Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch

Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch


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hoff­ten. Ein Kö­nig, der Geld und Kre­dit hät­te, mein­ten sie, wür­de ih­nen mehr nüt­zen als scha­den, vor­aus­ge­setzt, dass sie sei­ne Rech­te in ei­nem der Krö­nung vor­auf­ge­hen­den Ver­tra­ge tun­lichst ein­schränk­ten. Die meis­ten von ih­nen hiel­ten eine ari­sto­kra­ti­sche Re­pu­blik mit mon­ar­chi­scher Spit­ze für die bes­te Staats­form, da na­ment­lich in Kriegs­zei­ten eine ein­heit­li­che Lei­tung vor­teil­haft sei. Wel­cher Fürst für das Amt in Be­tracht kom­me, dar­über gin­gen na­tür­li­cher­wei­se die An­sich­ten aus­ein­an­der. Graf Thurn und Graf Schlick, wel­che Luthe­ra­ner und deut­scher Ab­kunft wa­ren, stimm­ten für den Kur­fürs­ten von Sach­sen, weil er ei­ner der mäch­tigs­ten evan­ge­li­schen Fürs­ten und ihr Nach­bar sei, vor al­lem aber, weil er mit dem Kai­ser gut ste­he und der­sel­be sich nicht leicht mit ihm ver­fein­den wür­de. Die Kal­vi­ner da­ge­gen, die bei Wei­tem in der Mehr­zahl wa­ren, woll­ten lie­ber einen Kö­nig ih­res Glau­bens und brach­ten den Kur­fürs­ten von der Pfalz in Vor­schlag, der eine weit mu­ti­ge­re und ent­schlos­se­ne­re Po­li­tik ver­fol­ge als der Sach­se und durch sei­ne Ver­wandt­schaft mit Eng­land und Schwe­den so­wie durch an­de­re gute Ver­bin­dun­gen, mit den Staa­ten, der Uni­on und der Schweiz, Nut­zen brin­gen kön­ne. Wäh­rend die­se bei­den Fürs­ten zu­nächst noch kein Zei­chen von Be­reit­wil­lig­keit ver­rie­ten, gab ein an­de­rer große Ge­neigt­heit zu ver­ste­hen: das war der Her­zog von Sa­voy­en, ein un­ru­hi­ger, nach Ver­grö­ße­rung trach­ten­der Mann, der durch die Nach­bar­schaft mit Mai­land oft in Streit mit Spa­ni­en ge­riet und als ein na­tür­li­cher Feind die­ser Macht und Ös­ter­reichs zu be­trach­ten war. Er emp­fahl sich haupt­säch­lich durch fa­bel­haf­ten Reich­tum, der ihm zu­ge­schrie­ben wur­de, und wenn er auch ka­tho­lisch war, so be­kann­te er sich doch als Feind des Paps­tes und be­haup­te­te, von Vor­ur­tei­len ge­gen An­ders­gläu­bi­ge frei zu sein.

      Die pfäl­zi­schen Räte ver­nah­men von der etwa mög­li­chen Wahl ih­res Herrn auf den böh­mi­schen Thron nicht ger­ne, der doch ein we­nig all­zu un­si­cher und gleich­sam am Ran­de ei­nes Vul­ka­nes stand. Es war ein­mal nicht zu leug­nen, dass Fer­di­nand be­reits er­wähl­ter böh­mi­scher Kö­nig war, und vor­aus­zu­se­hen, dass er nicht gut­wil­lig ei­nem an­de­ren Platz ma­chen wür­de. Wur­de er Kai­ser, so war es vollends eine hei­ke­le Sa­che für einen Reichs­fürs­ten, sei­nem Ober­haupt im of­fe­nen Krieg ent­ge­gen­zu­tre­ten, und ver­lor er leicht sei­ne Bun­des­ge­nos­sen im Rei­che. Nun hat­ten frei­lich nicht nur Pfalz, son­dern auch an­de­re an­sehn­li­che Reichs­fürs­ten längst be­schlos­sen, dies­mal die Kai­ser­kro­ne vom Hau­se Habs­burg ab­zu­wen­den; al­lein noch hat­te man sich nicht auf einen an­de­ren Kan­di­da­ten ge­ei­nigt, ge­schwei­ge denn, dass ein sol­cher ge­won­nen wäre. Da von ei­nem evan­ge­li­schen Kai­ser doch ab­ge­se­hen wer­den muss­te, die Kal­vi­ner sich einen lu­the­ri­schen auch nicht ein­mal ge­wünscht hät­ten, ziel­te die pfäl­zi­sche Po­li­tik noch im­mer auf den wit­tels­ba­chi­schen Vet­ter, den Her­zog von Bay­ern, ab, und der Rat Ca­me­ra­ri­us reis­te ei­gens nach Mün­chen, um die Stim­mung des ver­schlos­se­nen und vor­sich­ti­gen Herrn zu er­for­schen. Jo­cher, des Her­zogs er­fah­rens­ter Rat, mit dem Ca­me­ra­ri­us ver­han­deln muss­te, wuss­te ge­nau, dass sein Herr auf den An­trag der Evan­ge­li­schen nicht ein­ge­hen wür­de; sei­ne Auf­ga­be be­stand nur dar­in, ihre et­wai­gen ge­hei­men An­schlä­ge in Er­fah­rung zu brin­gen und, wenn mög­lich, einen Vor­teil für den Her­zog her­aus­zu­pres­sen, also zwar nicht an­zu­neh­men, sich aber den Ab­schlag auch nicht gleich her­aus­wi­schen zu las­sen.

