Fettnäpfchenführer Korea. Jan-Rolf Janowski

Fettnäpfchenführer Korea - Jan-Rolf Janowski


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reagierten, als Nico sie nach einem Motel fragte, ist vielleicht jetzt auch verständlicher. Oder wie würden Sie reagieren, wenn Sie jemand fragt, ob Sie einen Ort kennen, an dem man in Ruhe die Briefmarkensammlung durchblättern kann? Kein Koreaner würde einen ausländischen Gast in einem Motel unterbringen, obwohl es tatsächlich die unkomplizierteste Art des Reisens ist, auf diese überall massenhaft anzutreffenden, oft strategisch günstig in Nähe des Haupt(bus)bahnhofs gelegenen Herbergen zurückzugreifen. Ohne vorher zu reservieren, kann man in Korea zu jeder Tages- und Nachtzeit eine moderne Unterkunft mit Internet und TV für um die 30 Euro finden. Wenn das kein Argument für das Motel ist. Natürlich nur, wenn man das Kopfkino ausschalten kann, was die Aktivitäten der Vorbenutzer angeht. Aber mal im Ernst: Wissen Sie, was in Ihrem schicken Hotelzimmer vorher schon für Orgien gefeiert wurden?

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       IM MOTEL II

       NICO CHECKT DAS AUSCHECKEN NICHT

       Nur weil die Elster von außen schwarz ist, muss sie von innen nicht auch schwarz sein

      Um die Spannung zu nehmen: Ja, Nico hat sich tatsächlich durchgerungen, sich an der Minibar zu bedienen. Eine kleine Dose, die ein Erfrischungsgetränk vermuten ließ, deren Inhalt Nicos Gaumen zufolge aber nach abgestandenem, gezuckertem Abwaschwasser schmeckte.

      Ob es nun an diesem unschönen ersten Erlebnis liegt oder doch eher am Jetlag, für Nico beginnt dieser Tag eins jedenfalls schon morgens um fünf, als er nach kurzem Schlaf senkrecht im Bett steht. Da er nicht wieder einschlafen kann, macht er, was Menschen in seinem Alter nun einmal tun: den Fernseher an. 150 Kanäle. Lauter bunte Leute, die wild lachen oder verrückte Spiele spielen. Da ist er, der berühmte »Starcraft«-Sender! Und noch einer! Die spielen tatsächlich Videospiele mit Live-Kommentar, diese verrückten Koreaner! Wusste er es doch. Nico fühlt sich ein wenig wie damals in Paris, als er dem ersten Franzosen mit einem Baguette unterm Arm begegnete. Er zappt weiter: Angeln, Go-Spiel, ja, es gibt offensichtlich sogar einen Kanal für traditionelle Handarbeit. Das schmälert natürlich die Besonderheit des »Starcraft«-Kanals. Da er im Fernsehen aber außer einem Haufen amerikanischer TV-Serien mit Untertiteln, die er sowieso schon kennt, so ziemlich gar nichts versteht, beschließt er, mutig zu sein und sich raus aus dem Zimmerdschungel, rein in den Großstadtdschungel zu wagen. »Rein ins echte Leben«, wie sein Papa ihm immer auftrug.

       DIE MEISTER DES »STARCRAFT«

      Trotz des sehr realen Siegs gegen Deutschland 2018 wissen die Koreaner: In der virtuellen Welt kommen die Talente der Nation zum Tragen und nicht auf dem grünen Rasen. Onlinegamer rund um den Globus erstarren bei internationalen Turnieren in Ehrfurcht, wenn die mit hoch dotierten Sponsorenverträgen ausgestatteten südkoreanischen Gamer die Bühne betreten. In Seoul gibt es eigene Stadien nur für professionelle Computerspieler, die sogenannten gosu (Trommler – das heißt die, die den anderen richtig einheizen kann und den Ton angeben), während die meisten ausländischen Hobbysportler nur chobo (Anfänger) sind. Nachdem der Boom vor inzwischen 20 Jahren mit »Starcraft« begann, hat sich die koreanische Dominanz inzwischen auch auf andere Bereiche des E-Sports ausgeweitet. Die Neymars, Ronaldos und Mbappés der Onlinewelt sind allesamt Koreaner, auch wenn das Geld im Markt inzwischen aus China kommt.

      Allzu abenteuerlustig will Nico nun doch nicht gleich sein, nur nicht verlaufen im asiatischen Chaos: Eine Kollegin, Jane Roh, will ihn schließlich bereits um zehn Uhr abholen und dann mit ihm zusammen ins Büro fahren. So viel Zeit hat er also nicht mehr.

