Fettnäpfchenführer Frankreich. Bettina Bouju

Fettnäpfchenführer Frankreich - Bettina Bouju


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Weile auf Paula ein und eine knappe Stunde später standen die beiden vor dem Bateau îvre am Place de la Bastille. Paula fühlte sich wohl in ihren Lieblingsjeans und war wieder bester Stimmung. Als ihr Marie dann alle Freunde vorstellte, war sie allerdings mehr als irritiert: Die Mädchen steckten entweder im kurzen Schwarzen oder in hautengen Leggins und die Jungs in Hemden mit Pullovern. War sie hier im Club der Gleichgesinnten gelandet? Mit einem ultrageheimen Kleidercode? Paula beschloss, Marie auszuquetschen, sobald sie wieder zu Hause waren. Aber erst mal bestellte sie sich ein großes Bier und versank dann genüsslich in dem melodiösen Stimmenwirrwarr. »Nice look«, flüsterte ihr kurz darauf Pierre ins Ohr, den Marie vorhin in der Metro schon als typischen französischen Charmeur eingeführt hatte. »Merci«, entgegnete Paula kurz und trocken und wandte sich siegessicher dem süßen, schüchternen Aurélien zu ihrer Linken zu.

       Was ist diesmal schiefgelaufen?

      Das Klischee stimmt: Kleidung war und ist in Frankreich ein großes Thema. Französische Frauen gehen regelmäßig und leidenschaftlich gern shoppen! Sie verabreden sich mehrfach in der Woche ausschließlich dafür, tauschen sich viel und gern über neue Moderichtungen aus und lassen jede Menge Geld in diversen Boutiquen. Es gehört einfach zum Lebensgefühl der femme française, der französischen Frau, dass sie sich in diesem Bereich einen gewissen Entfaltungsraum bewahrt hat. Ein bisschen nach dem Motto: Das Äußere stärkt das Innere.

      Obwohl Paula immer wieder und ebenso leidenschaftlich beobachtet, dass sich die Frauen in Frankreich viel eleganter und weiblicher kleiden als in Deutschland, hat sie trotzdem noch überhaupt keine Ahnung, worin diese französische Eleganz eigentlich besteht. Für sie ist das nach wie vor eine vollkommen fremde Welt. Und am Ende überwog dann an besagtem Samstagabend die Wohlfühllaune und nicht der französische Schick. Sie hat also angezogen, was sie zu Hause in Berlin an einem Samstagabend tragen würde: ihre bequemen Lieblingsklamotten. Ganz egal, wohin und mit wem. Und das war in dem Fall ein kleiner Fehler.

       Was können Sie besser machen?

      Paula ist zu Gast bei den Bouchards und wird von deren Tochter Marie spontan zu einem Samstagabend mit Freunden mitgenommen. Da wäre es durchaus angemessen gewesen, kurz nachzufragen, welches Outfit für diesen Abend das passende wäre. Stattdessen hat Paula einfach nur ausgewählt, worauf sie Lust hatte, ohne dabei auf ihre Gastgeberin einzugehen. Paula hätte sich letztendlich nur ein wenig einfühlen müssen in die Stimmung des Abends und hätte dann vielleicht sogar unter ihren eigenen Sachen etwas Geeignetes gefunden.

       FRANKREICH UND MODE ...

      ... das ist wie Deutschland und Bier! Das eine ist ohne das andere nicht zu denken. Die Haute-Couture- und Prêt-à-Porter-Modenschauenin Paris sind nach wie vor richtungweisend, die Trends, die hier gesetzt werden, verbreiten sich in der ganzen Welt, und französische Modemacher genießen eine unangefochtene Anerkennung.

      Lange Zeit hatte Frankreich eine Art Vormachtstellung in der Modewelt. Designer und ihre Labels wie Yves Saint Laurent, Christian Dior, Givenchy, Coco Chanel oder Christian Lacroix haben mit ihrer luxuriösen, handgefertigten und maßgeschneiderten Modekunst den Lebensstil und die Kultur des 20. Jahrhunderts stark mitgeprägt. An den Schnitten und Entwürfen dieser Haute Couture, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in England ihren Anfang nahm, orientierten sich viele andere Designer und entwickeln bis heute auf dieser Basis ihre eigenen Stile. Schon lange haben sich auch in anderen Ländern Mode-Hotspots entwickelt; Trendsetter sind jetzt ebenso Berlin, Mailand, Tokio, London und New York.

      In den 1930er-Jahren entwickelte sich in Paris die Prêt-à-Porter-Mode, die, im Gegensatz zur maßgeschneiderten Haute Couture, tragfertig in Standardgrößen auf den Markt kommt. Diese »Stangenware« ist für uns längst zum Standard geworden, und auch viele große Haute-Couture-MeisterInnen entwickeln großartige Mode, die industriell in alle Welt exportiert wird.