      Ver­trau­lich er­zähl­te Jo­cher, wie schon im ver­gan­ge­nen Jah­re Fer­di­nand ihn um Hil­fe an­ge­gan­gen und ihm Ober­ös­ter­reich habe ver­pfän­den wol­len, das ih­nen sei­ner Lage we­gen na­tür­lich an­ste­hen wür­de. Sie hät­ten sich aber dar­über noch nicht ver­neh­men las­sen, denn es kau­fe nie­mand ein Pferd, das ihm von selbst in den Stall lie­fe. Auch ohne das wür­de der Her­zog sich je­den­falls gründ­lich be­den­ken, ob es rät­lich für ihn sei, die Macht Ös­ter­reichs zu stär­ken; denn er sei doch auch ein Reichs­fürst, und die fürst­li­che Li­ber­tät, die durch Ös­ter­reich und Spa­ni­en ge­fähr­det wür­de, lie­ge ihm wie je­dem gu­ten Deut­schen am Her­zen.

      Hieran knüpf­te Ca­me­ra­ri­us, zähl­te die Schä­den auf, die der habs­bur­gi­sche Do­mi­nat dem Rei­che ge­bracht habe, und mahn­te, was für eine hohe Auf­ga­be es sei, und nur von ei­nem klu­gen und mäch­ti­gen Fürs­ten wie Ma­xi­mi­li­an zu er­fül­len, die alte Kaiser­herr­lich­keit wie­der her­zu­stel­len.

      Ja, sag­te Jo­cher la­chend, Kai­ser und Reich stän­den nicht gut in ei­nem Ofen, wo eins auf­ge­he, schrump­fe das an­de­re zu­sam­men. Bei je­der neu­en Wahl wer­de ein Stein aus der Kai­ser­kro­ne ge­nom­men und da­für ein Dorn ein­ge­setzt, und so sei schon eine Dor­nen­kro­ne dar­aus ge­wor­den, die einen doch nicht zum Hei­li­gen ma­che, ob­schon sein Herr eine ge­wis­se An­la­ge dazu habe. Auch Ca­me­ra­ri­us lach­te und frag­te, was für ein Herr der Her­zog im täg­li­chen Um­gan­ge sei? Ob er wirk­lich ein hä­re­nes Hemd trü­ge und sich gei­ßel­te, wie vie­le er­zähl­ten? Ob es in ganz Mün­chen so streng und ehr­bar zu­ge­he wie am Hofe? Ob der Her­zog wirk­lich nie mit Wei­bern zu tun hät­te?

      Jo­cher zog die Au­gen­brau­en hoch und war au­gen­schein­lich von Ehr­furcht durch­drun­gen. »Nichts der­glei­chen«, sag­te er; »der Mann wür­de ganz Bay­ern zu ei­nem Klos­ter ma­chen, wenn er Au­gen und Hän­de al­ler­or­ten hät­te. Aber Gott hat den Men­schen aus Fleisch ge­macht, das den Keim des Ver­der­bens und der Fäul­nis in sich trägt, und darf es nicht ans Licht, so wu­chert es im ver­bor­gnen.« Las­ter und Ver­gnü­gen sei­en schwer zu tren­nen, und es sei­en un­ter den Be­am­ten vie­le, die sag­ten, wenn des Her­zogs Ver­gnü­gen die Ar­beit sei, so kön­ne er das doch nicht von je­dem vor­aus­set­zen und ver­lan­gen, be­son­ders da es ih­nen nicht zu­gu­te kom­me. Zu­wei­len füh­re er der Ge­sund­heit we­gen aufs Land, und bei Fest­lich­kei­ten wol­le er, dass es hoch her­gin­ge, aber das Lus­tig­s­ein zäh­le er her­un­ter wie einen Ro­sen­kranz oder säge es weg wie einen Klaf­ter Holz.

      Ca­me­ra­ri­us sag­te, ihm ge­fie­len die Men­schen nicht, de­nen das Herz nicht ein­mal über­lau­fe. Für das Re­gi­ment möch­te es frei­lich nütz­lich sein und bes­ser tau­gen als die Na­tur sei­nes jun­gen Herrn, der we­der zur Ar­beit noch zum Ver­gnü­gen die rech­te Lust habe. Es sei im­mer, als ob er nur spie­le oder noch nicht recht auf­ge­wacht sei, und doch schlie­fe er bis in den hel­len Tag. Üb­ri­gens sei er lieb und gut, trü­be kein Was­ser und neh­me gu­ten Rat an.

      Jo­cher mein­te, er sei ja auch noch jung, oft müss­ten die Jah­re den Or­ga­nis­mus erst ein we­nig schüt­teln, da­mit al­les an sei­nen Platz käme.

      Das wäre zu wün­schen, rief Ca­me­ra­ri­us; den fei­nen Ver­stand der Mut­ter hät­te er, aber die Säf­te wä­ren trä­ge, so wäre ge­wis­ser­ma­ßen ein gu­tes Mühl­rad da, dem der Um­schwung feh­le, so­dass das Korn un­ge­mah­len blie­be. Zu­wei­len lit­te er auch an Me­lan­cho­lie, lie­ße sich aber leicht, na­ment­lich durch das Söhn­lein, zer­streu­en.

      Auch sein Her­zog sei me­lan­cho­lisch, sag­te Jo­cher, es habe aber nichts auf sich, son­dern sei ihm an­ge­bo­ren, wie ei­ner etwa dun­kel­far­bi­ger als an­de­re auf die Welt kom­me. Ei­gent­lich la­chen kön­ne er nicht, das gebe ihm aber ge­ra­de et­was He­ro­i­sches. Al­les in al­lem sei er ein großer Fürst,


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