Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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An­ge­le­gen­heit für Matt­hi­as, den bald Gicht, bald Ma­gen­schwä­che und Ver­dau­ungs­be­schwer­den plag­ten und der un­zäh­li­ge Übel für sei­ne Ge­sund­heit aus dem müh­se­li­gen Rei­se­ge­schäft und dem am säch­si­schen Hofe üb­li­chen Voll­sau­fen her­vor­ge­hen sah. Fer­ner wur­de er durch Fer­di­nand drang­sa­liert, weil der die Rei­se ohne Khlesl ma­chen woll­te, den Matt­hi­as ge­ra­de bei die­sem An­lass, wo wich­ti­ge Din­ge ver­han­delt wer­den soll­ten, nicht von sich las­sen woll­te und der auch selbst gar nicht dar­auf ver­zich­tet hät­te. In sei­nem er­fin­de­ri­schen Kopf hat­te Khlesl sich aus­ge­dacht, wie die­ser Be­such zum Bes­ten sei­ner Po­li­tik aus­zunüt­zen sei. Es hat­te näm­lich Erz­her­zog Fer­di­nand sei­ne kränk­li­che bay­ri­sche Ge­mah­lin in­zwi­schen durch den Tod ver­lo­ren, und bei ei­ner neu­en Ver­bin­dung konn­te der Aus­gleich mit den Evan­ge­li­schen etwa mit be­rück­sich­tigt wer­den. Wenn Fer­di­nand die Wit­we des ver­stor­be­nen Kur­fürs­ten Chris­ti­an hei­ra­te­te und also die künf­ti­ge Kai­se­rin evan­ge­lisch wäre, so, dach­te Khlesl, könn­te dies als ein schö­nes Sym­bol des her­ge­stell­ten Ein­ver­ständ­nis­ses im neu­ge­ei­nig­ten Rei­che aus­ge­deu­tet wer­den und recht wohl auf die bei­der­sei­ti­ge Hal­tung Ein­fluss ge­win­nen. Frei­lich war es un­ge­wiss, ob der aus­schwei­fen­de Ge­dan­ke die päpst­li­che Bil­li­gung fin­den wür­de; aber viel­leicht kam ihm die An­mut der dä­ni­schen Fürs­tin, die be­reits eine feu­ri­ge, wenn auch ver­geb­li­che Lie­bes­nei­gung in dem Land­gra­fen von Hes­sen-Darm­stadt ent­zün­det hat­te, zu Hil­fe, was be­son­ders bei Fer­di­n­ands leicht ent­flamm­ba­rem Tem­pe­ra­ment nicht un­mög­lich war.

      Nach­dem zu­vor Fer­di­n­ands Krö­nung zum Kö­nig von Böh­men voll­zo­gen war, wur­de die Rei­se an­ge­tre­ten, und zwar so, dass die letz­te Stre­cke bis Dres­den zu Schiff auf der Elbe ge­macht wur­de. An der Gren­ze be­will­komm­ne­te der Kur­fürst die Ös­ter­rei­cher in fest­li­cher Wei­se durch eine Was­ser­jagd, in­dem das Wild durch Trei­ber und Hun­de in den Fluss ge­hetzt und dort von den in ih­ren Schif­fen be­find­li­chen Gäs­ten er­legt wur­de.

      Fer­di­nand ge­noss die dar­ge­bo­te­nen Lust­bar­kei­ten, die für den Kai­ser meis­ten­teils be­schwer­lich wa­ren, in vol­len Zü­gen. Er hat­te zwar von Khlesls Hei­rats­plan nichts wis­sen wol­len, freu­te sich aber doch auf die Be­kannt­schaft der schö­nen Wit­we und wur­de denn auch durch ihr frei­es An­lä­cheln und rät­sel­haf­tes Bli­cken so­fort be­zau­bert. Er fand, dass sie viel fei­ner und klü­ger zu re­den wuss­te als sei­ne Schwes­tern oder sei­ne ver­stor­be­ne Frau, und die an­schmie­gen­de Be­weg­lich­keit ih­res zier­li­chen Lei­bes war selbst durch den stei­fen Bro­kat ih­res Klei­des zu füh­len. Nach­dem er mit ihr ge­tanzt und den Druck ih­rer Hand so­wie die Zärt­lich­keit ih­rer Nähe über­haupt ge­fühlt hat­te, schlug das Feu­er ihm vollends über dem Kop­fe zu­sam­men, so­dass Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an ihn mit Bli­cken straf­te und Eg­gen­berg für nö­tig hielt, ihm vor dem Schla­fen­ge­hen ver­trau­lich zu­zu­re­den. Er sol­le um Got­tes wil­len die Zü­gel nicht so fah­ren las­sen, sag­te er, son­dern be­den­ken, wo­hin das blin­de Röß­lein ihn zu­letzt tra­gen wer­de. Was wer­de der Papst zu ei­ner so ver­we­ge­nen Hei­rat sa­gen, vom Erz­her­zog Ma­xi­mi­li­an zu schwei­gen, der ihm sei­ne vä­ter­li­che Zu­nei­gung ganz ent­zie­hen wer­de. Ob er der Kir­che und der Ver­wandt­schaft, der gan­zen ka­tho­li­schen Welt trot­zen wol­le? Die Kur­fürs­tin mei­ne es ge­wiss auch nicht red­lich mit ihm, denn sie sei fest lu­the­risch, wer­de nie da­von wei­chen. Die dä­ni­sche Fa­mi­lie sei schön von Ge­sicht, aber üp­pig und ver­buhlt; der Kur­fürs­tin kön­ne man ja nichts nach­sa­gen, aber sie wer­de auch nicht an­ders sein als ihr Bru­der, der Kö­nig von Dä­ne­mark; sol­che Frau­en hät­ten kei­ne Be­schaf­fen­heit zur Ehe, pass­ten be­son­ders nicht für das Erz­haus. Gott möge es dem Khlesl ver­zei­hen, dass er das Feu­er an­ge­legt und an­ge­facht habe, er habe si­cher­lich sein Ver­der­ben da­mit stif­ten wol­len, Fer­di­nand sol­le sein Heil be­den­ken und dem Kar­di­nal zum Tor­te die Flam­me im Ent­ste­hen zer­tre­ten.