      Zur Zeit Ludwigs XIV. schaute das ganze modebewusste Europa auf Frankreich. Man kopierte in Europa französische Kleiderschnitte, Frisuren und selbst die Sprache. Ende der Zwanzigerjahre gelang es den Modemachern der Haute Couture (Coco Chanel, Christian Dior u. a.) dann sogar, die Mode in den Rang der Kunst zu erheben und ein neues gesellschaftliches Bewusstsein für diese Ausdrucksform zu schaffen. Heute ist die revolutionäre Kreativität von Coco Chanel nicht mehr wegzudenken. Ohne sie gäbe es zum Beispiel das zeitlose »Kleine Schwarze« nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es Christian Dior, der die französische Mode wiederbelebte. Er entwarf weite blumenartige Röcke mit enger Taille, die die weiblichen Formen stärker unterstreichen sollten. Zu seinem »Nachwuchs« gehörte auch Yves Saint-Laurent, der schon mit jungen Jahren sein eigenes Modehaus gründete. Zu seinen legendären Kreationen zählt der elegante und sachlich anmutende Hosenanzug für Frauen aus dem Jahr 1967 – ein nicht unwesentlicher emanzipatorischer Schritt in der Modeszene.

      Im Allgemeinen verfolgen die französischen Frauen diese Mode-trends mit großem Interesse und einer nicht enden wollenden Leidenschaft. Sie integrieren sie in ihre Alltagsgarderobe, wobei die individuelle Kreativität zu Gunsten eines aktuellen, einheitlichen Stils ein wenig in den Hintergrund rückt. Man ist zwar gern modisch schick, aber eben auch gern genauso schick wie alle anderen.

      Pariserinnen wird man nur selten mit zu engen Pullis oder in unvorteilhaften Jeans sehen. Doch dafür ist der Pariser Chic wesentlich standardisierter, als die Mode in Berlin, wo persönlicher Style immer auch bedeutet, sich extravagant und gern mal anders als die anderen zu kleiden. Sei es, dass man praktische »Funktionskleidung« oder auch schräge Vintagemode wählt – in Berlin kann man sich kleiden, wie man mag. In Frankreich dagegen haben die einzelnen Gesellschaftsschichten ihre ganz eigenen Kleidercodes und pflegen diese bewusst und mit Stolz. Wer einmal begriffen hat, worin diese bestehen, findet sich plötzlich viel einfacher zurecht – im Land der unerschöpflichen Modeschöpfer!

      In Deutschland findet man französische Labels und Designer oft in den besseren Kaufhäusern oder in speziellen Boutiquen in größeren Städten. Marken wie Comptoir des Cotonniers, Maje, Sessun oder Ba&sh bieten Mode, die den Übergang zwischen hochwertiger Alltagskleidung und elegantem Abend-Outift markiert. Es geht darum, jederzeit für alles vorbereitet zusein, sprich: immer schick, aber nicht overdressed, weiblich aber nicht zu sexy, für den Büroalltag und den Restaurantbesuch am Abend gleichermaßen angemessen gekleidet zu sein.

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       DER PÉRIPHÉRIQUE

      »Schau mal, Manni, der Eiffelturm«, rief Eva entzückt, als sie sich nach stundenlanger Fahrt endlich Paris näherten. Wie eine Fata Morgana tauchte die Stadt, in der Sonne glitzernd, mit ihrem Hügel, dem Montmartre, vor ihnen auf. Genauso romantisch hatten sie sich das damals vorgestellt. Das Ehepaar warf sich prompt einen verliebten Blick zu. Dabei träumte Eva schon seit Längerem von einer Toilette und einem guten Milchkaffee, Manni von einem gescheiten Bier und Anton war hinten im Campingbus über seinem Gameboy eingeschlafen. Der Verkehr wurde langsamer, aber aggressiver, unzählige Schilder wiesen in die verschiedensten Richtungen, Manni versuchte sich zu konzentrieren. Ich werde das Kind schon schaukeln, dachte er sich. Eva schaute hektisch auf die Wegstreckenbeschreibung, die sie aus dem Internet heruntergeladen hatten. »Wir müssen Richtung Porte d’Orléans«, sagte sie schnell, bevor Manni sie dumm anmachen konnte – von wegen sie sei zu blöd zum Kartenlesen. Und wie durch ein Wunder tauchte plötzlich das Schild auf: »Porte d’Orléans«. »Da!«, rief Eva laut, »links abbiegen«. »Ja, ja«, sagte Manni, »hab ich auch gesehen. Keine Panik.« Sie bogen nach links ab, doch da tauchte schon ein weiteres, diesmal kryptisches Schild vor ihnen auf: Intérieur nach rechts, Extérieur nach links. Sie mussten sich zwischen der inneren und der äußeren Straßenseite entscheiden. »Was ist das denn wieder für ein Schwachsinn!«, schimpfte Manni gleich und ehe er sich versah, wurde er vom restlichen Verkehr in eine Richtung mitgezogen. Hätte er in die andere Richtung fahren wollen, hätte er mehrere Autos rammen müssen. Denn von allen Seiten strömten jetzt die Fahrzeuge herbei, ohne zu


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