, der den Milliardenraubzug gegen die UHB geplant hatte?
Ganz anders Minart Kadebku. Jetzt, in diesem Augenblick, lernte Penetschky den kleinen Grauhaarigen kennen. Er blieb äußerlich kühl. Nur eine geringfügige Weitung der Augen besagte, dass Penetschkys Botschaft überhaupt angekommen war.
Schließlich fand der Akone seine Stimme wieder.
»Sie sind völlig verrückt!«, polterte er los. »Das ist unmöglich. So etwas Irrsinniges habe ich noch nie gehört. Mann ... was haben Sie eingenommen, dass Sie so einen Unsinn verzapfen?«
Penetschky ließ die Schmähungen ruhig über sich ergehen. Er wusste, dass er recht hatte.
Kadebku fragte ruhig:
»Woher haben Sie die Information?«
Penetschky lächelte knapp.
»Ich hatte mich kaum in Tekeners Büro häuslich niedergelassen, da erhielt ich einen Anruf von Quinto-Center. Der Anrufer war Lordadmiral Atlan höchstpersönlich.«
Phoras wollte ein zweites Mal hochfahren, aber Kadebku gebot ihm mit einer Handbewegung Schweigen.
»Sie machen uns auch nichts vor?«, erkundigte er sich bei Penetschky, und in seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton.
»Nein«, antwortete Tekeners Double einfach.
Kadebku schien ihn zu mustern. Penetschky fühlte sich unbehaglich. Bei dem kleinen Terraner wusste man nie, woran man war.
»Das ändert die Sache«, äußerte sich Kadebku schließlich.
»Sie werden doch dieses alberne Märchen nicht für bare Münze nehmen?«, dröhnte Phoras von Chatron, der seine Selbstbeherrschung und damit seine hochfahrende, pompöse Art wiedergewonnen hatte. »Solch einen Unsinn hat mir noch nie jemand ...«
»Ereifern Sie sich nicht«, fiel ihm Kadebku ins Wort.
»Aber ...«
»Aber – nichts!«, beharrte der Grauhaarige, nun in schärferem Tonfall.
»Der Mann hat nichts davon, wenn er uns eine solche Geschichte nur vormacht. Außerdem ist sie leicht zu überprüfen.«
»Betrachten Sie sich dazu eingeladen«, sagte Penetschky spöttisch.
Kadebku nickte.
»Ich persönlich glaube Ihnen. Aber es gibt da immer ein gewisses Element des Zweifels, das beseitigt werden muss.«
»Ich verstehe.«
»Unsere Pläne sind damit natürlich, über den Haufen geworfen«, fuhr Kadebku fort. »Der Bankraub findet nicht statt.«
»Wieso nicht?!«, schäumte Phoras. »Ich sehe keinen Grund ...«
»O doch – Sie sähen einen, wenn Sie sich nur eine Sekunde lang Zeit nähmen, darüber nachzudenken. Die UHB dient der USO als Fassade. Wenn wir die UHB ausrauben, haben wir sofort die USO auf den Fersen. Und wie lange, glauben Sie, können wir der United Stars Organisation standhalten?«
Die Proposition schien dem Akonen nicht zu gefallen. Er schwieg. Kadebku wandte sich von neuem an Penetschky.
»Sie kehren auf Ihren Posten zurück, bis eine endgültige Entscheidung fällt.«
»Wieso?«, fragte Penetschky. »Unser Fischzug ist aufgegeben. Das hört sich so an, als bekäme ich meine zwölfeinhalb Millionen nicht. Und für nichts soll ich in die Höhle des Löwen zurückkehren und noch einmal den Kopf hinhalten?« Er lachte bitter. »Da sollten Sie sich einen Dümmeren suchen.«
Bitterkeit erschien in Kadebkus Miene.
»Sie sind ein hässlicher Krämer. Ihr Horizont ist beim Geld zu Ende. Ich biete Ihnen dasselbe, was man Ihnen bisher geboten hat, wenn Sie bis heute um Mitternacht auf Ihrem Posten bleiben. Danach werden wir weitersehen.«
Penetschky zwinkerte. »Gleichgültig, ob die Ausleerung der UHB-Konten zustande kommt oder nicht?«, erkundigte sich Penetschky ein wenig ungläubig.
»Unabhängig davon«, bestätigte Kadebku.
Penetschky nickte.
»Da mache ich weiter mit«, entschied er. »Wie erfahre ich über Ihre weiteren Entschlüsse?«
»Machen Sie sich heute Abend unter irgendeinem Vorwand frei. Denken Sie sich eine Geschichte aus, die Sie zwingt, zur BAGAF zurückzukehren. Seien Sie um dreiundzwanzig Uhr zur Stelle.«
»Ich bin da!«, versprach Penetschky.
*
Harpy Sonnef war es unterdessen nicht ganz so ergangen, wie er es sich vorgestellt hatte. Zunächst hatte man ihn in der Anmeldestelle festgehalten, weil der Melderobot anhand seiner Identifikation feststellte, dass er in wenigstens einem halben Dutzend Gesetzesbereichen wegen verschiedener Delikte gesucht wurde. Seine Vergehen rangierten vom einfachen Diebstahl über Betrug bis zu Devisenschiebungen. Sonnef tat entrüstet und antwortete dem Robot:
»Natürlich, ganz klar! Deswegen eben komme ich ja nach Satisfy.«
»Welcher Zweck führt Sie nach Satisfy?«, erkundigte sich der Robot.
»Ich suche Hilfe«, antwortete Sonnef und erinnerte sich rasch: »Ich möchte die Hilfe der UHB in Anspruch nehmen.«
»Haben Sie einen entsprechenden Antrag gestellt?«
Das hatte Sonnef nicht. Er wurde daraufhin an einen organischen Angestellten der Anmeldestelle verwiesen, einen Terraner, der dem Wiesel klarmachte, dass die