Mythor 165: Verbotene Träume. Hans Kneifel

Mythor 165: Verbotene Träume - Hans Kneifel


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Überfall mehr freuten als über den Umstand, dass sie alle überlebt hatten. Aber schon entdeckten Mythors scharfe Augen eine weitere Erscheinung, die schwerlich etwas Gutes versprach.

      »Verdammtes Trazunt!«, stieß er hervor.

      Die Wisons waren langsamer geworden. Die Bewegungen fielen nicht mehr so leicht wie noch vor kurzer Zeit. Im Gegenteil. Mythor meinte, dass auch das Schwert scheinbar schwerer geworden war. Die Gewächse, die aus dem Boden herausgeschossen waren, standen nicht mehr aufrecht, sondern bogen sich nach allen Seiten. Aber noch immer kämpften die weißen Pflanzen gegen die dunklen Triebe und Ranken.

      Die beiden Gruppen der Maggoth-Fledermauswesen waren unverändert in großer Unruhe, als sich zwischen einer Reihe von Felsen riesige Motten oder Schmetterlinge erhoben. Eben noch hatten sie mit zusammengeklappten Flügeln an der Oberfläche der nadelförmigen, rot leuchtenden Steinpylonen geklebt, jetzt lösten sich ein Dutzend nach dem anderen und flatterte auf die Spitze der Karawane zu.

      »Benador!«, schrie Mikel schrill. »Kennst du diese ... Flieger?«

      Der Treiber, der die beiden ersten Tiere lenkte, drehte sich herum.

      »Blutsauger. Schlimmer als die Elturks«, rief er nach hinten. »Wir müssen zum Wald. Dorthin.«

      Er deutete auf die Kulisse einer Bergkette, die mindestens eine Stunde scharfen Trabes weit entfernt war. Die Hügel davor, ein Teil der undeutlich erkennbaren Schluchten und Teile der Ebene waren mit Wald bedeckt, dichten Kronen und Stämmen, die nach rechts und links geneigt waren und aus der Entfernung wie Gitter wirkten. Ein roter Nebel oder Rauch sickerte zwischen den Kronen hervor und verwandelte die Szene in ein Bild, das jedermann schaudern ließ.

      »Das wird hart«, murmelte Mythor verdrossen.

      Die Karawane änderte geringfügig ihre Richtung. Die Vagesen bildeten über den Tieren und den Kästen, in denen die Treiber und Reiter ihre Waffen bereithielten, eine annähernd runde Wolke und schwebten jetzt höher als bisher. Sie reckten ihre Stechlanzen in die Höhe und erwarteten die dunklen Schmetterlinge.

      Die Wesen waren ebenso groß wie die Elturks. Unter dem Schlagen und Flattern ihrer Flügel wurde Staub aufgewirbelt, der sich nebelartig zwischen die Felsen und die Karawane hob. Zuerst waren es nur Dutzende gewesen, jetzt schwoll der Schwarm an. Hunderte und Aberhunderte bildeten eine gewundene Spirale, deren Spitze genau auf die Tiere zielte.

      Für Mythor waren die Gefahren der Nacht von Trazunt nicht weniger wirklich als jede andere Gefahr. Aber das Licht der Monde, die merkwürdige Welt, die aus dem BUCH DER ALBTRÄUME zu stammen schien, Staub und Nebel und leuchtende Felsen, jene Wesen von unüberbietbarer Bizarrheit, das alles zusammen überzeugte ihn, dass er sich in einer Welt befand, die seine Aufmerksamkeit vom Kampf und vom Ziel ablenkte.

      Die ersten Tiere scheuten kurz, dann schwangen sie sich den flachen Hang abwärts. Unter den Greiforganen rollten und kollerten große Steine. Das schwarze Wasser eines breiten, aber flachen Flusses spritzte und schäumte.

      Die Schmetterlinge mit den langen, spiralig aufgekrümmten Fühlern waren näher herangekommen. Die letzten Exemplare hatten sich von dem Felsen gelöst.

      Nicht länger wurde Mythor von seinen Gedanken und Erinnerungen an Träume eingekesselt und belästigt. Er wusste, dass sich die Angriffe verstärken und die tödlichen Gefahren größer werden würden.

      In einem Wirbel gischtenden Wassers versuchten die Wisons, den Fluss zu durchqueren. Das schäumende, graue Nass reichte den ersten Tieren bis an die Bäuche. Die Treiber schrien und schlugen mit den Leitstöcken drein. Die Fledermauswesen bildeten über der Karawane einen rasenden, aufgeregten Wirbel und schrien grell durcheinander. Mythor ahnte einen weiteren Zwischenfall und blickte nach rechts. Von dorther kam ein zischendes Geräusch. Gerade, als ein Leittier zur Seite kippte, mit den Läufen schlug und gurgelnd im Wasser versank, rauschte eine Flutwelle heran.

