Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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aus­län­di­schem Bei­stand such­ten, un­fä­hig, sich aus der Ver­wir­rung, in die sie sich selbst ge­bracht hat­ten, zu lö­sen oder ge­walt­sam zu rei­ßen. Wa­ren sie ent­ar­tet oder ver­weich­licht, oder war es viel­leicht Got­tes Rat­schluss, der sie ver­blen­de­te, um eine neue Herr­lich­keit zu sei­ner Ehre über den Trüm­mern zu er­rich­ten? Woll­te er sich aus den ge­stürz­ten Säu­len der al­ten ver­rot­te­ten Kaiser­herr­lich­keit ein Je­ru­sa­lem bau­en, an des­sen Al­tä­ren dem wah­ren Glau­ben ge­dient wur­de? Und wies sein all­mäch­ti­ger Fin­ger auf ihn als den Bau­meis­ter, der das himm­li­sche Werk grün­den soll­te? Er hat­te Au­gen­bli­cke, wo er sich fühl­te, als sei er aus­er­wählt, et­was Gro­ßes zu voll­brin­gen, und wo er sei­ne Brust von dem Got­tes­wil­len ge­schwellt glaub­te, der in ihm wirk­te.

      Er nahm sei­ne Lau­te von der Wand und griff träu­mend ein paar Ak­kor­de; es ging ihm plötz­lich durch den Sinn, dass er alle die­se Herr­lich­keit, ja die Welt hin­ge­ben wür­de um den Be­sitz ei­nes Mäd­chens, das er lieb­te und auf die er, so sag­ten Oxens­tier­na so­wohl wie sei­ne Mut­ter, ver­zich­ten müs­se, weil sie zwar ad­li­gen, aber nicht fürst­li­chen Stan­des war. Wenn die Leu­te erst ein­mal merk­ten, sag­te Oxens­tier­na, dass die Grä­ben zwi­schen den Stän­den sich über­sprin­gen lie­ßen, wür­de kei­ner mehr Un­ter­tan sein wol­len. Das Hei­ra­ten sei ein Ge­schäft, und je­der wol­le doch ein gu­tes Ge­schäft ma­chen, bei dem er sich ver­bes­se­re. Hei­ra­te er eine vom Adel, das wür­de Ein­mi­schun­gen, Ein­re­den und Über­grif­fe der Ver­wandt­schaft, Ei­fer­sucht der an­de­ren ge­ben; an­statt des­sen kön­ne ein fürst­li­cher Schwie­ger­va­ter ihm im Not­fall Ver­stär­kung ge­ben und sein An­se­hen er­hö­hen. Zu sei­ner Mut­ter sag­te er, dass die Ge­lieb­te klü­ger und fei­ner sei als alle Kö­nigs­töch­ter der Welt und dass er, in­dem er sie hei­ra­te, sie zur Kö­ni­gin ma­che; wor­auf sei­ne Mut­ter ent­geg­ne­te: was Herz und Geist ei­nes Men­schen tau­ge, gehe Gott an, die Men­schen müss­ten nun ein­mal nach Ti­tel und Stand un­ter­schei­den. Wer in der Welt fort­kom­men wol­le, müs­se das Welt­li­che und Gött­li­che aus­ein­an­der­hal­ten, denn das bei­des ver­mi­sche sich nicht. Wol­le man sich das Ge­bäu­de ir­di­schen Wohl­er­ge­hens er­rich­ten, müss­te man Stein und Mör­tel, Holz und Bal­ken dazu neh­men. Lie­be, Groß­mut, Mit­leid und Fröm­mig­keit, das sei al­les gut an sei­nem Ort, nur dür­fe es kei­ne Fol­gen im Welt­li­chen ha­ben. Es ste­he des­halb auch ge­schrie­ben, der Mensch kön­ne nicht Gott die­nen und dem Mam­mon. Ach und die Lie­be! Er wer­de doch ein paar war­me Näch­te nicht mit sei­nem Le­ben be­zah­len? Sei­ner Mut­ter kön­ne er ver­trau­en: an die Lie­be glau­be nur, wer nie ein Ge­lieb­tes be­ses­sen habe.

      Dies al­les leuch­te­te Gu­stav Adolf nicht ein; denn gab es über­haupt Vor­schrif­ten für einen Wil­len? Mach­te ein Wil­le nicht alle Er­fah­run­gen und Ge­set­ze schmel­zen wie die Son­ne den Schnee? Er, er soll­te nicht zu­gleich in der Welt herr­schen und Gott die­nen kön­nen? Den­noch brach­te er die Vor­stel­lung nicht wie­der aus dem Sinn, wie die ver­schwä­ger­te Adels­sip­pe ihn be­ein­träch­ti­gen und be­läs­ti­gen wür­de, wäh­rend ver­wand­te Fürs­ten, etwa im Reich, sein An­se­hen he­ben und sei­ne Macht ver­stär­ken könn­ten. Gera­de eine sol­che Hei­rat wür­de ihn in den Stand set­zen, Gott zu die­nen, in­dem er sei­ne An­hän­ger um sich schar­te und, von ih­nen un­ter­stützt, sei­ne Wi­der­sa­cher be­kämpf­te.

