Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater

Kultur unterm Hakenkreuz - Michael Kater


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am mittlerweile nach Berlin übergesiedelten Bauhaus zu behalten. In materieller Not und mit dem Willen zur Anpassung beharrte er in einem Brief an Goebbels darauf, er sei »jener Typ Künstler, den der Nationalsozialismus brauche«. An Baudissin schrieb er, unter Verwendung ästhetischer Termini des Bauhauses: »Ist denn der Nationalsozialismus nicht auch eine Form-Idee? Ein ganzes Reich soll doch geformt werden, neu geformt!« Und in dieser Neuformung sah er auch einen Platz für sich selbst.69

      Ferner setzten die Nationalsozialisten dem Einfluss von Büchern aus der Weimarer Zeit durch Zensurmaßnahmen, Druckverbote und spektakuläre, deutschlandweite Verbrennungsaktionen ein Ende. Schriftsteller der Moderne mit Lehrverpflichtungen an Universitäten oder Schulen waren ohnehin rar gesät; weniger prominente konnten sich anpassen, indem sie ihre Manuskripte umschrieben. Die unnachsichtige Behandlung einiger berühmter freigeistiger Autoren sollte allen, die abweichende Vorstellungen hatten, als Warnung diesen. Ein Beispiel ist Thomas Mann, der zum Zeitpunkt der Machtergreifung auf einer Vortragstour im Ausland unterwegs war und erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus Anlass eines Besuchs nach Deutschland zurückkehrte. Im Dezember 1936 wurden ihm die Staatsbürgerschaft und die Ehrendoktorwürde der Universität Bonn aberkannt. Heinrich, der ältere Bruder, war schon im Februar 1933 nach Frankreich geflohen; ihm hatte das Regime noch im August jenes Jahres demonstrativ die Staatsbürgerschaft entzogen.70

      NS-Literaturkritiker sahen die Vernichtung von Werken kommunistischer und sozialdemokratischer, aber auch christlicher (lutherischer) Autoren vor, desgleichen Bücher über Frauenemanzipation, Pazifismus, Sexualität und ähnliche Themen. Die Bücher zu Sachthemen umfassten nahezu die gesamte Literatur der Weimarer Avantgarde; hinzu kamen Werke von Juden und international bekannten Autoren wie dem französischen Kommunisten Henri Barbusse und dem US-amerikanischen Sozialkritiker Upton Sinclair. Diverse Partei- und Regierungsorganisationen hatten, bisweilen längst vor dem Januar 1933, schwarze Listen erstellt, aufgrund deren renommierte Verlage wie die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA), Rowohlt und Propyläen nun die Produktion solcher Bücher einstellen mussten, welche von den Nationalsozialisten als naturalistisch, expressionistisch, dadaistisch oder der Neuen Sachlichkeit verpflichtet abgelehnt wurden. Öffentliche Bibliotheken und Leihbüchereien mussten sich von umfangreichen Beständen trennen. Bereits im Dezember 1933 waren über tausend Titel verboten oder aus dem Verkehr gezogen worden – eine Zahl, die in den folgenden Jahren noch anwachsen sollte.71

      Bei den Bücherverbrennungen ging es hauptsächlich um die Bestände der öffentlichen Büchereien und der Universitätsbibliotheken. Offenkundig auf Betreiben Goebbels’, der darin von Hitler unterstützt wurde, fanden an den meisten deutschen Universitäten Autodafés statt. Auf Grundlage der schwarzen Listen und mit Hilfe von Kampfbund und Kripo suchten Mitglieder der Deutschen Studentenschaft (DSt) – des Dachverbands der deutschen Studenten – indexierte Bücher von bereits verbotenen Autoren heraus. Auch Schulbüchereien wurden durchforstet, außerdem sollten Privathaushalte ihre Sammlungen durchsehen. Nach wochenlanger Vorbereitung wurden die Scheiterhaufen am 10. Mai 1933 in Anwesenheit von Mitgliedern von Partei, SA und SS entzündet. Professoren in vollem Ornat gingen den Studenten zur Hand: Ernst Bertram in Köln, Hans Naumann in Bonn und in München Universitätsrektor Leo von Zumbusch. In Frankfurt wurden die Bücher auf einem von Ochsen gezogenen Düngerwagen herbeigeschafft, in Mannheim war es ein Schinderkarren. In Würzburg wurden mindestens 280 Bücher vernichtet, eine Größenordnung, die auch für andere Universitätsstädte zugetroffen haben dürfte. In Göttingen krönte ein Leninporträt den Bücherstapel, auf anderen wurde die Fahne der Weimarer Republik drapiert.72

      In Berlin verlangte die Inszenierung die Anwesenheit des Propagandaministers. Auf dem Kaiser-Franz-Joseph-Platz – gemeinhin Opernplatz – zwischen Staatsoper und Friedrich-Wilhelm-Universität hielt Goebbels von einem offenen Wagen aus eine Rede zum Motto der »Aktion wider den undeutschen Geist«. Er polemisierte gegen das, was er für jüdischen Intellektualismus und den Materialismus des November 1918 hielt, und forderte die Studenten auf, den »geistigen Dreck« der Vergangenheit in die Flammen zu werfen. Dann landeten die Werke von Sigmund Freud, Karl Marx, Heinrich Mann, Carl von Ossietzky, Erich Maria Remarque und anderen prominenten Autoren, auch solchen aus dem 19. Jahrhundert, jeweils mit einem »Feuerspruch« versehen, auf dem Scheiterhaufen.73

      Neue Kontrollen

      Die Tilgung der Weimarer Republik aus den Kultureinrichtungen war eine Sache, eine andere war es, diesen Bereich vor künftigen missliebigen Entwicklungen zu bewahren. So, wie die Nationalsozialisten gleich nach der Machtergreifung die Gesetzgebung der Weimarer Republik zur Festigung ihrer Diktatur genutzt hatten, so gingen sie auch im Kulturleben vor. Sie schufen neue Gesetze auf Grundlage der alten oder erließen gänzlich neue, die für ihre Bedürfnisse maßgeschneidert waren.

