Fettnäpfchenführer Korea. Jan-Rolf Janowski

Fettnäpfchenführer Korea - Jan-Rolf Janowski


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wenige solcher Situationen.

       PROLOG

       KOREA? WARUM, WO UND WELCHES ÜBERHAUPT?

       Wo sie Bomben bauen und Hunde essen

      Für viele Europäer ist es bekanntlich schon schwierig genug, Chinesen und Japaner auseinanderzuhalten, und dann hat sich die Weltgeschichte erlaubt, da noch ein Völkchen dazwischenzusetzen, das zwar durchaus Einflüsse der großen Nachbarn aufgenommen hat, aber in seiner langen Geschichte immer eigenständig und unverwechselbar blieb. Das war nicht selbstverständlich, denn Chinesen und Japaner haben sich immer wieder dafür eingesetzt, es für die Westler einfacher zu machen, indem sie versuchten, das kleine, unbeugsame Völkchen in ihrer Mitte schlicht einzuverleiben und seine kulturelle Identität auszulöschen. Wie auch immer, das hat offensichtlich nicht funktioniert, nur hat davon außerhalb Asiens selten jemand etwas mitbekommen. So liegt der Bekanntheitsgrad der kleinen ostasiatischen Wirtschaftsund Kulturmacht denn auch bei uns in Mitteleuropa noch immer irgendwo zwischen Koriander und Chorea Huntington. Und wo Korea in die Schlagzeilen kommt, ist es meist der nördliche Teil, der für die Südkoreaner aber so etwas wie der zurückgebliebene Onkel ist, den man nicht unbedingt beim ersten Treffen präsentieren möchte (siehe Episode 39).

       WIE ALT IST KOREA EIGENTLICH?

      Koreaner sprechen gern von einer 5.000 Jahre alten Geschichte, wobei das aus mehreren Gründen unglücklich und wohl eher auf die Konkurrenz mit dem großen Nachbarn China zurückzuführen ist, der Ähnliches für sich in Anspruch nimmt. Der nationale Gründungsmythos der Koreaner spricht vom Jahr 2333 v. Chr. als Ausgangspunkt, wir befinden uns daher nach der Zeitrechnung dangi im Jahr 4345 der koreanischen Zivilisation. Historiker gehen realistisch davon aus, dass ein koreanischer Staat im eigentlichen Sinne des Wortes wohl »erst« knapp 2.000 Jahre alt ist. Die Vorfahren der heutigen Koreaner wiederum haben die Halbinsel aber wohl schon vor mindestens 10.000 Jahren besiedelt. Man kann sich also am besten darauf einigen, dass Korea »sehr« alt ist, auch wenn man nicht weiß, wie alt. Sicher ist jedenfalls, dass Koreaner seit Jahrhunderten gemeinsam in einem Staat (beziehungsweise seit einigen Jahrzehnten leider in zwei Staaten) leben und dies zu einer starken nationalen Identität geführt hat, die auch brutale Kolonialisierung durch die Japaner von 1910 bis 1945 nicht auslöschen konnte.

      »Nord oder Süd?« war dann natürlich prompt die erste Frage, die Julia von ihrer besorgten Verwandtschaft gestellt bekam, als sie beim Geburtstagskaffee für Oma Hilde stolz offenbarte, dass sie sich für ein Austauschsemester an einer koreanischen Universität eingeschrieben hatte.

      »Diese Stolperfußballer von Koreanern haben uns doch rausgehauen bei der WM in Russland, was willst du denn da!«, protestierte ein nicht gerade weit gereister Schwager, woraufhin sich auch schon Oma Hilde ins Gespräch einklinkte: »Julchen, die essen da Hunde, denk doch an deinen kleinen Berti, den würden die da essen!«

      »Omi, das ist doch Quatsch. Es gibt doch in Deutschland auch Leute, die Pferd essen, und trotzdem gibt es auch Reiterhöfe.«

      »Aber da regiert doch so ein dicker Diktator, der streitet sich mit den Amerikanern drum, wer den größeren Atomknopf hat, stand in der Zeitung.« Oma Hilde war kaum mehr zu beruhigen.

      Dachte Hildes Julchen hingegen an dicke Koreaner, dann fiel ihr vor allem einmal Psy ein, der Sänger aus dem Youtube-Video, das um die Welt gegangen war. Aber zu koreanischer Popmusik und dann auch zu Filmen hatte sie ja schon viel früher gefunden. Die meisten ihrer Lieblingsgruppen waren inzwischen aus Korea. Klar, sie waren zuckersüß, schnulzig und irgendwie auch ein bisschen austauschbar, aber so wunderbar anders als alles, was sie bisher gesehen hatte. Sie war natürlich kein so richtig krasser Fan, der zu Konzerten durch ganz Europa reiste, aber Fernsehen tat sie meist auf dem Laptop – und zwar koreanische TV-Serien mit Untertiteln, Internet sei Dank. Als sich dann auch noch an der Uni eine koreanische Freundin fand, die Julia eine ganze Menge von Land und Leuten erzählte, war es vollends um sie geschehen. Es folgten kostspielige Besuche beim örtlichen Koreaner, die aufgrund der Schärfe des Essens regelmäßig in ausgebrannter Mundhöhle endeten – und Versuche, sich anhand von Liedtexten die fremde Sprache mit den vielen eos und eus (siehe Episode 5) anzueignen.

