Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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rei­cher ein­brin­gen zu sol­len schi­en: der jun­ge, eben mün­dig ge­wor­de­ne Kur­fürst Fried­rich V. näm­lich führ­te die eng­li­sche Prin­zes­sin Eli­sa­beth, Toch­ter Ja­kobs I., heim, de­ren Name an die große Be­schüt­ze­rin der pro­tes­tan­ti­schen Frei­heit er­in­ner­te. Die pfäl­zi­schen Räte rühm­ten und freu­ten sich die­ses Er­fol­ges ih­rer Di­plo­ma­tie nicht we­nig, denn sie glaub­ten da­mit die Un­ter­stüt­zung der­je­ni­gen Macht ge­won­nen zu ha­ben, de­ren herr­li­cher Tri­umph über die spa­ni­sche Ty­ran­nei noch frisch in al­ler Ge­dächt­nis war. Der jun­ge Fried­rich ließ sich gern sa­gen, wie gut er nun­mehr ver­sorgt und für sei­ne hohe Rol­le aus­ge­rüs­tet sei, wie weit er durch die kö­nig­li­che Ver­wandt­schaft an­de­re Fürs­ten über­ra­ge; doch wa­ren ihm die schö­ne Braut, die viel­fa­chen An­nehm­lich­kei­ten des Ehe­le­bens, die Hoch­zeit und der Empfang zu Hau­se, der das Üb­li­che an Pracht über­tref­fen soll­te, zu­nächst wich­ti­ger. Der ver­wöhn­ten Eng­län­de­rin soll­te das neue Reich am Rhei­ne nicht arm­se­lig er­schei­nen, viel­mehr soll­te sie wo­mög­lich durch Über­fluss über­rascht wer­den. Ein mit far­bi­gen Tü­chern aus­staf­fier­tes, von bun­ten Fah­nen um­flat­ter­tes, wie ein schwim­men­des Sch­löss­lein mit Gold- und Sil­ber­zeug ein­ge­rich­te­tes Schiff führ­te sie bis Mainz, wo ihr Ge­mahl, der ihr vor­aus­ge­reist war, sie er­war­te­te. Von al­len pfäl­zi­schen Städ­ten hat­te ihr die Fes­tung Fran­ken­thal, wel­che als eine Ko­lo­nie aus Frank­reich aus­wan­dern­der Hu­ge­not­ten von dem Kur­fürs­ten Fried­rich III. war ge­grün­det wor­den, den schöns­ten Empfang be­rei­tet. Aus ei­nem ro­si­gen Ge­wölk blü­hen­der Apri­ko­sen- und Ap­fel­bäu­me stie­gen die grau­en Mau­ern kan­tig her­vor, hin­ter de­nen das hei­te­re Städt­chen voll zier­lich ge­gie­bel­ter Häu­ser in ge­pfleg­ten Gär­ten sich barg. Wie wenn ein in Ei­sen ge­rüs­te­ter Rit­ter das Vi­sier öff­net und ein freund­li­ches Jüng­lings­ge­sicht zwi­schen den dunklen Plat­ten sicht­bar wird, so über­rasch­te das Bild der ge­schmück­ten Stadt die durch das Tor Ein­zie­hen­den. Fest­li­che Ju­gend über­reich­te der Kö­nigs­toch­ter ein von Fran­kent­hals be­rühm­ten