      Der kur­fürst­li­che Wirt war in bes­ter Lau­ne, un­er­müd­lich vor­trin­kend und laut schwö­rend, dass er beim Hau­se Ös­ter­reich le­ben und ster­ben wol­le. Hat­te er in sei­ner Haupt­stadt auch nicht viel Kunst­wer­ke und Ra­ri­tä­ten vor­zu­wei­sen, so ent­zück­te er doch na­ment­lich Fer­di­nand durch eine Sau­hatz, die mit­ten in der Stadt auf dem Mark­te ab­ge­hal­ten wur­de, wie auch eben­so durch die Mu­sik, die zur Ta­fel auf­spiel­te. Wäh­rend der Kur­fürst und sein Hof sich bei Ti­sche nicht son­der­lich um die Ka­pel­le be­küm­mer­ten, horch­ten die Gäs­te zu­wei­len er­staunt und freu­dig auf, und Fer­di­n­ands Freund, Fürst Eg­gen­berg, stand so­gar mehr­mals auf, brach­te dem Ka­pell­meis­ter ein Glas voll Wein, stieß mit ihm an und be­glück­wünsch­te ihn we­gen der Kunst, mit der er die Ka­pel­le lei­te­te. Als der Kur­fürst dies be­merk­te, er­zähl­te er la­chend, die­ser Ka­pell­meis­ter, na­mens Hein­rich Schütz, habe einen be­son­de­ren Wert für ihn, weil er ihn dem Land­gra­fen Mo­ritz von Hes­sen-Kas­sel ab­ge­jagt habe. Die­ser habe den Schütz als einen ta­lent­vol­len Kna­ben ent­deckt, ihn im Ge­sang un­ter­rich­ten las­sen und spä­ter an sei­nen Hof ge­zo­gen. Als er ge­hört habe, was für ein großes We­sen der Land­graf aus dem Schütz mach­te, habe er sich ihn ein­mal schi­cken las­sen und ihn dann ganz für sich be­hal­ten wol­len, was der Land­graf Mo­ritz sehr un­gern ver­nom­men habe. Da aber der Schütz auf kur­säch­si­schem Ge­biet ge­bo­ren sei und da der Land­graf ihm wohl auch nicht dau­ernd habe zu­wi­der sein mö­gen, sei der Han­del zu­stan­de ge­kom­men, was ihn be­son­ders freue, weil Land­graf Mo­ritz sich be­kannt­lich ein­bil­de, mehr zu wis­sen und zu kön­nen als an­de­re Leu­te und an sei­nem Hofe be­son­ders ge­lehrt und neu­mo­disch ein­ge­rich­tet zu sein. Er be­kom­me zu­letzt im­mer, was er wol­le, sag­te der Kur­fürst be­hag­lich, und zwar ohne sich zu rüh­ren. Mit Fech­ten und Schwit­zen kön­ne je­der et­was aus­rich­ten, aber mit Still­sit­zen den Sieg da­von­zu­tra­gen, sei die wah­re po­li­ti­sche Kunst, auf die sich nicht je­der ver­ste­he.

      Als vor­nehms­te Er­göt­zung wur­de den Gäs­ten ei­nes Abends eine Kom­po­si­ti­on Schüt­zens, näm­lich ein mu­si­ka­li­sches Ge­spräch zwi­schen Apol­lo und den Mu­sen, vor­ge­führt. In ei­nem Saa­le des Schlos­ses war eine klei­ne Büh­ne her­ge­rich­tet, auf wel­cher die Sän­ger auf­tra­ten, Apol­lo mit ei­nem Lor­beer­kranz in den blon­den Lo­cken, in gold­ge­stick­tem Wams und pur­pur­nem Man­tel, die Mu­sen in alt­deut­schen Ge­wän­dern mit ge­puff­ten Är­meln. Den Hin­ter­grund bil­de­ten, auf eine Wand ge­malt, ein dun­kel­grü­ner Hain und ein wei­ßer Tem­pel auf son­nen­be­schie­ne­nem Hü­gel. Zufrie­den lä­chelnd, be­ob­ach­te­te Jo­hann Ge­org das Er­stau­nen und die Be­wun­de­rung sei­ner Gäs­te wäh­rend der Dar­stel­lung: Matt­hi­as und die Kai­se­rin wein­ten, Fer­di­nand wieg­te sei­nen wei­chen Kör­per hin und her, und sei­ne blau­en Au­gen fun­kel­ten in feuch­ter Won­ne, Fürst Eg­gen­berg schi­en je­den Ton wie einen aus Wol­ken tau­en­den am­bro­si­schen Trop­fen auf­zu­fan­gen und in­nig zu schlür­fen. Am Schlus­se des Spiels, das mit ei­ner Hul­di­gung für das Kai­ser­paar en­de­te, wur­de Schütz vor die Ma­je­stä­ten be­foh­len, um ihr Lob in Empfang zu neh­men. Fer­di­nand klopf­te ihm auf die Schul­ter und sag­te ge­müt­lich: »Er ver­steht sei­ne Sa­che. Ich gebe zehn von mei­nen groß­mäu­li­gen Stan­des­her­ren um ein sol­ches Ket­zer­le, wie Er ist.« Eg­gen­berg


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