Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater

Kultur unterm Hakenkreuz - Michael Kater


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Herausragende Interpretationen zum Film im Dritten Reich findet man bei Eric Rentschler, David Hull und David Welch, jüngst auch eine von Bill Niven vorgelegte Arbeit. Untersuchungen zur Presse liefert Bernd Sösemann, die Literatur wurde kundig von Ralf Schnell und die Musik von Fred K. Prieberg, Erik Levi und Pamela M. Potter analysiert.4 Für die bildenden Künste sind die Schriften von Jonathan Petropoulos seit Langem maßgebend, und er wie auch Pamela Potter haben in jüngerer Zeit wichtige Monographien publiziert, die, jede auf ihre Art, einer umfassenderen Darstellung der Künste unter Hitler nahekommen.5

      Die Arbeit an diesem Buch geht zum Teil auf eine Zeit zurück, als die Unterstützung durch den mit meiner Professur verbundenen Forschungsfonds der York University begann (eine Unterstützung, die ich auch heute noch genieße). Hinzu kam die Förderung durch vier große Stiftungen. Zuerst gab es, in den siebziger Jahren, ein Guggenheim-Stipendium. Dann gewährte mir die Canada Council Killam Foundation (Ottawa) zwei Mal ein Senior-Killam-Stipendium, sodass ich für insgesamt vier Jahre von meinen Lehrverpflichtungen befreit war. Drittens unterstützte mich der Social Sciences and Humanities Research Council of Canada (SSHRC) in Ottawa über Jahrzehnte hinweg viele Male durch Forschungsfinanzierung. Und schließlich verlieh mir die Bonner Alexander von Humboldt-Stiftung einen Konrad-Adenauer-Forschungspreis, der meine Arbeit über die neunziger Jahre hinaus unterstützte. Allen diesen Institutionen, ohne deren Hilfe dieses Buch nicht hätte geschrieben werden können, bin ich von Herzen dankbar. Die jüngste Forschungsarbeit in Kanada wurde durch das Fernleihesystem der York University ermöglicht, wo ich zu meinem Glück von vier versierten Bibliothekarinnen – Gladys Fung, Mary Lehane, Samantha McWilliams und Sandra Snell – unterstützt wurde. Wie schon zuvor haben sie mir nicht nur in ihrer Eigenschaft als fähige Bibliothekarinnen geholfen, sondern auch als Forschungsassistentinnen, die mir Zugang zu Quellen verschafften, die ich für nicht erreichbar gehalten hatte.

      Mit Freunden wie William E. Seidelman, Herman Schornstein und Kevin Cook führten meine Frau Barbara und ich zahllose Diskussionen über Problemfelder und konfrontative Situationen, die vielleicht Parallelen zur heutigen Zeit aufweisen, da die Weltpolitik sich erneut in Richtung autoritärer Herrschaft zu bewegen scheint. Das schafft ein politisches Klima, in dem Übergriffe auf Kultur, die samt ihren Manifestationen immer als autonom und unangreifbar verstanden werden sollte, nur allzu leicht geschehen. Nicht zuletzt mit diesen Gedanken im Hinterkopf wurden Teile meines Manuskripts von klugen Kollegen – Peter Loewenberg, Hans R. Vaget und Claudio Duran – sorgfältig geprüft. Jeder las ein Kapitel und gab mir ein konstruktives Feedback, wofür ich äußerst dankbar bin. Alex Ross las das gesamte Manuskript, und seine hilfreichen Vorschläge schätze ich sehr. Ein großes Dankeschön geht schließlich an Heather McCallum, Marika Lysandrou, Rachael Lonsdale und Clarissa Sutherland von der Yale University Press. Heather stand mir immer zur Seite – mit großzügigen, aber strikten Vorgaben, während Marika, Rachael und Clarissa mit ihrer Erfahrung dazu beitrugen, aus dem Manuskript ein Buch zu machen. Etwaige Fehler gehen ganz allein auf mein Konto.

      Kapitel 1

       Die Zerschlagung der Moderne

      Nach ihrer Machtübernahme am 30. Januar 1933 gingen die Nationalsozialisten überall in Deutschland systematisch daran, der Kunst die Moderne auszutreiben. Sie wollten Platz für ihre eigene Art von Kultur schaffen. Geplant hatten sie dies schon seit Jahren. Sie wünschten sich eine deutsche Kultur, in der sich die zentralen Werte der NS-Ideologie niederschlagen sollten: gegenständlich, nicht abstrakt, klar und sauber, nicht krumm und schief, inspiriert von den vermeintlichen Tugenden der »nordischen Rasse«. Die natürliche Schönheit der Landschaft war rühmend hervorzuheben gegen die Hässlichkeit von Industriestädten; die Kultur sollte Stärke und Selbstvertrauen eines »reinrassigen« germanischen Volkes verströmen, scharf abgegrenzt gegen fremde und insbesondere jüdische Einflüsse. Diese Kultur galt es größtenteils neu zu erschaffen; was in der Vergangenheit als nützlich sich erwiesen hatte, mochte geschickt integriert werden, sofern die Traditionen der Vorfahren für die aufstrebende Generation als dienlich erachtet wurden.

