Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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um­tanz­ten, als ein ver­schol­le­ner Be­schau­er in sich auf­zu­neh­men. Ein Rei­se­wa­gen stand be­reit, um ihn je­den Au­gen­blick da­hin oder dort­hin füh­ren zu kön­nen; aber je­den Plan durch­kreuz­te ein an­de­rer, wie er denn auch da­mit um­ging, der Wit­we Hein­richs IV., Ma­ria von Me­di­ci, sei­ne Hand an­zu­tra­gen und durch die­se vor­neh­me Hei­rat sei­nen Bru­der Matt­hi­as gründ­lich zu be­schä­men.

      In ei­ner stür­mi­schen Win­ter­nacht stand der Kai­ser vom Bett auf und ver­barg sich jam­mernd in den dunklen Gän­gen der Burg; denn der Teu­fel, dem er sich ver­schrie­ben habe, sag­te er, klop­fe ans Fens­ter und wol­le ihn ho­len. Wie er bald da­nach er­krank­te und schwä­cher wur­de, hör­ten die­se ängst­li­chen An­fäl­le auf. Mit dem Be­ginn des Jah­res 1612 be­merk­te Rhuts­ky, dem die kör­per­li­che Pfle­ge des Kai­sers haupt­säch­lich ob­lag, al­ler­lei An­zei­chen, dass das Ende nicht mehr fern sein kön­ne. Der arme Mann wuss­te wohl, dass er vie­le Fein­de und Nei­der hat­te, die nach dem Tode Ru­dolfs ihre Wut an ihm aus­zu­las­sen ver­su­chen wür­den, und mach­te Plä­ne, um mit dem Ver­mö­gen, das er zu­sam­men­ge­bracht hat­te, aus Böh­men zu ent­wei­chen; aber wenn er den al­ten, ins Grab sin­ken­den Mann an­sah, wur­de sein Herz weich, und er be­schloss, noch einen und noch einen Tag aus­zu­har­ren. Hat­te der Kai­ser auch in sei­nen schlim­men Ta­gen zu­wei­len ge­gen ihn ge­tobt, auch mit Mes­sern und Tel­lern nach ihm ge­wor­fen, so hat­te er das doch her­nach mit freund­li­chen Wor­ten und Ge­schen­ken gutz­u­ma­chen ge­sucht, ja so­gar Trä­nen dar­über ver­gos­sen. Be­son­ders seit er das Bett hü­ten muss­te, war er sanft und füg­sam und sag­te wohl, er habe sich als Kna­be in Spa­ni­en nach Deutsch­land als nach sei­ner Hei­mat ge­sehnt; aber es sei die rech­te Hei­mat nicht ge­we­sen, und er sei froh, es zu ver­las­sen.

      An ei­nem Mor­gen im Fe­bru­ar er­wach­te Ru­dolf mit der Fra­ge, ob sein Löwe noch am Le­ben sei; es gab näm­lich eine Pro­phe­zei­ung, nach wel­cher er zu­gleich mit dem Lö­wen, den er im Zwin­ger hielt, ster­ben soll­te, und die Nach­richt, dass der­sel­be krank sei, hat­te ihn des­we­gen be­un­ru­higt. An Rhuts­kys Ver­le­gen­heit er­kann­te der Kai­ser, dass der Löwe wirk­lich in der Nacht ge­stor­ben war; er wur­de aber nicht da­durch nie­der­ge­drückt, son­dern sag­te, er wol­le die Pro­phe­zei­ung zu­schan­den ma­chen, füh­le sich wohl und wol­le auf­ste­hen. Auch sol­le so­gleich ein Brief an die Wit­we des Kur­fürs­ten von der Pfalz, Ju­lia­ne von Nassau-Ora­ni­en, auf­ge­setzt wer­den mit Hei­rats­vor­schlä­gen, weil er sich der kal­vi­ni­schen Par­tei, als der tat­kräf­tigs­ten un­ter den Evan­ge­li­schen, ver­bün­den wol­le. Die­se Wen­dung sei­ner Po­li­tik setz­te sei­ne Um­ge­bung wohl in Ver­wun­de­rung, fand aber we­nig Glau­ben; auch kam nichts da­von zur Aus­füh­rung, da der Kai­ser noch am sel­ben Vor­mit­tage verstarb, noch nicht sech­zig Jah­re alt, nach­dem er sechs­und­drei­ßig Jah­re lang re­giert hat­te.

      So­gleich nach sei­nem Tode wur­de die Burg be­setzt und die Mehr­zahl der kai­ser­li­chen Die­ner ins Ge­fäng­nis ge­wor­fen, dar­un­ter Rhuts­ky, in­dem zu­gleich sein Ver­mö­gen ein­ge­zo­gen wur­de. Da Khlesl dem vie­ler Ver­bre­chen Be­schul­dig­ten in bö­sen und höh­ni­schen Wor­ten die Fol­ter an­droh­te und er ein­se­hen muss­te, dass er von kei­ner Sei­te Hil­fe zu er­war­ten hat­te, er­häng­te er sich, so­dass nur noch sein Leich­nam ge­vier­teilt wer­den konn­te.

      Das über­aus präch­ti­ge Trau­er­ge­rüst, das zu Ru­dolfs Lei­chen­fei­er im Dome auf­ge­rich­tet war, kauf­te der noch im­mer in Prag an­we­sen­de Her­zog Hein­rich Ju­li­us als An­den­ken für eine große Sum­me und führ­te es auf ei­nem Wa­gen mit nach Wol­fen­büt­tel, konn­te sich aber nicht lan­ge mehr dar­an er­freu­en, da er schon im nächs­ten Jah­re dem Kai­ser im Tode nach­folg­te.

