Fettnäpfchenführer Irland. Petra Dubilski
SEINE (WENIGEN) RECHTE
Wer aus Deutschland nach Irland kommt und glaubt, dass die Anmietung einer Wohnung oder eines Hauses eine gewohnt langfristige Angelegenheit mit vielen vertraglich fixierten Rechten ist, täuscht sich gewaltig. Als Mieter steht man hier ziemlich blank da.
Etwa 80 bis 90 Prozent des Immobilienmarktes besteht aus Häusern in Privatbesitz, rund 70 Prozent aller irischen Haushalte sind owner-/occupier-Haushalte, Menschen also, die ihr eigenes Haus bewohnen. Das hat Tradition in einem Land, das erst seit knapp 100 Jahren unabhängig ist und für das der eigene Grund und Boden, und sei es auch noch so eine kleine Bude, lebenswichtig ist.
Der überwiegende Teil aller Mietimmobilien wird privat vermietet, oft wirklich privat, d. h. unter der Hand, obwohl Vermieter sich anmelden und Steuern zahlen müssten.
Es gibt einige wenige Rechte für Mieter, die einklagbar sind, aber eben nur, wenn der Vermieter offiziell als solcher registriert ist und sich der Mieter ein rent book besorgt, ein Heft, in dem alle Daten, Zahlungen und Verpflichtungen aufgeführt sind und das in jedem Schreibwarenladen erhältlich ist. Wer aber privat mietet, ist mehr oder weniger auf die Laune des Vermieters angewiesen und wird keine Ahnung haben, dass es überhaupt ein rent book gibt.
An die wenigen Pflichten hält sich ohnehin kaum ein Vermieter. Gesetzlich vorgeschriebene Reparaturen werden irgendwann »demnächst«, meist nie, durchgeführt. Dafür schaut so mancher Vermieter gerne mal spontan mit eigenem Schlüssel nach, was die Mieter so treiben. Das ist offiziell illegal, aber »illegal« ist ein weiter Begriff in Irland.
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KLOPAPIER FÜR IRLAND
UNSERE IRISCHE WG
Jo schreibt:
Das mit der Haussuche auf dem Land hat ja bislang noch nicht so recht geklappt. Selbst nach weiteren Besichtigungen war nie das Richtige dabei gewesen. Also beschlossen wir, uns erst einmal ein Zimmer in einer WG zu suchen, was zweifellos billiger ist, als in einem B&B oder Hostel zu wohnen. Die Websites für housesharing hatten eine Menge Angebote, leider nur in größeren Städten. Also konzentrierten wir uns auf Ennis, mit rund 20.000 Einwohnern der größte Ort, den wir uns zumuten wollten.
Irgendwie stellte ich mir die WG-Besichtigungen vor wie zu meiner Studentenzeit in Berlin: Man sitzt gemeinsam in der Küche, redet miteinander, um sich kennenzulernen (oder wird von WG-Stasis gegrillt), sieht sich die Wohnung und das entsprechende Zimmer an und »hört dann voneinander«.
Unser erster Termin war in einer Haus-WG recht dicht am Stadtzentrum: Wohnzimmer, Küche, Bad, vier Schlafzimmer mit kleinem Garten, drei junge Männer, die alle berufstätig und den ganzen Tag außer Haus waren. Und vermutlich abends auch, da anscheinend Single.
Einer der Jungs, der uns an der Tür begrüßte, war wirklich niedlich, strahlte und freute sich über ein deutsches Paar: »Ich bin Ricky. Cool, Deutsche sind ja immer ordentlich, hallo hausfrau! Haha!«
Hausfrau? Ist das ein irischer Begriff für deutsche Frauen, die ihnen die Putzarbeit abnehmen? Hallo Macho, oder was?
Ohne Umstände führte uns Ricky durch das Haus. »Hier ist unsere recreation area.« Er schlug Micha auf die Schulter und lachte.
Ich nicht. Der »Freizeitbereich« war das Wohnzimmer mit einem riesigen Flachbildschirm an der Wand, einem versifften Sofa, alten Pizzaschachteln auf dem verfleckten Sofatisch und Bierdosen dekorativ auf dem flusigen Boden verteilt.
Micha, ganz Kumpel: »Könnte man was draus machen.«
Was draus machen? Ich mache nicht – was auch immer!