      Doch zunächst musste jene moderne Kunst getilgt werden, die für das kulturelle Leben der Weimarer Republik (1918–1933) charakteristisch war, auch wenn deren Schöpfer nur eine Minderheit darstellten. Ihre oft kühnen Bestrebungen ließen sich nicht zuletzt als Reaktion auf die Schrecken des Ersten Weltkriegs verstehen, für den die alte Ordnung unter Kaiser Wilhelm II. und den spießbürgerlichen Eliten verantwortlich gemacht wurde. Parallel zur modernen Kunst entstand daher auf politischer Ebene eine demokratische Republik, die in gewissem Sinne ebenso ein Experiment war wie die Kultur. Manche modernen Kunstformen wie der Expressionismus in der Malerei oder die Opern Elektra und Salome eines Richard Strauss stammten allerdings schon aus der Vorkriegszeit, und längst nicht alle Vertreter der Moderne waren republikanisch oder politisch links eingestellt.1 Umgekehrt setzten auch der Konvention verpflichtete Künstler durchaus Vertrauen in eine neue, demokratische Regierungsform.

      Nach dem Waffenstillstand vom November 1918 waren, so Peter Gay, »alle oder doch fast alle Künstler von dem quasi-religiösen Eifer ergriffen, alles neu zu machen«.2 Waghalsige Experimente sollte es geben, mit neuen Formen und Inhalten, sei es bezogen auf Kunstobjekte oder Verfahrensweisen. Künstler wie Bertolt Brecht, Kurt Weill, Alban Berg, Paul Hindemith und Walter Gropius fanden in der »Novembergruppe« zusammen und verkündeten im Dezember 1918: »Die Zukunft der Kunst und der Ernst der jetzigen Stunde zwingt uns Revolutionäre des Geistes (Expressionisten, Kubisten, Futuristen) zu Einigung und engem Zusammenschluss.«3

      Im Gefolge kam es schon kurz nach Ausrufung der Republik 1918 zur künstlerischen Herrschaft der Bauhaus-Bewegung. Die Kunstschule sollte der Weimarer Ära in kultureller Hinsicht ihren Stempel aufdrücken. Unter der Leitung von Walter Gropius konzentrierten sich die Künstler und Künstlerinnen am Bauhaus auf neue Formen in Gestaltung und Malerei, zunächst ab April 1919 in Weimar selbst, dann ab 1925 in Dessau, wo die Architektur in den Mittelpunkt rückte. Das dort errichtete Schulgebäude verkörperte mit seinen klaren, rechtwinkligen Linien und dem Flachdach geradezu lehrbuchhaft Gropius’ Ideen.4

      Im Spätsommer 1923, noch in Weimar, veranstaltete das Bauhaus eine Ausstellung mit Vertretern praktisch jeder wichtigen künstlerischen Disziplin. Die Musik und journalistische Musikkritik repräsentierte Hans Heinz Stuckenschmidt, ein Anhänger der Zwölftonmusik, die zu jener Zeit mit Arnold Schönberg als ihrem Pionier entstand. Stuckenschmidt beteiligte sich in Weimar an einem »Musikalischen Cabaret«, für das er eine von Dada inspirierte, avantgardistische Partitur geschrieben hatte. Hermann Scherchen, der neben Otto Klemperer progressivste Dirigent der Weimarer Zeit, leistete ebenso einen Beitrag dazuwie Paul Hindemith, der seinen kurz zuvor komponierten Liedzyklus Marienleben – Ausdruck seiner neuen Vorliebe für die Polyphonie – zur Erstaufführung brachte. Auch Ernst Krenek, dessen Jazzoper Jonny spielt auf 1927 die deutschen Opernbühnen erobern sollte, ließ sich sehen.5

      Das Bauhaus hatte eine eigene Jazzkapelle, und Jazz, der, aus den USA kommend, bereits in England und Frankreich Furore gemacht hatte, wurde auch in Deutschland ein Hit. Dass das – für dieses Land – typisch überbetonte Schlagzeugspiel an Marschmusik erinnerte, änderte daran nichts. Gespielt wurde Jazz in den Zwanzigern in den Großstädten, hauptsächlich in Berlin, von deutschen Combos in darauf spezialisierten Klubs wie dem Rio Rita oder dem Moka Efti, aber auch in großen Musik- und Varieté-Theatern wie der Scala oder dem Wintergarten, die Adolf Hitler und sein Propagandafachmann Joseph Goebbels bisweilen ebenfalls aufsuchten (allerdings wegen der Operetten, die dort zur Aufführung kamen). Schließlich gab es Jazz in Cabarets, wo Stars und Sternchen aus Film und Operette, etwa die junge Trude Hesterberg, auftraten. Auch im Film konnte man Jazz hören, so zum Beispiel im ersten bedeutenden deutschen Tonfilm Der blaue Engel (1930), für den der Jazzpianist Friedrich Hollaender die Musik geschrieben hatte. Hollaender sollte später in Hollywood Karriere machen; Marlene Dietrich wiederum, die mit diesem Film berühmt wurde, hatte in Weimar Geige studiert, als das Bauhaus dort seinen Anfang nahm.6

      Filmschaffende als solche waren zwar nicht auf der Bauhaus-Ausstellung von 1923 vertreten, aber einige der Künstler waren an Film oder Fotografie interessiert, etwa der Maler und Designer László Moholy-Nagy, zu dessen neu entwickelten Techniken die Herstellung von Fotogrammen gehörte, die entstehen, wenn man Objekte direkt auf einem unbelichteten


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