      Mythor schrie Mikel eine laute Warnung zu und deutete mit der Schwertspitze auf die riesige Welle. Sie war höher als zwei oder zweieinhalb Männer, und auf der breiten Krone, deren Wasser sich überschlug, drehten sich Trümmer, verdorrte Äste und Kadaver von unbekannten Tieren.

      Gleichzeitig erreichten die ersten Flugwesen die Abwehr der aufgeregten Maggoth-Vagesen. Wieder stachen die Lanzen zu, und ihre blitzenden Spitzen bohrten sich in zuckende Körper und zerrissen die weichen Flügel.

      Ein Tier rutschte aus, ging unter und tauchte mitsamt dem Treiber nicht wieder auf.

      Mikel und Mythor trieben ihre Wisons an. Die langen, hornigen Läufe der Tiere arbeiteten sich durch das steigende, rauschende Wasser. Blindmond überschüttete die wildbewegte Szene mit unregelmäßigen Lichtblitzen. Im letzten Augenblick, dicht vor dem Zusammenprall mit der Flutwelle, griffen die Klauen der Vorderläufe in das Geröll des Ufers.

      Als sich die Tiere hochzogen und aufgeregt schrien, warfen sich Mikel und Mythor herum. Sie klammerten sich an Griffen und Verstrebungen fest und stemmten ihre Beine gegen die schwankenden Stangen der Sättel.

      Dann schlugen die Wassermassen über den Teilen der Karawane zusammen.

      Das heranwirbelnde Schwemmgut warf die Tiere herum. Die Käferartigen strampelten und versuchten, sich schwimmend in Sicherheit zu bringen, Mythor und Mikel und einige Treiber wurden unter Wasser gedrückt, aber die kräftigen Wisons stemmten sich wieder hoch und erreichten das Ufer. Das zunehmende Gewicht, das alles auf diesem Teil der Ebene niederdrückte, hatte auch Tiere und Krieger gepackt. Sie sackten zusammen, bewegten sich noch langsamer.

      Über dem Chaos am Rand des Wassers und im Flusslauf kämpften die Maggoth-Vagesen mit der riesenhaften Übermacht der Schmetterlinge. Die Fühler der Angreifer rollten sich auf wie Peitschen, wickelten sich mit den hakenbewehrten Enden um Waffen, Flügel und Gliedmaßen der fliegenden Krieger. Immer wieder fielen Schmetterlinge mit zerfetzten Schwingen, zuckend und summend, ins gurgelnde Wasser.

      Mit gellenden Schreien verständigten sich die Lanzenkämpfer und flatterten, ohne sich um die Karawane zu kümmern, wild umher, von einer Art Rausch befallen und von schierer Mordlust.

      Mythor hielt in einigen Dutzenden Schritten sein Reittier an. Das Wison keuchte und zitterte. Aus den Atemschlitzen fuhr heiße, stinkende Luft wie leichter Nebel.

      »Sieben Wisons«, zählte Mikel und befestigte seine nassen Körperbinden. »Drei sind weggerissen worden.«

      Benador trabte langsam heran und schwang ebenso langsam seine Schleuder.

      »Zwei Freunde ... ertrunken, fortgerissen ...«, sagte er voller Wut und Trauer. »Und alles ist schwerer und mühsamer geworden.«

      »Es wird sich bald wieder ändern«, meinte Mikel und zeigte auf die Fläche des auf- und abschwellenden Mondgebildes.

      »Wir alle sind erschöpft. Besonders die Wisons.«

      »Dann müssen wir rasten«, erklärte Mythor, ließ sich zu Boden gleiten und wehrte eine Gruppe von mehr als zehn Schmetterlingen ab, die mit ausgefransten Flügeln, aber zielgenau vorwärtsschnellenden Fühlerpeitschen das Tier und die Männer angriff. Erbarmungslos führte er die Schwerthiebe gegen diesen gespenstischen Feind.

      Immer wieder gelang es einigen Schmetterlingen, durch die Gruppen der flatternden und schreienden Maggoth-Vagesen durchzubrechen. Die Teilnehmer der Karawane wehrten sich erfolgreich mit allen ihren Waffen.

      Benador schickte einen weiteren Treiber flussabwärts, als der Kampf sich dem Ende zuneigte.

      »Sieh nach, ob noch einer lebt. Hilf ihnen, wenn nötig.«

      »Da wird nicht viel zu helfen sein«, meinte Mikel und senkte seinen Lanzenstab.

      Die ersten Fledermausflügel falteten sich zusammen, als die Krieger erschöpft zu Boden sanken und sich in einer Gruppe zusammenkauerten. Ihre Körper glänzten vor Schweiß, die grünlich schimmernden Panzer waren mit Fetzen der Flügel bedeckt, die ihre Lanzen zerschnitten und zerrissen hatten. Die Krieger schwiegen, aber ihre Aufregung war nicht schwächer geworden.

      Auch Mythor spürte jetzt sein eigenes Gewicht. Es war doppelt so groß, denn


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