      Nach Ru­dolfs Tode nah­men die Strei­tig­kei­ten in der habs­bur­gi­schen Fa­mi­lie ih­ren Fort­gang und dreh­ten sich jetzt be­son­ders um die Per­son Khlesls, den Matt­hi­as nach sei­ner Thron­be­stei­gung so­gleich zum Di­rek­tor des Ge­hei­men Ra­tes er­nannt hat­te. Dem rüs­ti­gen Man­ne woll­te fast der Mut sin­ken, als er sich in dem Wust um­sah, wo er Ord­nung schaf­fen soll­te: da war die nun ent­las­se­ne Die­ner­schaft des ver­stor­be­nen Kai­sers, die, seit Jah­ren nicht be­zahlt, aus bit­te­rem Elend her­aus um ihr Recht klag­te, da wa­ren die vie­len Per­so­nen, die sich wäh­rend der ver­gan­ge­nen Kämp­fe um Matt­hi­as ver­dient ge­macht hat­ten und ih­ren Lohn for­der­ten, und statt Gel­des wa­ren da die un­ter Ru­dolf zu Mil­lio­nen an­ge­schwol­le­nen Schul­den. Dazu lief der Waf­fen­still­stand mit der Tür­kei ab, und ein neu­er, fürch­ter­li­cher Krieg konn­te ent­ste­hen, wäh­rend im Rei­che die Uni­on und die Liga trotz­ten und nir­gend­wo auf red­li­chen Bei­stand zu rech­nen war. Der Reichs­tag lief kläg­lich aus­ein­an­der, denn die evan­ge­li­schen Stän­de woll­ten sich zu kei­ner Steu­er ver­ste­hen, be­vor nicht die Stadt Do­nau­wörth dem Her­zog von Bay­ern ab­ge­nom­men und wie­der­her­ge­stellt wür­de, die­ser aber woll­te den Raub nicht her­aus­ge­ben und konn­te von dem Kai­ser nicht dazu ge­zwun­gen wer­den.

      Bald be­merk­ten die Ei­fe­rer un­ter den Ka­tho­li­schen voll Miss­ver­gnü­gen, dass der ehe­ma­li­ge Ver­til­ger der Ket­zer eine ver­söhn­li­che Hal­tung ge­gen die­sel­ben an­nahm, ja sie zu­wei­len ge­ra­de­zu zu be­güns­ti­gen schi­en. Auf dies­be­züg­li­che Vor­wür­fe ver­ant­wor­te­te sich Khlesl mit sol­chen Wor­ten: Wer et­was aus­rich­ten wol­le, müs­se die fac­ta gel­ten las­sen, und er ler­ne nun als ein fac­tum ken­nen, dass die Evan­ge­li­schen im Rei­che zu mäch­tig wä­ren, als dass sie gänz­lich könn­ten aus­ge­rot­tet oder un­ter­drückt wer­den. Also müs­se man sich mit ih­nen ein­zu­rich­ten su­chen. Die­je­ni­gen, die in Kir­chen und Klös­tern steck­ten und nur Hei­li­gen­bil­der um sich her­um sä­hen, könn­ten sich wohl ein­bil­den, der gan­ze Teig lie­ße sich in einen himm­li­schen Mo­del kne­ten; wer aber in der Welt zu tun hät­te, müs­se sich al­ler Art Pas­te­ten ge­fal­len las­sen, sonst käme zu­letzt gar nichts auf den Tisch. Man müs­se die Glau­bens­sa­chen von den po­li­ti­cis tren­nen, es herrsch­ten in der Welt nun ein­mal nicht die glei­chen Grund­sät­ze wie im Rei­che Got­tes. Der rech­te Glau­ben er­öff­ne dem Men­schen den Him­mel, auf Er­den kom­me es dar­auf an, dass ei­ner ein fes­ter und ge­hor­sa­mer Un­ter­tan sei, und es kom­me vor, dass die Ket­zer ihre Pf­licht gründ­li­cher tä­ten als recht­gläu­bi­ge Ka­tho­li­ken.

      Die­ser Um­schwung in Khlesls Po­li­tik er­zürn­te vor al­lem den Erz­her­zog Fer­di­nand, den der Bi­schof frü­her in sei­nem re­for­ma­to­ri­schen Trei­ben un­ter­stützt hat­te und den er jetzt warn­te, er sol­le die Un­ter­ta­nen nicht zur Verzweif­lung und von Haus und Hof trei­ben, sonst ma­che er sein Land zur Ein­öde an­statt zu ei­nem Got­tes­staa­te. Das ei­gen­mäch­ti­ge Wal­ten des hoch­fah­ren­den Bi­schofs kam Fer­di­nand über­haupt wie ein Ein­griff in sei­ne Rech­te vor, da er sich schon als künf­ti­ger Herr­scher fühl­te; denn die oft aus­ge­spreng­ten Gerüch­te von der Schwan­ger­schaft der Kai­se­rin er­wie­sen sich stets als Täu­schung, und eben­so blieb Erz­her­zog Al­brechts Ehe kin­der­los. Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an, der Ti­rol re­gier­te und dem die Evan­ge­li­schen den Vor­zug ge­ge­ben hät­ten, leb­te in ei­nem an­ge­neh­men Ver­hält­nis mit ei­ner Frau von Ro­sen­berg und woll­te sei­ne ge­si­cher­te Be­hag­lich­keit nicht um un­ab­seh­ba­re Kämp­fe und Wi­der­wär­tig­kei­ten auf­ge­ben, son­dern ver­bün­de­te sich mit Fer­di­nand, um die­sem die Nach­fol­ge sei­nes Bru­ders zu ver­schaf­fen. Wäh­rend Ma­xi­mi­li­an sei­ne Ab­nei­gung ge­gen Khlesl we­der ver­ber­gen konn­te noch woll­te, be­hielt Fer­di­nand einen freund­li­chen Ver­kehr mit ihm bei, um sich bei sei­nem Oheim als ein lie­be­vol­ler und ge­treu­er Sohn ein­zu­nis­ten. Zu­nächst kam es ihm dar­auf


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