Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater

Kultur unterm Hakenkreuz - Michael Kater


Скачать книгу
hatte mit der linksgerichteten Hertha Thiele zusammengearbeitet, Otto Wernicke und Wera Liessem hatten im – mittlerweile verbotenen – Film Das Testament des Dr. Mabuse von Fritz Lang mitgewirkt. Wernicke war in der Rolle des sozialdemokratischen Vaters von Brand zu sehen, der sich, wie dessen künftige Geliebte, gespielt von Wera Liessem, den Nationalsozialisten anschließt. Wie in all diesen Filmen spielt ein Hitlerjunge eine tragende Rolle; entweder er oder der SA-Mann wird den Opfertod für die nationalsozialistische Sache sterben.160

      Die literarische Vorlage für Hitlerjunge Quex war ein erfolgreicher Roman von Karl Aloys Schenzinger, der gerade rechtzeitig, 1932, erschienen war.161 Er feierte den Märtyrertod von Herbert Norkus, den Rotfrontkämpfer im Januar 1932 in Berlin umgebracht hatten. Der Film wurde im September 1933 in München in Anwesenheit des Führers uraufgeführt.162 Auch hier spielte neben dem Generationenkonflikt das Konversionsmotiv eine wichtige Rolle: Ehemalige Kommunisten konnten also im Dritten Reich, sofern sie nicht in einem KZ landeten, durchaus auf die nationalsozialistische Seite, ehemals kommunistische Jugendliche in Baldur von Schirachs HJ eine Heimat finden.163 Auch das Motiv »Land vs. Stadt« wurde hervorgehoben, außerdem, wie in SA-Mann Brand, das Thema »politische Erziehung«. Die Wirkung beider Filme wurde 1934 an einer zufällig zusammengestellten Gruppe von Jugendlichen getestet. Nicht zufällig erwiesen sich Brand und Heini Völker (»Quex« war sein Spitzname) als beispielhaft für Jungen wie für Mädchen, bei jenen, um den Kampfesmut zu stärken, bei diesen, um junge Frauen zu willigen Helferinnen des Mannes zu erziehen – ein Thema auch vieler NS-Romane. Eine 16 Jahre alte Verkäuferin reagierte mit den Worten, es sei schwierig, diese Filme zu vergessen, »weil wir bestrebt sind, den deutschen Männern das gleich zu tun«.164 An einem Sonntagmorgen in Berlin bekamen 70 000 Mitglieder der HJ, Jungen und Mädchen, den Film zu sehen.165

      Der Film Hans Westmar, im Dezember 1933 in den Kinos, erwies sich als kompletter Misserfolg. Insgesamt betrachtete Goebbels die SA-Filme nicht als Musterbeispiele für weitere Nazi-Geschichten auf Zelluloid; seine Einstellung dazu war so negativ wie zu den frühen Radioprogrammen. Zwar lobte Rosenbergs Völkischer Beobachter, der Film SA-Mann Brand sei »ein gelungener Versuch«, die Sympathien der Bevölkerung zu gewinnen, Goebbels aber fürchtete, dass andere NS-Institutionen in solchen Produktionen eine naive und grobschlächtige Aufarbeitung der »Kampfzeit« der Bewegung ohne wirklichen Bezug zur Realität sehen würden.166 Schlimmer noch, das ganze Genre sei »Konjunkturkitsch«. Zwar forderte er auch weiterhin die filmische Darstellung politischer Botschaften, aber auf kinematographisch höherem Niveau.167 SA-Männer sollten, wie er 1933 bemerkte, nicht im Film oder auf der Bühne marschieren, sondern auf der Straße.168 Einige Monate später sprach er sich erneut gegen »Kitsch« in der Filmindustrie aus und forderte »mehr Kunst«.169

      Ende 1934 wurde ein Film fertiggestellt, der ästhetische Qualität mit wirkungsvoller Propaganda für das Regime verband. Allerdings kam Triumph des Willens, der 1935 in den Kinos gezeigt wurde, nicht aus Goebbels’ Haus. Es war kein Spiel-, sondern ein Dokumentarfilm, der einzig durch seine Bilder und die Hintergrundmusik wirkte. Regie führte, im Auftrag Hitlers, die ehemalige Tänzerin und Schauspielerin Leni Riefenstahl, damals 32 Jahre alt. Die NS-Presse lobte den Film in höchsten Tönen, und Goebbels musste eingestehen, dass es sich in jeder Hinsicht um ein Meisterwerk handelte. Wie seine Tagebücher zeigen, bedauerte er sehr, Leni Riefenstahl nicht in seinem Machtbereich zu haben.170 Der Film feierte Hitlers Aufstieg zur Macht und, zwischen den Zeilen, die erfolgreiche Unterdrückung eines angeblich geplanten Putsches von Hitlers langjährigem Kampfkomplizen, dem SA-Führer Ernst Röhm.171 Aufgrund diverser Eigenheiten ist der Film bis heute ein Klassiker geblieben, nicht zuletzt durch die einfallsreiche Weise, mit der Wagner-Themen in die vom begabten Komponisten Herbert Windt komponierte Hintergrundmusik eingearbeitet sind.172 Die amerikanische Medienkritikerin Susan Sontag hielt sich zwar 1975 mit einer Gesamtwürdigung für Riefenstahl zurück, äußerte sich aber zu der brillanten Kameraführung: »In Triumph des Willens ist das Dokument (das Bild) nicht mehr nur einfach die Aufzeichnung der Realität, vielmehr wird ›Realität‹ konstruiert, um dem Bild zu dienen.«173 Auch in ihrem Film über die Olympischen Spiele in Berlin war Riefenstahl innovativ, und Goebbels konnte erkennen, was »Kunst« im Film bedeuten konnte. Gleichwohl blieb Olympia (1938) hinter dem Erfolg des Vorgängers zurück.174