      Als dann in einem Seminar an der Uni gefragt wurde, wer gerne einmal ein Austauschsemester in Korea machen möchte, war sie natürlich sofort Feuer und Flamme. Sofort sagte sie zu, und da außer ihr nicht allzu viele Studenten überhaupt etwas über Korea wussten, hatte sie schnell einen Platz an einer guten Uni sicher. Sorgen machte sie sich keine: Das, was sie in den Filmen gesehen hatte, konnte ja so falsch nicht sein. Und wenn doch, wollte sie das jetzt selbst herausfinden.

       TEURER GENUSS: KOREANISCHE RESTAURANTS IN DEUTSCHLAND

      Es gibt inzwischen in allen größeren Städten im deutschsprachigen Raum koreanische Restaurants, natürlich mit unterschiedlichem Authentizitätsgrad. Grundregel: Je hipper die Nachbarschaft, desto größer die Kimchi-, Chicken- und Korean-BBQ-Dichte. Aber egal, ob Imbiss oder Hipsterschuppen, spätestens in Korea selbst fühlt man sich im Nachhinein betrogen: Dort kostet das exakt gleiche Gericht mit sieben Beilagen und kostenlosem Wasser dazu am Ende oft weniger als ein Drittel. Hoher Preis und sparsamer Gewürzeinsatz sind dann auch die Hauptfaktoren, die eine noch weitere Verbreitung der koreanischen Küche in Europa bislang verhindern. Und das, obwohl auch aufeinanderfolgende koreanische Regierungen den Kimchi-Kulturexport quasi zur Chefsache machten.

      Bei Nico wiederum lief alles ganz anders. Weil sein Vater vor vielen Jahren schon einmal in Japan für sein Unternehmen tätig gewesen war, hatten Nico und seine Familie einige Zeit dort gelebt und ein paar Mal Korea besucht.

      Auf den Fotos, die sich manchmal gemeinsam anschauten, sah man unter anderem Nico auf einer steinernen Empore, die zum Thronsaal eines Königspalastes in Seoul führt, einen steinernen Wächter reiten, der aussieht wie ein Tiger. Papa würde dann immer erläutern, dass das gar kein Tiger sei, sondern eigentlich eine mythische Figur, die noch am ehesten einer Giraffe ähnele, worauf Mama dann immer einwerfen würde, dass es doch in Korea gar keine Giraffen gäbe. Nico war das recht egal; er fand einfach schön, wie glücklich er damals aussah.

      Die einzige direkte Erinnerung, die Nico noch an Korea hatte, war so ein Geruch in der Nase. Faulig irgendwie, nicht unangenehm, aber auch nicht eben verlockend. Dieser schien sogar am kleinen Tiger Hodori zu kleben, dem Maskottchen der Olympischen Spiele 1988, den ihm damals sein Vater von einer Geschäftsreise mitgebracht hatte. Und auch wenn die letzte Reise nach Korea schon viele Jahre zurücklag, erzählte der Vater auch heute noch fast allabendlich, wie »die Koreaner« seien: hart arbeitende, freundliche Menschen und vor allem immer noch mit viel Potenzial. Ganz anders als Deutschland. Korea sei jedes Mal neu, immer im Wandel, the place to be für alle, die was mit Wirtschaft machen. Es klang wie ein Befehl.

      Als Nico dann kurz nach seinem Abschluss in BWL immer noch nicht in die Gänge kam, wurde das elterliche Drängen stärker. Der Vater beschloss, Nico müsse jetzt langsam mal Auslandserfahrung sammeln, so richtig Ausland. Nico hatte zwar in Maastricht studiert, war durchaus international geprägt und Asien an sich auch nicht abgeneigt, aber so recht begeistert war er von der Aussicht auf ein halbes Jahr Reisessen und sinnlose Überstunden nicht unbedingt. Denn das waren die Erinnerungen seiner Mutter an die Arbeit des Vaters in Japan: Selten war ihr Mann vor 22 Uhr zu Hause, oft noch später. Sie saß unterdessen mit dem kleinen Nico im Tokioter Großstadttrubel und konnte sich nicht verständigen. Jeder Gang zum Supermarkt ein Abenteuer. Asien, das kam für sie zumindest nicht mehr infrage.

      Aber natürlich widersprach sie ihrem Mann nicht, denn der kannte sich ja am besten aus. Nach wenigen Telefonaten mit alten Kollegen hatte Papa seinem Sohnemann einen Praktikumsplatz bei einem angesehenen Unternehmen in Seoul besorgt. »Nach Hongkong oder Peking gehen sie heute doch alle«, kommentierte der Vater das Ergebnis knapp, und Sohnemann durfte immerhin noch formal zustimmen. Also ergab sich Nico wieder einmal in sein


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