Fettnäpfchenführer Neuseeland. Rudi Hofer

Fettnäpfchenführer Neuseeland - Rudi Hofer


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den Wunsch, hierher zu kommen, dich einmal richtig unter die Kiwis zu mischen und für ein paar Monate in Neuseeland zu bleiben, nicht wahr?«

      »Das ist wahr! Sehr wahr, sogar. Es sind auch tatsächlich nur zwei Probleme, die mich im Augenblick davon abhalten, den Koffer zu packen und ein one way ticket zu buchen: die Zeit und das Geld. Wenn du verstehst, was ich meine.«

      »Of course I do! Da sind wir doch gleich schon bei dem Punkt, bei dem ich dir helfen kann. Ein wirklich guter Freund, mein Tontechniker Malcolm Smith-Tohu, um präzise zu sein, hat einen Job in London angenommen, der ihn für drei oder vier Monate beschäftigen wird. Malcolm besitzt ein nettes Haus in Takapuna – nichts Hochnobles, aber es ist prima in Schuss. Und in sehr guter Lage befindet es sich auch – mit Meerblick sogar. Von seinem deck aus rufe ich dich übrigens gerade an. Malcolm hat mich gestern gefragt, ob ich nicht jemanden wüsste, auf den Verlass ist und der das Haus während seiner Abwesenheit bewohnen kann – house sitting sozusagen. Dieser jemand müsste sich nur ein kleines bisschen darum kümmern und aufpassen, dass nichts weg kommt. Dabei habe ich sofort an dich gedacht!«

      »Entschuldige Riqi, ich verstehe nicht ganz, was du damit meinst.«

      »Come on! Du verstehst sehr gut, um was es geht. Und jetzt kommt der eigentliche Knüller: Malcolm überlässt dem house sitter nicht nur den Inhalt seines mannshohen und randvoll gefüllten Kühlschranks inklusive großem Getränkefach. Er zahlt auch noch eine gewisse Tagespauschale ...«

      Peter konnte sich natürlich prinzipiell vorstellen, um was es ging, aber so richtig glatt saß ihm die Sache noch längst nicht: »Mal ganz ehrlich – ich nehme dir deinen Werbetext nicht ganz ab. Entweder du flunkerst ein bisschen, um mich ins Kiwiland zu locken, oder dein Tontechniker hat dich aus irgendwelchen Gründen auf den Arm genommen.«

      »Well. Ich kann verstehen, dass sich das für dich etwas zweifelhaft anhört. Aber hier ist house sitting eine ganz alltägliche Sache, das kannst du mir glauben. Malcolm könnte natürlich einen professionellen house sitter beauftragen, der 24/7 (rund um die Uhr, 24 Studen pro Tag, 7 Tage die Woche) auf die Sachen aufpasst. Aber das hätte seinen Preis.«

      Peter ließ die Info kurz sacken. »Okay, verstehe – aber welche ach so schützenswerten Schätze hat denn dein Freund in seinem Haus verborgen, wenn ich fragen darf?«

      »Natürlich darfst du fragen; es ist auch kein besonderes Geheimnis. Malcom hat sich in seinem Haus ein kleines Tonstudio eingerichtet und betrachtet es als sein Heiligtum. Ich selbst habe dort auch schon ein paar Songs eingespielt; es ist ganz gutes Equipment. Wie ich dich kenne, Peter, wirst du nun sicher denken, dass ein Tonstudio so ohne Weiteres nicht geklaut werden kann, don’t you?«

      »Stimmt! Aber so wie ich wiederum dich kenne, Riqi, wirst du mir gleich nebenbei erzählen, dass Malcolm zusätzlich die Wände mit Goldenen Schallplatten tapeziert und die Regale voller Trophäen stehen hat, die es pausenlos rund um die Uhr zu bewachen gilt, don’t you?«

       HÜTER DES HAUSES

      Wenn Neuseeländer verreisen, engagieren sie oft Verwandte, Bekannte oder auch professionelle Personen zum house sitting. Sie können dann sicher sein, dass ihr Haus in der Zeit der Abwesenheit nicht menschenleer seinem Schicksal überlassen wird.

      Gegen freie Logis und ein kleines Entgelt kümmert sich der house sitter um Pflanzen und Haustiere, sammelt die Post, erledigt vielleicht noch ein paar administrative Pflichten und passt eben ganz allgemein auf das Haus auf.

      Junge Kiwis nehmen sehr gerne solche Aufpasserjobs an, zumal sie damit für einige Zeit dem Elternhaus offiziell entfliehen können und zudem dabei ein paar Dollar verdienen.

      Riqi hat recht: Es gibt sogar einige neuseeländische Agenturen, die sich auf die Vermittlung von zuverlässigen (polizeilich überprüften) house sitters spezialisiert haben. Es besteht also offensichtlich ein steter Bedarf an Hauswächtern.