      Dem Matt­hi­as fiel nun auch die letz­te und höchs­te der Kro­nen sei­nes Bru­ders zu, und im Mai be­gab er sich mit sei­ner Ge­mah­lin zur Kai­ser­wahl nach Frank­furt. Un­ter­wegs ver­weil­te er meh­re­re Tage in Nürn­berg, um sich aus­zu­ru­hen, denn er litt ge­ra­de un­ter ei­nem hef­ti­gen An­fall sei­ner Gicht, wo­von er bis zu den Fei­er­lich­kei­ten frei zu wer­den hoff­te. Beim Ein­zu­ge in Nürn­berg gab es Miss­hel­lig­kei­ten: der Mark­graf von Ans­bach näm­lich, mit dem die Stadt oh­ne­hin nicht in gu­tem Ein­ver­neh­men war, be­haup­te­te, das Ge­leits­recht zu ha­ben, und pfleg­te beim Be­such ho­her Gäs­te der Stadt zum Trotz ge­walt­sam da­von Ge­brauch zu ma­chen. Dar­über kam es zwi­schen den Nürn­ber­gern und Ans­ba­chern zum Streit, bei dem es meh­re­re Ver­wun­dun­gen ab­setz­te und kei­ner den Sieg da­von­trug; we­nigs­tens wi­chen die Ans­ba­cher nicht vom Plat­ze. Die­ses Blut­ver­gie­ßen konn­te nur als ein üb­les Vor­zei­chen aus­ge­deu­tet wer­den, und über­haupt mach­te Matt­hi­as kei­nen tröst­li­chen Ein­druck. Er trug das Wams so lose, dass das Hemd am Hal­se her­vor­lug­te, und sei­ne Füße wa­ren mit wol­le­nen Tü­chern um­wi­ckelt; so, die Bei­ne auf einen Sche­mel stre­ckend, emp­fing er die Ab­ge­ord­ne­ten der Stadt, die ihm den Wein als üb­li­chen Will­kom­men über­brach­ten. Da­ge­gen war die Kai­se­rin gu­ter Din­ge, dick, weiß und rot, mit Haa­ren von der röt­lich-blon­den Fär­bung, wie sie vie­len Habs­bur­ge­rin­nen ei­gen wa­ren. Von ih­rer Vor­lie­be für Le­cke­rei­en in Kennt­nis ge­setzt, über­reich­te der Rat ihr eine große Scha­le aus­er­le­se­nen Kon­fekts, wo­von sie be­stän­dig nasch­te, wäh­rend sie in ei­nem welt­li­chen His­to­ri­en­bu­che las, da­nach sie ver­langt hat­te und das im Be­sitz der Wel­se­ri­schen Fa­mi­lie vor­ge­fun­den und ihr aus­ge­lie­hen war. Über­haupt such­te sie sich zu be­lus­ti­gen und war er­freut über die Ge­le­gen­heit, ei­ner Ge­schlecht­er­hoch­zeit zu­zu­se­hen, die eben in die­sen Ta­gen statt­fand. Ihr zu­lie­be leg­ten die Frau­en und Mäd­chen al­ter­tüm­li­che Trach­ten an, die sonst bei den Vor­neh­men nicht mehr üb­lich wa­ren, und sie sah al­lem vom Fens­ter aus mit lau­tem Ver­gnü­gen zu, in die Hän­de klat­schend, wenn ihr et­was be­son­ders ge­fiel. Die Krän­zel­jung­fern ließ sie zu sich in das Gast­haus bit­ten, be­tas­te­te ihre mit Sei­den­bän­dern ver­floch­te­nen Zöp­fe, ob sie echt wä­ren, und ließ sich ihre Hei­rats­aus­sich­ten von ih­nen er­zäh­len. Auch be­nütz­te sie die Ge­le­gen­heit, sich einen Ader­lass prak­ti­zie­ren zu las­sen, und der Bar­bier, der da­mit be­traut wur­de, konn­te nicht ge­nug von ih­rem fet­ten wei­ßen Arm er­zäh­len und wie zu­trau­lich sie ihn auf­ge­mun­tert habe, fest an­zu­grei­fen, da sie nicht zimp­fer­lich sei. Es hat­te ihr in Nürn­berg so wohl ge­fal­len, dass sie die Au­gen mit dem Tüch­lein trock­nen muss­te, als sie in der brei­ten Rei­se­kut­sche, ne­ben ih­rem wohl­ver­pack­ten Ge­mahl sit­zend, ein Büchs­lein voll Kon­fekt auf dem Scho­ße, zum Tore hin­aus- und den Krö­nungs­fei­er­lich­kei­ten ent­ge­gen­fuhr.

      Ma­xi­mi­li­an von Bay­ern führ­te mit Wolf­gang Wil­helm von Neu­burg vie­le Ge­sprä­che über den Glau­ben, wo­bei er al­les das wie­der­hol­te, was er von den Je­sui­ten über die Wahr­heit des ka­tho­li­schen Be­kennt­nis­ses ge­lernt hat­te, wäh­rend Wolf­gang Wil­helm die lu­the­ri­sche Leh­re so ver­tei­dig­te, wie es ihm von Heil­brun­ner, dem Hof­pre­di­ger sei­nes Va­ters, bei­ge­bracht wor­den war. Da­bei ge­bot ihm der Um­stand, dass Ma­xi­mi­li­an der Äl­te­re war, eine ge­wis­se Be­schei­den­heit, so­dass die­ser den Ein­druck ge­wann, sein Schü­ler wer­de sach­te von der Kraft sei­ner Be­weis­füh­rung durch­drun­gen, und er müs­se nur eine Wei­le zu­war­ten, um die


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