Fettnäpfchenführer Niederlande. Katja Frehland
29 ARBEITEN BIS ZUM UMFALLEN
Wenn der Chef ein Machtwort spricht
30 KLEINE MÄUSCHEN
31 FLIEGENDE PFEFFERNÜSSE
Weißer Klaus und schwarzer Peter
32 KOPFSTÖSSE UND SCHWARZE AFGHANEN
33 POST AM LAUFENDEN METER
Traditionelles rund um Weihnachten
34 OLIEBOLLEN UND KEIN BLATT VOR DEM MUND
Aus dem Herzen keine Mördergrube machen
10 Dinge, die Sie getan haben müssen
10 Dinge, mit denen Sie sich blamieren
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IM LAND VON FRAU ANTJE
WO HOLLAND WIRKLICH LIEGT
Endlich! Die Türen schließen. Ein Pfiff ertönt. Der Zug fährt los.
Anne lehnt ihren Kopf zurück, zieht ihren dunkelgrünen Mantel eng um sich, kuschelt sich gemütlich in den Sitz und schließt die Augen. Viele Monate und Wochen voller Vorbereitungen und Planungen liegen hinter ihr. Nun geht es los. In etwa fünf Stunden erreicht der ICE Aachen, dann fährt sie in einem anderen Zug weiter in das Land ihrer Urgroßmütter und Urgroßväter. Fast ein ganzes Jahr wird sie dort in Amsterdam verbringen, arbeiten, studieren, leben. Ein Kindheitstraum!
Wie sieht ihr entfernter Cousin Jeroen, der sie morgen am Bahnhof Amsterdam Centraal begrüßen wird, wohl aus? Hat er vielleicht braune Haare und Sommersprossen wie sie? Hoffentlich ist die kleine Wohnung im Viertel Jordaan genauso schön, wie es die Bilder versprechen. Was für ein Glück, dass sie diese Wohnung an der Egelantiersgracht von einer niederländischen Studentin zur Untermiete bekommen hat! Ganz in der Nähe wohnte im 17. Jahrhundert sogar der alte Rembrandt – für sie als Kunststudentin im fünften Semester eine grandiose Vorstellung! Aufgeregt und müde von den Vorbereitungen schläft Anne ein paar Gedanken später ein.
In Aachen bleiben ihr nur ein paar Minuten zum Umsteigen. Anne rennt mit wehenden Haaren durch den Bahnhof und erreicht gerade noch rechtzeitig das Gleis. Ein gelber Zug der Niederländischen Eisenbahngesellschaft NS (Nederlandse Spoorwegen) steht schon abfahrbereit. Puh, das war knapp.
Sie ist froh, dass sie nicht, wie ursprünglich gedacht, im niederländischen Heerlen umsteigen muss, sondern bis Maastricht durchfahren kann. Dort, in der alten Universitätsstadt, will Anne einen kleinen Zwischenstopp einlegen. Immerhin ist Maastricht die Hauptstadt der Provinz Limburg, und Limburg ist für Anne ein Stück Heimat. Hier lebten früher ihre Vorfahren mütterlicherseits – als Spargelbauern. Davon hat ihre Großmutter Ineke, die auf einem Limburger Bauernhof aufgewachsen ist, oft erzählt. In Limburg, hat sie zu Anne gesagt und sie mit ihren aufmerksamen kleinen Augen angesehen, in Limburg gebe es den besten asperge (Spargel). Das sei so, weil der typische Limburger Sandboden, das sogenannte Geest, für den Spargelanbau besonders gut geeignet sei. Auch heute noch, das hat Anne kurz vor ihrer Abfahrt gelesen, gilt Limburg als der wichtigste niederländische Produzent von Spargel. Und das Beste: Die Spargelsaison hat jetzt, im April, gerade erst begonnen!
Anne sitzt am Fenster und drückt sich die Nase platt. Das also ist Limburg. So hat sie sich die Niederlande eigentlich nicht vorgestellt: Der Zug fährt an alten Fachwerkhäusern und verträumten Schlössern vorbei. Sie sieht kleine Seen und Wasserwege neben ausgedehnten Waldgebieten, daneben schöne, etwas hügelige Heidelandschaften. Vom typisch holländischen, flachen Land keine Spur. Im Gegenteil: Was für eine wunderschöne grüne, leicht bergige Gegend! Schnell holt Anne ihr Skizzenbuch und einen schwarzen Stift hervor und beginnt, mit kleinen, feinen Linien zu zeichnen.
TIEF IM SÜDEN: LIMBURG
An der Grenze zu Belgien und Deutschland liegt die Provinz Limburg. Sie unterscheidet sich mit ihren Hügeln und Wäldern landschaftlich und auch kulturell deutlich vom Rest des Landes. So spricht die limburgische Bevölkerung z. B. neben der niederländischen Amtssprache einen eigenen Dialekt, das Limburgische, das immerhin 1,6 Millionen Sprecher zählt und sogar den Status einer eigenen Regionalsprache besitzt. Die Andersartigkeit Limburgs ist auch historisch bedingt: Erst nach 1830 wurde das heutige Gebiet Limburg als Provinz der Niederlande anerkannt, auch wenn es zuvor schon zwei Jahrhunderte unter niederländischer Herrschaft gestanden hatte. Hauptstadt von Limburg ist die alte Universitätsstadt Maastricht an der Maas (ca. 120.000 Einwohner), die für Interessierte aus aller Welt viel zu bieten hat: über 1.600 historische Bauwerke verschiedenster Stilrichtungen (Renaissance, Barock, Rokoko), zahlreiche Museen, viele Straßencafés in romantischen Gassen und eine Vielzahl von internationalen Läden und exklusiven Boutiquen.
»Kaartjes, alstublieft!«
Eine freundliche, aber energische Stimme reißt Anne aus ihren Gedanken. Vor ihr steht ein verschmitzt lächelnder Mann in einer dunkelblauen Uniform, an der ein kleiner Doppelpfeil, das Zeichen der niederländischen Eisenbahn, angebracht ist. Der Schaffner rückt seine Kappe zurecht, zwinkert ihr zu und wiederholt seine Worte: »Kaartjes, alstublieft!« (Die Fahrkarten, bitte!)
Anne kramt in ihrer Tasche. »Hier«, sagt sie und fügt, während sie dem Schaffner den Fahrschein gibt, fröhlich und stolz ihren ersten niederländischen Satz hinzu: »Eindelijk in Holland!« (Endlich in Holland!)
Plötzlich lächelt der Schaffner etwas weniger. »U bent nog lang niet in Holland, mevrouw!« (Sie sind noch lange nicht in Holland, gnädige Frau!), antwortet er und gibt ihr die Karte zurück.
Verwirrt blickt Anne dem Schaffner hinterher. Noch lange nicht in Holland? Wieso denn nicht? Ist sie in den falschen Zug gestiegen? Oder hat sie den Schaffner nicht richtig verstanden? Aber er hat doch Holländisch gesprochen!
Was ist da schiefgelaufen?
In Deutschland und in anderen Ländern spricht man, wenn man über die Niederlande redet, meistens von »Holland«. Dabei ist der offizielle Name im Niederländischen Nederland (Einzahl) und im Deutschen »Niederlande« (Plural). »Holland« ist dagegen streng genommen lediglich die Bezeichnung für die frühere Küstenprovinz Holland, die heute in die zwei westlichen Provinzen Nord- und Südholland aufgeteilt ist.
Vieles,