      Frisch geduscht, macht er sich zum Frühstück einen fürchterlich süßen Instant-Kaffee und isst einen nicht minder süßen Keks, auf dessen Verpackung »Choco Pie« steht und dessen Konsistenz ihn wieder einmal an die Grenzen des Bekannten stoßen lässt: Als er fertig ist, verlässt er sein Zimmer für einen Spaziergang und gibt – wie er das aus Hotels gewöhnt ist – an der Rezeption seinen Schlüssel ab. Sein Magen knurrt, während er die Straße entlangläuft. Zum Glück gibt es hier genug Läden. Mutig betritt Nico ein kleines, exotisch aussehendes Geschäft. Bei der Auswahl einer Stärkung geht er dafür lieber auf Nummer sicher und greift nach einer Bananenmilch. Erst an der Kasse merkt er, dass er sein koreanisches Geld vergessen hat. Als er der Verkäuferin Euros zeigt, lacht die ihn nur freundlich, aber bestimmt aus und winkt wild mit den Händen ab.

       SÜSSE VERSUCHUNG AUF KOREANISCH

      Sikhye heißt ein traditioneller Reispunsch, der in Dosen erhältlich ist und oft auch als Nachtischersatz in Restaurants gereicht wird: Die aufgequollenen Reiskörner schwimmen schon leicht gräulich in einer trüben Brühe. Früher sehr beliebt wegen seines hohen Nährwerts, ist sikhye heute ein Nostalgiegetränk.

      Süßer Instant-Kaffee kommt in Korea ebenfalls langsam aus der Mode, auch weil es inzwischen an jeder Ecke Coffeeshops gibt. Auf dem Land wird er jedoch noch gern getrunken.

      Ein Dauerbrenner ist hingegen Choco Pie – die begehrteste Süßigkeit mehrerer Generationen von Koreanern. Pappiger Kuchen mit einer Schicht pappigem Marshmallow in der Mitte, überzogen mit Schokolade. Kalorienbombe und Kulturexport der besonderen Sorte: Selbst im verfeindeten Nordkorea gilt er als bewundertes Symbol des Wohlstands des Südens.

      Also zurück ins Motel, wo seine Won liegen, doch als er ankommt, ist die Rezeption verwaist. Aus einem der oberen Stockwerke sind Stimmen zu hören, Nico geht also die Treppe hoch und sieht im ersten Stock, wie die Rezeptionistin mit einem anderen Mann in sein Hotelzimmer geht. Mit offenem Mund bleibt er auf dem Treppenabsatz stehen und beobachtet das Treiben eine Weile. Seelenruhig stopfen die beiden Nicos Klamotten und Wertsachen in seine Reisetasche und stellen sie vor die Tür. Na wartet! Empört stellt er die beiden auf Englisch zur Rede, doch die gucken ihn nur entgeistert an. Der Mann fragt ganz vorsichtig: »You back?«

      Das ist doch nicht zu fassen, jetzt tut der Mann auch noch unschuldig. Mit einem schnellen Griff packt Nico seine Tasche, macht auf dem Absatz kehrt und verlässt das Motel. Die verzweifelten Rufe der Rezeptionistin ignoriert er.

       Aigu! – Oh weh!

      An seinem ersten Tag hat Nico wahrlich keine Glanzleistungen vollbracht. Zuerst hat er mal wieder vergessen, sich vorher richtig zu informieren: Wer in ein Stundenhotel geht, checkt schlicht aus, indem er seinen Schlüssel abgibt. Das ist das Zeichen, dass die Besitzer aufräumen können. Die Rezeptionistin und der Mann dürften perplex gewesen sein, die Tasche noch vorzufinden, also haben sie Nicos Sachen erst einmal zusammengepackt, für den Fall, dass ihm sein Fehler auffällt und er noch mal zurückkommt. Kriminelle Absichten hatten die beiden jedenfalls gewiss nicht.

      Im Übrigen ist es ganz gut, dass Nico gleich zu Beginn festgestellt hat, dass man mit Euro in Korea nicht weiterkommt; sie werden im Gegensatz zu vielen Tourismusorten Südostasiens in Korea außer in Hotels und Banken eigentlich nirgends akzeptiert.

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       SPRACHBARRIEREN

       FRÄULEIN SOMMERSUSHI UND HERR NASE

       Selbst der Hund in der Dorfschule kann nach drei Jahren lesen

      Nach seinem unerfreulichen Erlebnis im Motel braucht Nico erst mal eine Verschnaufpause in vertrauter Umgebung. Bis zur nächsten amerikanischen Kaffeehauskette ist es bekanntlich nie weit, und schon nach wenigen Metern findet Nico, was er sucht. Natürlich gibt es kostenloses W-LAN und so vergeht eine Stunde ganz schnell. Plötzlich klingelt sein Telefon:

      »Hallo, hier ist Jane«, meldet sich eine säuselnde Stimme auf Deutsch am anderen Ende.

      »Ah … Sie sprechen Deutsch! Das ist ja toll.«

      »Ich habe eine schlechte Nachricht.


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