Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater

Kultur unterm Hakenkreuz - Michael Kater


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Das Cabinet des Dr. Caligari (1920), Metropolis (1927) und Mädchen in Uniform (1931). Die Handlung im Cabinet des Dr. Caligari spielte in Räumen mit verzerrter Optik: Der Hintergrund war verwinkelt, es gab schräge Wände und schiefe Decken. Die Protagonisten wirkten zwielichtig, waren moralisch gut oder böse oder beides zugleich; der Zuschauer war verwirrt, überall lauerte der Horror. Auch in Fritz Langs Metropolis spielte der Gegensatz von Gut und Böse eine wichtige Rolle; hier schlüpfte ein böser Roboter namens Maria in die Rolle eines an Körper und Seele schönen Mädchens, das ebenfalls Maria hieß. Die Handlung von Mädchen in Uniform enthält Andeutungen lesbischer Liebe, ein Zeugnis für die vergleichsweise tolerante Haltung der Republik in Fragen der Sexualität. Zugleich kritisiert der Film kaum verhohlen die autoritär-hierarchischen Verhältnisse an Privatschulen als hartnäckige Überbleibsel einer vergangenen Zeit.7

      Unter den Malern, die an der Ausstellung von 1923 teilnahmen, waren auch die Bauhaus-Künstler Wassily Kandinsky und Paul Klee. Kandinsky hatte schon um 1910 die ersten abstrakten Bilder gemalt und schuf in Weimar 1923 unter anderem ein Ölgemälde mit dem Titel Auf Weiß II: Vor einem abstrakten Hintergrund aus gelben und rötlichen Dreiecken, einem schwarzen Kreis und weiteren geometrischen Gebilden auf weißer Leinwand kreuzen sich zwei schwarze, lanzenförmige Spitzen. Klee malte etwas weniger geometrisch und abstrakt, aber häufig kleinformatig. Sein 1921 entstandenes Bild Der Angler ist fein ziseliert; die Figur steht auf einem dünnen Brett über dem Wasser und handhabt, vor einem zartblauen und weißen Hintergrund, elegant eine Angelschnur.8

      Ein früher Theaterfachmann am Bauhaus war Lothar Schreyer. Der vielseitige Gelehrte, der nicht nur malte, Prosa verfasste und eine Kunstzeitschrift herausgab, sondern zudem an der Universität Heidelberg in Jura promoviert hatte, schrieb und inszenierte ein Mondspiel, das Anfang der zwanziger Jahre in Weimar auf die Bühne kam, aber leider nur wenig Aufmerksamkeit erregte. Oskar Schlemmers Triadischem Ballett war später mehr Erfolg beschieden. (Schlemmer war, wie Klee und Kandinsky, Maler am Bauhaus.) In Berlin spielte nach wie vor Max Reinhardt eine wichtige Rolle, obwohl er als Theaterdirektor bereits vor dem Weltkrieg den ersten Höhepunkt erreicht hatte. Nun war er vorwiegend als Lehrer tätig. Seine berühmtesten Kollegen als Dramaturgen waren Leopold Jessner und Erwin Piscator, beides entschiedene Sozialisten, die wie der marxistische Stückeschreiber Bertolt Brecht die Notwendigkeit betonten, dass das Theater den Massen – und damit der Gesellschaft – dienen müsse.9 Als Schauspieler machte Mitte der zwanziger Jahre Gustaf Gründgens von sich reden. Androgyn und bisexuell, war er kurzzeitig mit der gleichfalls bisexuellen Erika Mann verheiratet. Die Tochter Thomas Manns verhalf ihm zu Auftritten im Kabarett, während er als Bühnenschauspieler lautstark für das revolutionäre Theater eintrat. Er brillierte als Mephisto in Goethes Faust sowie in Stücken der neuen expressionistischen Dramatiker Frank Wedekind, Carl Sternheim und Georg Kaiser. 1928 sollte Max Reinhardt Gründgens nach Berlin holen.10

      Zwar gab es unter den Multitalenten am Bauhaus einige, die Lyrik und Prosa verfassten, doch die herausragendsten Schriftsteller der Weimarer Republik waren Gerhart Hauptmann und Thomas Mann. Dem neuen Weimarer »Sturm und Drang« standen beide, da sie intellektuell und ästhetisch eher in der Vorkriegszeit verankert waren, allerdings fern. Typischer für den neuen Geist waren der sozialistisch inspirierte Bertolt Brecht und Alfred Döblin, ein jüdischer Arzt in Berlin, der sich, mit tiefem Verständnis und Mitgefühl für die gesellschaftlich Abgehängten, der Mittellosen annahm. Franz Biberkopf, der Protagonist seines 1929 erschienenen Romans Berlin Alexanderplatz, kommt aus dem Gefängnis mit dem festen Entschluss, nunmehr den geraden Weg zu gehen, gerät aber durch seine Umgebung erneut in Schwierigkeiten. Döblin veranschaulicht in seinem Buch die Notwendigkeit gesellschaftlicher Veränderung ebenso wie jene individueller Anteilnahme. Er warnt aber auch vor dem aufstrebenden Nationalsozialismus.11

      An gesellschaftlicher Veränderung, ganz zu schweigen von den damit verbundenen politischen Risiken, waren die Nationalsozialisten in den zwanziger Jahren nicht besonders interessiert. Über eine nennenswerte kulturelle Agenda verfügten sie in der ersten Hälfte des Jahrzehnts erst recht nicht. Noch waren sie vorwiegend damit beschäftigt, sich politisch zu etablieren, was aufgrund ihrer regionalen Beschränktheit – sie waren hauptsächlich in Bayern präsent –, Hitlers fehlgeschlagenem Münchner Putschversuch vom November 1923 und seiner bis Weihnachten 1924 währenden Festungshaft in Landsberg an Grenzen stieß. Nach seiner Freilassung war Hitler vollauf mit dem Aufbau neuer Außenposten in ganz Deutschland beschäftigt und damit, Unterstützung in der Bevölkerung zu finden, beides immer wieder erschwert durch Auftrittsverbote in den deutschen Ländern.