Gold­schmie­den an­ge­fer­tig­tes Klein­od: eine große, von ei­nem aus Sa­phi­ren und Sma­rag­den be­ste­hen­den Stirn­band, wel­ches das Meer ver­sinn­bild­lich­te, her­ab­hän­gen­de Per­le, mit An­spie­lung auf Eli­sa­beths Bein­amen ›die Per­le von Eng­lan­d‹. Die Ehren­bo­gen, die über die Haupt­stra­ße aus­ge­spannt wa­ren, tru­gen Bil­der mit In­schrif­ten, un­ter de­nen das wich­tigs­te eine Dar­stel­lung des See­sie­ges der eng­li­schen Flot­te über die von Phil­ipp II. aus­ge­sand­te furcht­ba­re Ar­ma­da dar­stell­te. Dar­über wa­ren die Wor­te ge­schrie­ben: ›E­li­sa­beth rex‹, das heißt: Eli­sa­beth Kö­nig, und dar­über: ›Deus fla­vit‹, das heißt: Gott blies. An die­ser Pfor­te wur­de der nun­meh­ri­gen Kur­fürs­tin eine An­re­de in deut­scher Spra­che ge­hal­ten, von wel­cher sie, des Deut­schen un­kun­dig, nichts ver­stand; auch hät­te sie oh­ne­hin, von herr­li­chen Ge­füh­len all­zu un­ge­stüm be­wegt, den um­ständ­li­chen Wor­ten nicht fol­gen kön­nen. Auch ihr Name, das fühl­te sie, konn­te ein Zau­ber­wort für die evan­ge­li­schen Völ­ker wer­den, hat­te sie doch Kraft und Be­geis­te­rung ge­nug; es soll­te nur Fein­des­wut sich her­an­wäl­zen, ihr Herz wür­de wie ein Fels ste­hen und wie die Son­ne Se­gen ver­brei­ten, ohne je ver­dun­kelt zu wer­den. Sie lä­chel­te das Volk, das ihr zu­ju­bel­te, ver­hei­ßungs­voll an und wand­te sich nach ih­rem Gat­ten um, des­sen Bli­cke ver­liebt an ihr hin­gen; nein, sie wür­de es nie­mals be­reu­en, dass sie, auf die An­sprü­che ih­rer kö­nig­li­chen Ge­burt ver­zich­tend, eine Kur­fürs­tin im Rei­che ge­wor­den war. Wie an­sehn­lich ih­res Man­nes Stel­lung war, zeig­te sich vollends in Hei­del­berg, als ihr sei­ne Va­sal­len ent­ge­gen­zo­gen, un­ter de­nen ei­ni­ge Fürs­ten und vie­le Gra­fen und Rit­ter wa­ren. Die­se Her­ren, als die Hel­den des Tro­ja­ni­schen Krie­ges aus­staf­fiert, be­grüß­ten Eli­sa­beth als die schö­ne He­le­na und ge­lei­te­ten sie durch die Stadt den Hü­gel hin­auf nach dem Schlos­se, so­dass es von wei­tem aus­sah, als wer­de eine rie­sen­haf­te Blu­men­gir­lan­de den ver­schlun­ge­nen Weg hin­auf ge­wun­den; stau­nend sah das ge­dräng­te Volk die blan­ken Rüs­tun­gen, das prunk­vol­le Ge­schirr der Ros­se, die flat­tern­den Helm­bü­sche und Schär­pen durch das früh­lings­hel­le Grün der Ge­bü­sche blit­zen.