»Und das ist euer Zimmer«, meinte charming Ricky auf dem Weg nach oben. »Müsste noch ausgeräumt werden. Der frühere Bewohner kam nicht dazu, seinen Krempel abzuholen.«
»Die nächsten Bewohner kommen auch nicht dazu, diesen Dreck auszuräumen«, flüsterte ich Micha auf Deutsch zu. Laut sagte ich: »Ricky, das ist sehr lieb von dir. Aber ich denke, wir schauen uns noch ein paar andere WGs an.«
»Kein Problem, cool. Ruft an.« Dann neigte er sich mir flüsternd und mit einem Augenzwinkern zu. »Jederzeit ...«
Micha grinste nur vielsagend.
Nächster Tag, nächste Adresse. Diesmal eine alleinstehende berufstätige Frau, die laut Anzeige ihr Haus mit netten Leuten teilen wollte. Das neu gebaute Einfamilienhaus am Stadtrand von Ennis sah auf den Fotos ungemein gepflegt und großzügig aus, also reichlich Platz, zumal angekündigt mit vier Schlafzimmern, zwei mit eigenem Bad.
Eine gepflegte Frau mittleren Alters im Hosenanzug öffnete uns die Haustür mit einem dezenten Lächeln. »Willkommen in meinem Palast. Kommt rein.«
Micha und ich schauten uns erleichtert an. Definitiv keine Chaotenwohnung. Das Haus war nahezu obsessiv aufgeräumt. Nichts lag herum, es gab kaum Möbel, keine Bilder an der Wand und absolut nirgends Bücher. Minimalismus? Soll ja angesagt sein.
Die Dame, anders kann ich sie nicht bezeichnen, führte uns herum. »Ich habe mir das Haus vor ein paar Jahren gekauft, aber die Hypothek bringt mich noch um.« Sie strich sich die blond gesträhnten Haare aus den Augen. »Ein deutsches Paar wird sicherlich meine Privatsphäre schätzen. Ihr wisst ja nicht, was für Leute sich hier beworben haben! Deutsche sind ja immer ruhig und feiern keine Partys. Ihr feiert doch keine Partys? Kommt, ich zeige euch euer Zimmer.«
Sie führte uns nach oben und öffnete eine Tür zu einem kleinen Raum mit schmalem Doppelbett, winzigem Einbauschrank und einem Stuhl. Das war’s. Noch nicht einmal einen Tisch gab es, den ich als Schreibtisch nutzen könnte.
»Das ist die Abstellkammer, oder?«, fragte Micha.
»Aber nein, das ist mein Gästezimmer. Schaut, es geht direkt auf den Garten hinaus.«
»Und unser Schlafzimmer?«, fragte ich.
»Das ist euer Schlafzimmer, hübsch nicht? Die anderen Räume sind natürlich privat. Oh, und Küchenbenutzung ist nur tagsüber gestattet, wenn ich im Büro bin. Und bitte keine Sachen im Bad hinterlassen. Das wird sonst zu voll.«
»Das ist ja wie im Knast«, flüsterte Micha.
Ich nickte heftig. Wir waren uns nie so einig und nie so eilig gewesen, ein Haus zu verlassen.
»Ruft an, wenn ihr es euch überlegt habt.« Die Frau lächelte freundlich, aber vergeblich.
Unser dritter Versuch war schließlich erfolgreich – auf den ersten Blick jedenfalls. Die WG befand sich in einem älteren Bungalow fast in der Innenstadt, mit Garten und Blick auf wild wucherndes Brachland – fast schon ländlich. Und das Zimmer war auch groß genug für uns beide, samt Schreibtisch, und schön günstig. Internet gab’s auch. Aisling, eine rundliche und rundum fröhliche Krankenschwester, begrüßte uns mit all der irischen Herzlichkeit, die wir uns vorgestellt hatten.
Na gut, das Haus war etwas chaotisch, aber Aisling erklärte: »Wir sind alle berufstätig, haben kaum Zeit für Hausarbeit mit all den unterschiedlichen Schichten, Nachtarbeit und so. Aber gemeinsam kriegen wir das schon hin. Das Haus gehört meinem Onkel, der lebt in Australien. Manchmal kommt er rüber und wohnt hier, aber das macht doch nichts, oder? Also, ich bin die Hauptmieterin, sozusagen. Abgesehen von Onkel Fintan. Die anderen werdet ihr später treffen.«
Die Frau gefiel mir. Sprudelnd, offen und selbstbewusst.
»Und wer sind die anderen?«, fragte Micha.
»Da ist Gianna. Die kommt aus Italien und hat bis vor Kurzem bei der Bank gearbeitet, hat aber ihren Job verloren und ist jetzt Serviererin in einer Pommesbude, Köchin nennt sie sich gerne. Sie ist großartig, sie weiß genau, wo man die richtige Pizza bestellt! Und dann noch Conor, der macht irgendwas mit IT.«
Michas Augen