      Der Schlag gegen Röhm entzog weiteren SA-Filmen den Boden und gab Goebbels so die Gelegenheit, sich von reinen Parteiinhalten abzuwenden, um andere Themen zu finden, in denen sich, wenn auch nicht wie bei Riefenstahl, Popularität mit politischer Propaganda und gelungener Ästhetik (in jeweils wechselnder Gewichtung) verbinden ließ. Der in allen drei Bereichen erfolgreichste Film dürfte zweifellos Der Herrscher von 1937, unter der Regie von Veit Harlan und mit Emil Jannings in der Titelrolle, gewesen sein. Allein schon durch Jannings war der Erfolg gesichert. Anlässlich eines kurzzeitigen Engagements in Hollywood hatte er 1928 als erster Schauspieler überhaupt den Oscar erhalten und war 1929, als sein deutscher Akzent mit dem neu entstehenden Tonfilm nicht vereinbar war, nach Deutschland zurückgekehrt, um im Dritten Reich als hellster Stern am Zelluloidhimmel zu strahlen. Der Herrscher beruhte auf Motiven eines Stücks von Gerhart Hauptmann und war ein Lobgesang auf einen Industriemagnaten, der als Witwer seine Familie tyrannisiert, welche nach seinem Tod – oder bei vorheriger Entmündigung – ein Vermögen zu erben hofft. Der Industrielle aber verliebt sich in seine Sekretärin und vermacht seine Fabrik dem Staat.175 Die Parallelen zwischen ihm und Hitler sind augenfällig: Schließlich haben beide, so hat es den Anschein, nur das Wohl der Gemeinschaft im Auge.176 Hatten die für den Film Verantwortlichen hier im vorauseilenden Gehorsam gehandelt? Goebbels jedenfalls bekannte bei der Endabnahme, er bewundere den Film sehr, und fühlte sich erwartbar geschmeichelt, als Hitler das genauso sah.177

      Es gab noch einige weitere Filme mit propagandistischem Inhalt. Der Herrscher beschäftigte sich mit innerdeutschen Verhältnissen, andere Streifen widmeten sich, was ebenso wichtig war, dem äußeren Feind. Bereits 1933 war Flüchtlinge in die Kinos gekommen, der das Elend der Wolgadeutschen in der Sowjetunion dramatisierte. Derartiger Unterdrückung, so wollten die Nazis damit beweisen, sehe sich eine reine ethnische Minderheit – die Deutschen – durch die Sowjetführer ausgesetzt; zudem gab der durch und durch »arische« Hans Albers, wie Jannings im Herrscher, eine charismatische Führungsfigur ab.178 Um die Botschaft in den Köpfen zu verankern, folgte Anfang 1935 der Film Friesennot, der ebenfalls die Wolgadeutschen als Opfer thematisierte. Während des Zweiten Weltkriegs, als zu den Wolgadeutschen neue deutsche Siedler auf der Krim stoßen sollten, wurde dem Film »eine durchgreifende politische und erzieherische Wirkung« bescheinigt.179 1935 hatte Hitler die Wiederbewaffnung verkündet, und 1938 wurde Pour le mérite fertiggestellt, ein Film über desillusionierte Piloten des Ersten Weltkriegs, die nach der Machtergreifung sehnsüchtig die Wiedergeburt der Luftwaffe erwarten, um die deutschen Grenzen verteidigen zu können.180

      Gerade gegen Ende der Friedensperiode kamen einige Filme in die Kinos, bei denen sich Propaganda in einer scheinbar harmlosen Handlung verbarg – eine Kunst, welche die deutschen Filmemacher damals offenbar zu beherrschen gelernt hatten. Dieser Trend fiel mit dem Aufstieg der schwedischen Schauspielerin Zarah Leander zusammen, die der neue Stern am deutschen Filmhimmel wurde, ein Ersatz für Marlene Dietrich, die sich weigerte, aus den USA nach Deutschland zurückzukehren. In einer Zeit zunehmender internationaler Spannungen musste die Unterhaltungsindustrie selbst attraktiven und privilegierten Frauen einen verantwortlichen Platz in der Volksgemeinschaft zuweisen, um ihnen zu bedeuten, dass Emanzipation oder Privatvergnügen à la Weimar der Vergangenheit angehörten. In physischer Hinsicht hatte Zarah Leander, eine Brünette, gewisse Ähnlichkeit mit der erfolgreichen Filmschaffenden Leni Riefenstahl, die seit 1936 allerdings in den Hintergrund rückte.181

      In den neuen Filmen agierten die Frauen zunehmend als Helferinnen des Mannes, als Sexualpartnerinnen einzig mit dem Ziel der Mutterschaft und als Hausfrauen am heimischen Herd – nicht als Berufstätige oder als Gespielinnen. 1937 nahm Zarah Leander in Babelsberg ihre Arbeit auf. In La Habanera, dem ersten von drei Filmen, in denen sie auftrat, spielte sie eine junge Schwedin, die Don Pedro, den Gouverneur von Puerto Rico, heiratet, die Insel aber nach dessen Tod mit ihrem kleinen Sohn und dem schwedischen Liebhaber wieder verlässt. Der Liebhaber, ein Arzt, erinnert sie an ihre Heimat im schneereichen europäischen Norden. Dort gehört sie samt Sohn hin, nicht in die schwüle Karibik.182 Ähnlich geht es zu in Heimat (1938). Hier spielt Zarah Leander eine berühmte Sängerin, die aus den


Скачать книгу