      »No kidding, Peter! (ohne Flachs, kein Witz, im Ernst) Ich kann dir die Hälfte deines Reiseproblems lösen helfen. Ich gehe einfach davon aus, dass du dir den Flug nach Neuseeland leisten kannst. Darüber hinaus wird sich dein Geldbedarf in engen Grenzen halten. Malcolm wird dir zwar keinen Spitzenlohn bezahlen, aber für einmal am Tag fish ’n’ chips und am Abend ein Bier wird es reichen – die Übernachtung ist ja sowieso frei.«

      Riqis Argumente hörten sich gut an, und er hatte noch mehr auf Lager: »Ach ja, eines noch: Malcolm hat ein wirklich ordentliches Auto in der Garage stehen, das du ebenfalls benutzen kannst. So, das war es nun von meiner Seite! Du brauchst also nur noch die andere Hälfte des Problems zu lösen.«

      Lag es an seiner Müdigkeit oder hatte Riqi ihn einfach auf dem richtigen Fuß zur richtigen Zeit erwischt – Peter packte unmittelbar die Abenteuerlust. Riqi gegenüber wollte er aber nicht zu überschwänglich klingen: »Verstehe. Ich hätte demnach im Wesentlichen nur noch die Zeitfrage zu klären. Lieber Riqi, ich muss schon sagen, die Sache klingt äußerst verlockend!«

      Kurz darauf verabschiedeten sich die beiden voneinander und beendeten die Skype-Verbindung. Peter Obland fühlte sich nach diesem Gespräch leicht benommen und las auf dem Monitor, dass die Konversation 18 Minuten und 32 Sekunden gedauert hatte. 18 Minuten, die seinem Leben eine unerwartete Wendung geben würden.

      Peter war als freier Mitarbeiter in einer Frankfurter Werbeagentur beschäftigt und hatte einen relativ flexibel formulierten Vertrag, der ihm die Freiheit seiner Mitarbeit einerseits sehr gut absicherte, andererseits natürlich auch einschränkte.

      Er dachte gerade daran, dass es wohl am besten wäre, mit dem Inhaber der Agentur zu sprechen, falls er wirklich ein Sabbatical in Betracht ziehen wollte, als plötzlich noch einmal das Skype-Signal ertönte. Wieder war es Riqi – er nahm den Anruf entgegen: »Heya, my friend! Hast du dich schon für ein gap year (ursprüglich: das Jahr zwischen Schule und Universität, auch: Zwischenjahr, ein Jahr Auszeit) in Neuseeland entschieden?«

      »Wie bitte?«

      »Sorry, I’m joking. Ich habe nur vergessen, dir zu sagen, dass du die Entscheidung nicht überstürzen musst. Malcolm kann innerhalb der kommenden sechs Wochen jederzeit im Londoner Studio mit seiner Arbeit beginnen. Allerdings gilt das Prinzip: je eher, desto besser.«

      »Riqi, soll ich dir mal etwas sagen?«

      »Nur zu, tongue in cheek (ironisch, augenzwinkernd gemeint), ich bin schon ganz aufgeregt.«

      »Wir lassen den Zufall entscheiden! Wenn ich jetzt zum Fenster gehe, und draußen schneit es, dann werde ich gleich morgen früh mit meinem Boss sprechen und die Zeitfrage klären. Wie klingt das in deinen Musikerohren?«

      »This sounds good to me! Aber entscheidend ist zunächst, was gleich deine Designeraugen sehen werden.«

      Peter nahm den Laptop mit der Kamera nach vorn vom Schreibtisch, ging zum Fenster und drehte mit einer Hand die Vorhanglamellen quer. Aus 18.000 Kilometer Entfernung sah Riqi Harawira, auf seinem Monitor nur ein fast schwarzes, pixeliges und schlieriges Bild, bevor sich ein paar kleine, weiße Punkte abzeichneten. In Frankfurt am Main tanzten die Schneeflocken durch die Luft.

       Was man kritisieren könnte ...

       Haushüten und Glühwein – was der eine nicht kennt, ist für den anderen eine Selbstverständlichkeit.

      Peter Obland und sein neuseeländischer Bekannter, der Musiker Riqi Harawira, kommunizieren miteinander praktisch auf gleicher Augenhöhe. Der eine ist kreativ in der Werbung tätig, der andere steckt tief im Musikgeschäft. Daraus resultiert die gemeinsame Wellenlänge im Gespräch. Lediglich bei der Annahme, dass Riqi keinen Glühwein kennt, war Peter vielleicht etwas zu spekulativ. Glühwein ist in Neuseeland unter der Bezeichnung mulled wine durchaus bekannt. In manchen wineries (Winzereien, Weingüter) findet man mulled wine sogar auf der Getränkekarte. Vorgefertigte Gewürzmischungen, mit denen man sich zu Hause selbst einen


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