      Erst 1927 ließ sich ein erstes Interesse für kulturelle Angelegenheiten erkennen. Auf dem Parteitag im August in Nürnberg verkündete Hitler einige undurchsichtige Richtlinien für eine – aus seiner Sicht – kulturelle Erneuerung.12 Das waren weder Pläne für einen »Kulturstaat«, noch verband sich damit, wie jüngst behauptet wurde, die Ansicht, Politik sei als »höchste Form der Kultur« zu verstehen.13 Dafür gibt es auch in der weiteren Entwicklung bis und nach 1933 keine Anhaltspunkte; die Kultur war der Propaganda untergeordnet und hatte ihr zu dienen; die Formulierung »Politik als Kulturform« ist in diesem Kontext nur ein Ausdruck ohne Bedeutung. Aber Alfred Rosenberg, ein früher Mitstreiter Hitlers aus der Münchner Zeit, der sich zum Chefideologen der Bewegung aufgeschwungen hatte, griff den Hinweis vom Parteitag auf und gründete den Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK). Er wurde hauptsächlich von politisch rechtsgerichteten Angehörigen der kulturellen Elite wie dem Münchner Publizisten Hugo Bruckmann und seiner Ehefrau Elsa sowie von Winifred Wagner (Richard Wagners Schwiegertochter) in Bayreuth unterstützt. 1928 folgte die Gründung als Verein, für den im Mai desselben Jahres weitere Gründungsmitglieder geworben wurden. In einem von Alfred Rosenberg verfassten Manifest rief dieser seine Anhänger dazu auf, gegen die zeitgenössische Literatur und die liberale, zumeist großstädtische (jüdische) Presse wie etwa die Frankfurter Zeitung vorzugehen. Implizit wurden auch die moderne Musik, Architektur, Malerei und Plastik als Ausdrucksformen des Expressionismus in diesen Angriff eingeschlossen.14 Schon bald gründeten sich Ortsgruppen des Kampfbunds, so auch in der Goethe-Stadt Weimar unter Leitung des NSDAP-Mitglieds und völkischen Journalisten Hans Severus Ziegler. In seiner Gründungsansprache machte Ziegler sofort deutlich, wer als einer der Hauptfeinde des Nationalsozialismus zu gelten habe: Sein Vortrag trug den Titel »Der Bolschewismus bedroht die deutsche Kultur«.15

      1929 begann der Kampfbund, mit Verleumdungen Front gegen Errungenschaften der Weimarer Republik zu machen. Mittlerweile zeigte sich die Avantgarde auf vielen Gebieten: Da gab es die satirischen Gemälde von George Grosz und Otto Dix, das Bauhaus in Dessau, in Berlin wurde die Dreigroschenoper von Brecht und Weill gegeben, und die Weintraub Syncopators verdrehten der Stadt mit Jazzmusik den Kopf. Einer der bösartigsten Vertreter des Kampfbunds war jetzt der Gropius-Rivale und Architekt Paul Schultze-Naumburg, der für eine traditionelle Architektur eintrat. Er bevorzugte Häuser mit Giebel- statt Flachdach und mit reicher, ornamentaler Innenausstattung wie in den alten Ozeandampfern. Er entwickelte sich zum ersten Verfechter einer völkischen Kunst im nationalsozialistischen Sinne und war viel auf Vortragsreisen unterwegs. 1932 verglich er in einer Broschüre Werke der modernen Malerei mit Erzeugnissen von Psychiatriepatienten. Im selben Jahr organisierte er in München eine öffentliche Ausstellung zu einem ähnlichen Thema.16 Im Frühjahr 1932 geißelte der rechtsnationale Autor Hans Friedrich Blunck außerdem in einem Vortrag vor Universitätsstudenten die vulgäre Erotik, die der modernen Kunst und manierierten Musik der Weimarer Epoche innewohne.17 Als die Republik ihrem Ende entgegenging, hatten die Nationalsozialisten bereits schwarze Listen vorbereitet. Schauspieler, die sie für Juden oder Marxisten hielten – darunter Fritz Kortner, Heinrich George und Gustaf Gründgens – sollten von Intendanten und Filmgesellschaften fortan boykottiert werden.18 Gegen »Jazzband, Niggersong und Negerplastik«, außerdem »fremdrassige Erotik« sowie »bolschewistische Agitation« seien sie in der Weimarer Zeit zu Felde gezogen, fassten rechtsnationale Autoren, darunter Rosenbergs Marionette Walter Stang, ihren Kampf gegen das, was sie als Auswüchse der republikanischen Avantgarde betrachteten, zu Beginn von Hitlers Herrschaft zusammen.19

      Schon im Januar 1930 waren die Nationalsozialisten nach Landtagswahlen in Thüringen mit seiner Hauptstadt Weimar in einer Koalitionsregierung an die Macht gekommen. Hitler gelang es, einem seiner Vertrauten, dem Juristen Wilhelm Frick, mit zwei Ministerposten – Inneres und Volksbildung – im Kabinett eine Vormachtstellung zu sichern.


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