Fettnäpfchenführer Australien. Markus Lesweng
das betrifft nicht nur die Lebensmittel. Die kann man notfalls noch in speziell bereitgestellten Mülltonnen entsorgen. Aber was, wenn noch Dreck unter den Schuhen hängt? Oder unterm Fingernagel?
Grundsätzlich gilt, dass es nicht erlaubt ist, tierische und pflanzliche Produkte einzuführen. Darunter fallen also auch Honig, Milchprodukte und Eier – wer auch immer mit Eiern um die Welt reisen mag. Und natürlich Nüsse! Problemlos sind im Regelfall abgepackte Speisen; ein Erdnussriegel wird einen also nicht hinter Gitter bringen.
Sorge bereitet aber auch das Pflanzenmaterial unter den Schuhen, denn auch so könnten Samen ins Land getragen werden. Darum, Sparfüchse und Faulpelze aufgepasst: Wer keine Lust hat, seine Schuhe selbst zu putzen oder für die Reinigung zu bezahlen, kann an der Kontrollstelle einfach angeben, erst kürzlich auf einem ausländischen Bauernhof spazieren gegangen zu sein.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Es ist nicht so, als wäre alles paletti, sobald man die Grenzkontrolle hinter sich gelassen hat. Zwischen den einzelnen states in Australien herrschen ebenfalls strenge Quarantäneregeln – und wehe dem, der versucht, einen Apfel von Darwin nach Perth zu tragen!
Ergo: Es lohnt sich, dem Einreiseschein und den Quarantäneregeln drei Minuten Aufmerksamkeit zu widmen – und sich nicht von den teils albernen Fragen ablenken zu lassen. Die Quarantäne hat ihren Zweck, und sie funktioniert, weshalb sich auch jegliche Diskussionen erübrigen. Nach der Kontrolle ist es üblich, die gerade noch unglaublich wichtige Einreisekarte auf den Boden zu werfen und zu seinem Anschlussflug zu hetzen, denn die ganze Prozedur dauert verdammt lang!
4
IM HOTEL
STEFFEN STELLT SEINEN KOFFERAB UND GEHT FLANIEREN
»Schulz, kommen Sie doch erst einmal an. Leben Sie sich ein bisschen ein!«
Weise Worte seines Chefs, denkt Steffen. Wie ein artiger Mitarbeiter hat er bei der ersten Gelegenheit gemeldet, dass er wohlbehalten in Australien angekommen ist.
Doch so einfach ist das natürlich nicht mit dem Ankommen und dem Einleben. Seine eigentliche Unterkunft ist erst zum Monatsanfang bezugsfertig, sodass er die ersten Tage in einem durchaus schicken Hotel verbringen darf. Und zumindest da hat es jemand gut mit ihm gemeint, befindet Steffen. Sein Hotel liegt in Bondi, unweit des weltberühmten Strandes. Es hat viele Sterne und sehr einladende Betten – eine Wohltat nach dem langen Flug. Nur kommt es, wie es kommen muss: Im Flieger hat Steffen noch Glück gehabt, doch im Hotel hat er offenbar ein schreiendes Baby im Nachbarzimmer. Oder nicht nur eins, sondern gleich zwei, so, wie da geknatscht wird …
STRAND DER DINGE
Dass Steffen glaubt, von schreienden Babys umgeben zu sein, ist übrigens kein Zufall, sondern eine typisch australische pragmatische Lösung für ein einfaches Problem. Da die Kosten, frischgebackene Mütter im Krankenhaus unterzubringen, so immens hoch sind, werden sie kurzerhand für eine Woche in ein Fünf-Sterne-Hotel geschickt. Das ist in der Tat günstiger – und vermutlich sogar angenehmer für alle Beteiligten!
Dass Steffen in Bondi einquartiert wurde, dürfte ein Glücksfall sein. Der Strand zählt zu den berühmtesten der Welt – auch wenn er nicht anders ist als die Strände ein paar Hundert Meter weiter. Dennoch illustriert der »Mythos Bondi« wunderbar, dass sich das Leben in Australien draußen abspielt – und zwar nicht irgendwo, sondern am Strand.
Irgendwie ist es viel zu früh, um schlafen zu gehen. Und irgendwie müsste Steffen seinen ersten Tag down under auch feiern. Andererseits ist er viel zu müde, um noch etwas Großes zu unternehmen. Daher entscheidet er sich am frühen Abend, zumindest für ein Stündchen spazieren zu gehen: einmal die Strandpromenade entlang, mal sehen, was Australien so bietet.