      Ei­ni­ge Jah­re spä­ter hei­ra­te­te die Schwes­ter Fried­richs V. den jun­gen Kur­prin­zen von Bran­den­burg, Ge­org Wil­helm, wo­durch die­se bei­den re­for­mier­ten Häu­ser nahe mit­ein­an­der ver­bun­den wur­den und ge­mein­sa­me Wirk­sam­keit de­sto na­tür­li­cher schi­en. Noch ein Hoff­nungs­stern ging den unier­ten Fürs­ten um die­se Zeit im Nor­den auf, in­dem nach dem Tode Kö­nig Karls IX. von Schwe­den des­sen Sohn Gu­stav Adolf den Thron be­stieg, dem das Gerücht trotz sei­ner Ju­gend he­ro­i­sche Nei­gun­gen und Tä­tig­kei­ten zu­schrieb.

      Nach­dem Karl IX. im Jah­re 1611 ge­stor­ben war, über­nahm sein Sohn Gu­stav Adolf nach Wahl der Stän­de die Re­gie­rung und er­nann­te als­bald sei­nen Er­zie­her und Freund, den um etwa zwölf Jah­re äl­te­ren Gra­fen Axel Oxens­tier­na, zu sei­nem Mi­nis­ter. Als Kna­be hat­te er in­ni­ger ei­nem an­de­ren Leh­rer, dem aus dem Vol­ke stam­men­den Jo­hann Skyt­te an­ge­han­gen, der ihn mit den Sa­gen aus der Ur­zeit der nor­di­schen Völ­ker und mit den Ge­schich­ten sei­ner Vor­fah­ren, der Wasa, das Herz so mäch­tig zu er­schüt­tern wuss­te. Am liebs­ten ließ sich der jun­ge Kö­nigs­sohn von sei­nem un­glück­li­chen Oheim Erich er­zäh­len, der im Wahn­sinn, als Ge­fan­ge­ner sei­nes Bru­ders Jo­hann und wahr­schein­lich durch den­sel­ben er­mor­det, ge­stor­ben war: von der Un­bän­dig­keit sei­nes Wis­sens­dran­ges und sei­ner Erobe­rungs­sucht; denn nicht nur hät­te Schwe­den sei­ner un­er­sätt­li­chen Be­gier kei­ne Ge­nü­ge ge­tan, son­dern, er­zähl­te Skyt­te, wenn die Erde sein ge­we­sen wäre, wür­de er sich über die Ster­ne ha­ben aus­brei­ten wol­len; dann wie zu­wei­len eine ur­al­te heid­nische Wild­heit in ihm auf­ge­kocht sei, in der er nach Blut ge­lechzt habe wie ein Wolf, und wie er ein­mal in ei­ner sol­chen Ra­se­rei die Sture, die ihm trotz­ten, mit ei­ge­nen Hän­den er­schla­gen habe; dann wie er voll Mu­sik ge­we­sen sei und ih­rer so mäch­tig, dass in der Zeit sei­ner Ge­fan­gen­schaft und sei­nes Wahn­sinns Kö­nig Jo­hann ihm die Lau­te habe fort­neh­men las­sen, da­mit die Sü­ßig­keit sei­ner Ge­sän­ge nicht die Ker­ker­meis­ter be­tö­re.

      Es mach­te Skyt­te schwe­ren Kum­mer, dass sein Zög­ling sich in den Jüng­lings­jah­ren mehr dem Oxens­tier­na an­schloss, dem er als ei­nem von Adel miss­trau­te und des­sen Ein­fluss er für ge­fähr­lich hielt, weil er glaub­te, dass er Gu­stav Adolf in sei­ner Nei­gung zu ei­ner krie­ge­ri­schen, weit aus­grei­fen­den Po­li­tik be­stär­ke. Nach sei­ner Mei­nung war es die Auf­ga­be ei­nes schwe­di­schen Kö­nigs, Frie­den und Ord­nung im In­nern des Rei­ches her­zu­stel­len, wo der Adel eben­bür­tig und auf die kö­nig­li­che Vor­herr­schaft ei­fer­süch­tig, wo die Städ­te arm und das Ge­wer­be un­ent­wi­ckelt sei, nicht aber, das so viel­fach be­dürf­ti­ge Reich zu ver­grö­ßern. Gu­stav Adolf ließ es sich an­ge­le­gen sein, Skyt­tes Emp­find­lich­keit zu be­schwich­ti­gen, und hat­te dar­über eine Un­ter­re­dung mit ihm im Schloss, wo er sich etwa ein Jahr nach sei­ner Thron­be­stei­gung wäh­rend der Frie­dens­ver­hand­lun­gen mit Dä­ne­mark auf­hielt.

      Er habe un­recht, be­gann er ge­gen Skyt­te, Oxens­tier­na


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