      Eines der ersten dieser Gesetze datiert vom 14. Juli 1933 und sollte die deutsche Filmindustrie organisatorisch und thematisch den eigenen Wünschen unterwerfen. Es sah die Einrichtung einer »vorläufigen« Reichsfilmkammer für alle Filmschaffenden vor,74 außerdem die Vorlage jedes neuen Filmskripts zwecks Autorisierung und die Überprüfung von Regisseuren und Schauspielern auf politische Unbedenklichkeit. Ein Film, der diesem Verfahren zum Opfer fiel, war Horst Wessel, der am 9. Oktober 1933, dem Tag der geplanten Premiere in Berlin, verboten wurde. Der Film war als Hohelied auf den zum Märtyrer erhobenen SA-Mann Horst Wessel gedacht, der im Januar 1930 von Kommunisten in Berlin umgebracht worden war. Verboten wurde er, weil er, so die Begründung, »weder der Gestalt Horst Wessels noch der nat.-soz. Bewegung als Trägerin des Staates gerecht« werde. Nach Überarbeitung und vielen Schnitten wurde der Film unter dem Titel Hans Westmar – nunmehr von den Zensoren für gut befunden – erneut herausgebracht und feierte am 13. Dezember Premiere.75

      Am 16. Februar 1934 wurde das Lichtspielgesetz verabschiedet. Nun war es möglich, den Weimarer Filmkanon zu »bereinigen« und die Eingriffsmöglichkeiten der NS-Zensur auszuweiten. Um ideologisch einwandfreie Filme auf die Leinwand zu bringen, wurde das Amt eines Reichsfilmdramaturgen geschaffen, dessen Aufgabe es war, für die Kontrolle der Filmskripte wie auch für die Prüfung eines fertigen Films zu sorgen. Weil die Arbeitsweise sich als mühselig und zeitraubend herausstellte, übertrug Hitler persönlich im Juni 1935 Goebbels die Oberaufsicht über die Arbeit des Dramaturgen, ein Privileg, das nach der Verstaatlichung der Filmindustrie 1936 noch ausgebaut wurde. Nun konnten Filme aus dem Verkehr gezogen werden, wenn sie nationalsozialistisches oder künstlerisches Empfinden verletzten – zwei ziemlich dehnbare Kategorien.76 Man weiß nicht genau, wie viele neu produzierte Filme zensiert wurden und dann grünes Licht erhielten; der Filmwissenschaftler Gerd Albrecht listet für das Jahr 1933 dreizehn, für 1937 vierzehn und für 1941 dreiundzwanzig Filme auf.77

      Neu war auch das Schriftleitergesetz vom 4. Oktober 1933 zur Säuberung des Pressewesens. Die Qualifikationen eines Redakteurs (Schriftleiters) liefen von nun an darauf hinaus, den strikten Gehorsam gegenüber den inhaltlichen Vorgaben des Regimes sicherzustellen. »Schriftleiter«, heißt es in § 13 des Gesetzes, »haben die Aufgabe, die Gegenstände, die sie behandeln, wahrhaft darzustellen und nach ihrem besten Wissen zu beurteilen.« Unausgesprochen war klar, dass »wahrhaft« bedeutete, sich an die geltenden Normen zu halten, und einem Redakteur nützte das beste Wissen und Gewissen nichts, wenn es den herrschenden Interessen zuwiderlief.78 Das Gesetz verwandelte die ursprünglich individuellen Freiheiten unabhängiger Redakteure und Journalisten in Dienstbarkeit gegenüber politischen Herrschaftsträgern wie Goebbels. Um die Kontrolle zu erleichtern, musste nun jeder Beitrag namentlich gekennzeichnet sein; Anonymität war nicht gestattet.79 Nationalsozialistische Pressefachleute begrüßten diese Maßnahmen. Emil Dovifat, Professor an der Berliner Universität, forderte, von nun an müsse der Wille der obersten Führung mit der öffentlichen Meinung verschmolzen werden, damit diese die der Ersteren wiedergebe; so werde »zum Nutzen der Nation« eine Einheit geschmiedet. »Im Dritten Reich gehört der Journalismus als freier Beruf der Vergangenheit an«, resümierte Guido Enderis in der New York Times. »Stattdessen entsteht eine Art Personalunion zwischen dem einzelnen Zeitungsmitarbeiter und dem Staat, wobei der Beruf selbst in strenge Regeln und Regulierungen gezwängt wird.«80

      Mit dem Verbot kritischer Analyse wurden die Lenkungsbestrebungen am 6. November 1936 weiter verschärft. Analyse und Kritik – die Kennzeichen der Weimarer Geisteswelt schlechthin – galt es nun zu unterbinden. Die neue


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