Und es gefällt ihm. Zwar ist Steffen auf Anhieb nicht klar, was Bondi so besonders machen soll, aber ein schöner Strand ist es allemal. Auch ist er ein wenig erleichtert, dass zumindest Sydney nicht so exotisch ist, wie er es sich vorgestellt hat. Weit und breit keine Kängurus, dafür viele Asiaten, die auch hier zu wohnen scheinen. Und natürlich Touristen ohne Ende.
Doch eine gute Stunde voll erster Eindrücke sind an diesem Tag genug. Nach einem kurzen Happen im Hotel (auf Firmenkosten) entschließt sich Steffen, der Versuchung nachzugeben und erst einmal vernünftig zu schlafen. Minuten nachdem er sich ins Bett geworfen hat, schläft er ein.
Und dann wacht er wieder auf. Lange geschlafen hat er, tief und ohne Unterbrechung. Ausgeschlafen fühlt er sich auch, doch auf der Uhr auf dem Nachttisch lacht ihm »4:21 AM« entgegen. Och nö, denkt Steffen und dreht sich noch einmal um. Draußen ist es noch dunkel und still – bis auf das Meeresrauschen –, doch einschlafen kann er nicht mehr. Gute zwei Stunden kämpft er mit Kissen und Decke, dann gibt er auf und beschließt, den Tag mit einem üppigen Frühstück zu beginnen – der ersten richtigen Mahlzeit, seit er Deutschland verlassen hat, und das muss vor … drei Tagen gewesen sein!?
Im Frühstücksraum angekommen, ist er ohne Zweifel der erste Gast. Empfangen wird er von demselben Kellner, der ihn am Vortag schräg angeguckt hat, als Steffen erfolglos versucht hat, zu seinem Sandwich ein Sprudelwasser zu ordern. Nun weist er ihm einen Tisch direkt an der Fensterfront zu, an dem Steffen die Aussicht aufs Meer genießen kann. Der Himmel ist noch immer wolkenverhangen, es ist ziemlich windig und Regen liegt in der Luft. Dabei hieß es gestern noch, es solle aufklaren. So hatte er sich das in Sydney aber auch nicht vorgestellt …
»Meinen Sie, es wird heute regnen?«, fragt er den Kellner.
»Vielleicht. Ich bin da nicht sicher«, lautet seine knappe, aber professionell höfliche Antwort, bevor er davontippelt, um Kaffee zu holen. Steffen lädt in der Zwischenzeit seinen Teller voll mit Speck, Eiern, Bohnen und etwas, was ihn an die Rösti aus der Tiefkühltruhe erinnert, die man in Deutschland bekommt. Dazu noch Toast und – wie Steffen entzückt feststellt – Vegemite. Davon hat er schon gehört: Angeblich seien Australier verrückt nach dem Zeug! Also muss etwas dran sein, denkt sich Steffen, und verteilt eine großzügige Portion auf seinem Toast.
Einen Biss später ist sein erstes australisches Trauma perfekt. Es ist, als würde er einen Brühwürfel lutschen – und das auch noch zum Frühstück, auf nüchternen Magen.
»DELIKATESSEN«
Keine Frage, gutes Essen findet sich auch in Australien. Dennoch ist es für den Neuankömmling faszinierend bis schockierend, mit der ur-australischen »Küche« konfrontiert zu werden. Ob Australiens Vegemite oder das faktisch identische Marmite aus Neuseeland besser schmeckt, ist Thematik unzähliger Diskussionen zwischen den Einwohnern beider Nationen. Ebenso streitet man sich leidenschaftlich darüber, welches Land die Pavlova erfunden hat – eine nach einer russischen Tänzerin benannte Sahnetorte mit Früchten, über die man sich nach Ansicht Außenstehender wahrlich nicht streiten müsste. Die Schuld für die Erfindung von Lamingtons liegt aber alleine bei den Australiern: Dabei handelt es sich um einen Biskuitkuchen mit Schokolade und Kokosnussraspeln, der im Idealfall mit Sahne und Erdbeermarmelade »verfeinert« wird.
Zum Glück ist niemand im Raum, der sehen kann, wie Steffen den Bissen unansehnlich in einer Papierserviette entsorgt und danach mit viel Saft versucht, den salzigen Nachgeschmack aus seinem Mund zu spülen. Der Kellner scheint etwas zu ahnen, als er kurz darauf den Kaffee serviert. Schon wieder guckt er Steffen so komisch an. Und es wird nicht besser, als Steffen fragt, ob es denn auch Brot gäbe.
Doch, klar, weißes und braunes, erklärt der Kellner und deutet auf den Toast am Buffet. Dann trottet er von dannen und lässt Steffen mit seinem Kaffee und seinen Gedanken allein.
Komisch, denkt Steffen. Draußen klatschen die ersten Regentropfen an die Scheibe.
What an arse! Was ist da schiefgelaufen?
Ganz einfach: Steffen hat noch nicht realisiert, dass er jetzt am anderen